oberhalb der Chorstihle und diese begleitend. Dartber befin-
den sich in architektonischen Einrahmungen alitestamentarische
Darstellungen und endlich an den Gewélben in kreisférmigen
Feldern die Lebens- und Leidensgeschichte Christi nebst vielen
anderen Darstellungen. Die Grundfarbe ist ап den Wanden
griin, an den Gewélben, wie aus Taf. V. Fig. d. zu ersehen,
braunroth. Neben diesen Ténen kommt auch die weisse Farbe
an Gewindern und Ornamenten vielfach vor. Wiewohl die Aus-
fihrung im Ganzen mangelhaft, so ist die Gesammlwirkung je-
ner Malereien doch tiberaus reich.

Ausser diesen Wandmalereien macht der Verfasser auf

Taf. 1V. und V,’durch mehrere Proben uns auch mit den frag-
mentarischen Glasmalereien bekannt, welche die Chorfenster
schmicken. Besonders mtissen wir an der auf Taf. IV. gege-
benen Darstellung von St. Georg und St. Alexander die Treue
und Sorgfalt der Nachbildung hervorheben.
  Von nicht geringerem Interesse als die Malereien sind die
Milttheilungen, welche der Verfasser von den im Zither der Kirche
aufbewahrien Teppichen giebt. Dieselben erhalten durch finf
sorgfaltig in Farbendruck ausgefithrte Tafeln die nothwendige
bildliche Erginzung, und verdient der unendliche Fleiss, die
liebevolle Ausdauer, mit der sich der Herausgeber der nicht
eben dankbaren Aufgabe unterzogen hat, unsere volle Anerken-
nung. Wenngleich diese Arbeiten auf einen tiberaus primitiven
Zustand der einheimischen Webekunst deuten und in kinstleri-
scher Bezichung theilweise kaum die hescheidensten Anspriiche
befriedigen, so dient ihre Bekanntmachung doch wesentlich dazu,
das Bild des damaligen klésterlichen Lebens zu vervollstandi-
gen und lasst dieselbe mannichfache belehrende Seitenblicke in
das ausserkirchliche Leben und Interesse der damaligen Tage
zu. Die Verfertigung gewebter und genahler Teppiche bildete,
nach den dariber in den Chroniken aufgezeichneten Notizen,
einen Zweig der Kunstiibung, der schon frih, Wesonders aber
im 12. und 13. Jahrhunderte, in den niedersadchsischen Nonnen-
stiftern gepflogen wurde. ) So lange nicht das Gegentheil er-
wiesen, mtissen wir daher mit dem Verfasser annehmen, dass
wenigstens ein Theil jener Teppiche in Wienhausen selbst ver-
ferligt wurde.

Taf. VI. giebt zuerst die Probe eines merkwiirdigen, ge-
nahten Teppichs aus der zweilen Halfle des 14. Jahrhunderts,
mit Darstellungen aus Tristan und Isolde, jener schon vor Gott-
fried von Strassburg durch Eilhart von Oberg, einen Hildeshei-
mer, der von 1189 — 1207 schrieb, in Niedersachsen eingebir~
gerten Dichtung. Dieser, mit Inschriften in niederdeutscher
Sprache versehene Teppich ist in Niedersachsen selbst entstan-
den und kam vielleicht nebst anderen, denselben Gegenstand
darstellenden Teppichen als Oberg’sche Schenkung an das Klo-
ster. Das Oberg’sche Wappen kommt in der Kirche mehrfach
vor und eine Inschrift berichtet ausdriicklich, dass der Probst
Wulbrandus von Oberg 1521 der Kirche ein noch vorhandenes
Gemilde zum Geschenke gemacht habe. Ungefihr gleiches Al-
ter mégen ihrem Style nach die auf Taf. VII. nachgebildeten
Bruchstiicke von zwei anderen genahten Teppichen haben. Das
Eine enthalt Propheten mit Schriftrollen, jeder in einer aus
acht Kreisstiicken zusammengesetzten, mit lateinischen Inschrif-
ten versehenen Einrahmung. Das Andere stellt eine Jagd im
Kostiime des 14. Jahrhunderts dar, mit der niederdeulschen In-
schrift: ,Desse Matherie in desseme Topede de is van cuner
	41) Ausser den vom Herausgeber angelinrien Beispielen zu Wernde,
Quedlinburg und Lime, sind hier die merkwtirdigen Teppiche 2u erwahnen,
welche das Kloster Heiningen, unfern von Wolfenbiltel, aufbewahrt. Irren
wir nicht, so wurden im ersten Jahrgange des deutschen Kunsthlattes bereits
einige Notizen fiber diese wenig bekannten und dem Untergange entgegen-
modernden Schatze mitgetheilt.
	Лас Ш in deme Walde lopt dat Wild we dat wel van de mout
snelle Hunde han.“ — Etwas jiinger und besser in der Zeich-
nung ist cin dritter genahter Teppich mit niederdeutscher In-
schrift in gothischen Minuskeln, die Legende des heiligen Tho-
mas darstellend. Auf Taf. VIL erblicken wir unter Anderen
ein Hochzeitmahl, wo des Konigs von Indien Mundschenk dem
betenden Thomas einen Backenstreich giebt, mit der Unterschrift:
»hir cleyt en de schencke*, fiir welche gotteslisterliche That
dicht daneben ein phantastisches Ungeheuer, einen Lowen be-
deutend, dem Schenken die Hand abbeisst u, v.a. — Andere
Umrisse von genahten, aber in der Zeichnung sehr rohen Tep-
pichen bielet sodann noch Taf. Il. Der Eine stellt die Legende
der heiligen Elisabeth mit erklarendem Texte in niederdeutscher
Sprache, der Andere Scenen aus dem alten Testamente 4аг. —
Den Beschlnss des Ganzen bilden die auf Taf. 1X. und X. ge-
gebenen Muster eines Teppichs von vorziiglicher Schénheit.
Derselbe ist, wie aus den Inschriften, dem Halbmonde und den
von phantaslischen Thiergestalten belebten ornamentalen Ziigen
mit Gewissheit hervorgeht, arabischen Ursprungs und besteht
aus gelblichem Seidenstoffe, in den die Ornamente aus braun-
violetten Faden eingewebt sind. Der Verfasser spricht die Ver-  
muthung aus, dass der Teppich zur Zeit der Kreuzziige durch
Heinrich den Léwen nach Deutschland und durch dessen Schwie-
gertochter Agnes, Griinderin des Klosters, nach Wienhausen
gekommen sei.

Die bis dahin mit artistischen Ilustrationen versehenen Mil-
theilungen werden schliesslich noch durch einige schatzbare
Notizen tiber die Verwaltung und Einrichtung eines Cistercien-
ser Nonnenklosters bereichert, die uns cine umfassende Einsicht
in das mechanische Triebwerk jener geistlichen Institute ver-
statten. Denselben sind Lyssemann’s Nachrichten tiber das im
Liineburgischen belegene ehemalige Kloster Medingen zum
Grunde gelegt.

Nur diejenigen, welche den gewalligen Umfang der Kunst
des germanischen Miltelallers zu erfassen vermégen, kdnnen
den wahren Werth einer Arbeit, wie die vorliegende, richtig
ermessen. Von Tage zu Tage mehren sich die Zeichen, welche
dem alten Weltgebaude den Untergang drohen und mahnend auf-
fordern, bei Zeiten unsere Rechnung mit dem Mittclalter abzu-
schliessen und immer dringender, unabweisbarer fordert die
Geschichte den Tribut ein, den wir dem entschwundenen Zeil-
alter schulden. Schon langst haben, getrieben von der gehei-
men Macht dieser prophetischen Mabnung, einzelne hervorra-
gende Geister unseres Vaterlandes den Weg zur kunsigeschicht-
lichen Durchforschung des Mittelalters angebahnt und dadurch,
dass sie den Umfang der Aufgabe zu Tage legten, sich ипуег-
gingliche Verdienste erworben. Aber auch denen sind wir zu
Danke verpflichtet, die, wie der bescheidene Herausgeber des
Archivs, in die Fussstapfen der Fiibrer tretend, der theilweise
recht mihevollen Arbeit sich unterziehen, den provinziellen
kunstgeschichllichen Boden urbar zu machen. Moége er darum
riistig vorschreiten auf dem betretenen Pfade und uns baldigst
mit den Friichten seiner ferneren Forschungen erfreuen. 0.
	Aeltune’.
	*Meffau. Von S.H. dem Herzoge ist der Dr. Adolph Lange
hierselbst mit der Vorsorge fiir die Erhaltung der kinstlerischen und
historischen Denkmiler in den Anhalt-Dessau-Cothen’schen ‘Landen
	beauftragt worden.
	© Srankfurt a. Al., 4, Aug. Verflossenen Montag Abend zwi-
schen 8 und 9 Uhr ist der Inspector des Stadel schen Instituts, Herr