306 bricht ein Strichregen los, einen Theil davon tberschallend. Die ganze Beleuchtung ist gewilterhaft, der bewélkte Himmel yon der gréssten malerischen Wirkung. — Auch zwei andere Bilder von Troyon, ,die Tranke* und ,der Nohlweg® sind, je- des in seiner Art, vortrefflich. — Das grosse Bild, so wie cines von den kleinen, wurde fiir die kunstlicbende Grifin Lehon ge- malt. Schon mancher fremde Kiinstler (mancher deutsche nament- lich) hat sich geschmeichelt, durch ein in Paris ausgestelltes Bild einen entscheidenden Schlag zu thun, oder seinem im Va- terlande erworbenen Ruf. dic Krone aufzusetzen, und hal sich gelauscht gesehen, dagegen anderen unvermuthet ein Erfolg enlgegenkam, der ihre kithnsten Erwartungen tbersteigen musste. So ging es dieses Jahr Ludw. Knaus aus Wiesbaden, dessen Hauptbild, der ,Morgen nach einem Kirchweihfest“, yon dem Tage der Eréffaung an sich des ungetheillesten Beifalls erfreute, zum deutlichsten Beweis, dass eine wahre und ungekiinstelle Darstellung des rein Menschlichen, und wiirde uns selbst dic Menschheit in ihrer tiefsten Erniedrigung vorgefihrt, auf Ge- bildele und Ungebildete seine Wirkung nicht verfehlt. Jeder Zug dieser kiinstlerischen Schépfung spricht aber auch zu dem Beschauer mit der drangenden Gewalt eines Erlebten, cines Wirklichen, ja Nothwendigen: Die dumpfige Wirthshausstube, wo in dem staubig -qualmigen Hinterverschlage noch cine roth- liche Lampe cin bunles Gewirre yon Gestallen beleuchtet, wah- rend vorn cine auf dem Tisch stehende, ticf niedergebrannte Kerze ein diisteres Licht in den triiben Morgen hineinwirft. Die am Tische sind zu vollauf beschafligt, um der Kerze zu achten: es sind zwei alte Siinder (davon einer unverkennbar taub,) mit dem tiefsten, eingewurzelten Ausdruck der Verworfenheit auf den fahlgrauen Branntweingesichtern, im Begriff, cinem ar- men ‘Télpel von Bauernburschen seinen letzten harten Thaler im Wirfelspiel abzunehmen, nachdem sie ihn schon um die Uhr geprellt. Auch der Kopf und die ganze Gestalt des Bauernbur- schen ist ein Meisterstiick von Charakterzeichnung, und ein Phrenolog behauptete, in dem spitazulaufenden Schiadel das voll- kommene Bild des Mérders zu erkennen. Wie nun aber die drei Musikanten schildern — den einen mit der Bassgeige auf dem Riicken, der in der Benebelung ein Iceres Glas ergreilt und unwillig wieder hinstellt? den Posaunenblaser mit dem klei- nen Schnurrbart und der Kappe auf dem Kopf, — unfehlbar ein ehemaliger Hauthoist, der vom Regiment verjagt worden? den dritten endlich, der mit der grossen Trommel die Stiege her- unterkommt: Drei so tbernichtige Gesichter, so verwilterte Gesellen, so grundliederlich durch und durch, von der Fuss- sohle bis zum Scheitel, wie sie vielleicht sellen sich zu етет so wirdigen Klecblalt zusammenfinden, und doch so unibertreff- lich wahr, mit solcher Kraft der Individualisirung hingestellt, dass man sich kaum entsinnen mag, jemals andere als diese drei Dorfspielleute gesehen zu haben. Rechts auf einer Bank sitzt, den Kopf auf der Brust, ein verdummter, schwerfalliger Trunkenbold, den seine Frau, mit dem jiingsten Kinde auf dem Arm, yergebens aufzurilleln und zu bewegen sucht, ihr zu folgen. Neben dieser Gruppe endlich, im Vordergrunde auf einer anderen Bank ein Madchen, den in Bewussllosigkeit hin- gesunkenen Geliebten im Schoosse, die Linke auf scine Brust gelegt, scine Pelzmiitze in der herabsinkenden Rechten. Der Ausdruck ihres kummervollen Sinnens ist ergreifend. Das mit einem Schlag zerstérte Lebensgliick tritt vor ilr inneres Gesicht und in dem slicren Blick des trockenen Auges, in der vom ha- stigen Athemholen geschwellten Lippen liegt cine ganze Zukunft von Gram und Sorge. Wohlthuend und verséhnend aber spricht diese Erscheinung den Beschaucr an. Die ganze Episode ist von der vollendetsten poelischen Wirkung, und die Einfiihrung Rosen, welche millen in das Herz, mitten in den duftigen Kelch selroffen zu sein scheinen; denn es springt ein Born — Blut und Thranen — daraus aul. Die Gestalt ,, Karls des Grossen“ ist sitzend auf dem Throne dargestellt; in der einen Hand halt er den Reichsapfel, in der anderen das Schwert. Ernst und herrschend sitzt cr da; einem fallt dag drohende Wort Lear’s bei: ,,Wer riihrt sich!“ —- An seiner Scile kniet Eginhard, der Schreiber, mit der Feder in der Hand, auf welche er das sinnende Haupt stiitzt. Neben ihm liegen die Gesetze, welche der Kaiser schreiben, an der an- deren Scite sind durch Harfe und Schriftrollen die Sagen und Heldenlieder angedeulet, dic er sammeln liess. Die ,,Wissenschaft endlich ist als ein hohes Weib darge- stellt von gewaltigem Ernst. Sie sitzt auf einem Throne von Marmor, man sieht sie im Profil. Immerdauernder Epheu kranat ihr dunkles Haar. Ihr liefeindringendes, aufgeschlagenes Auge ist vorwarts gerichlct. Von ihrem Angesicht und dem edel ge- bauten Oberk6érper ist der Schleicr zurtickgeschlagen; doch ihr Schooss ist verhillt, Ueber ihm aber schwebt der ihm ent- sprossene Genius des Lichls, mit leuchtendem Angesicht und _ Jeuchtenden Fackeln in beiden Handen. Fligel tragen ihn em- por. Sie aber halt ein grosses Buch vor sich aufgeschlagen, das mit seinem unteren Rande auf ihren Knieen ruht. Es ist der pythagordische Satz darin verzeichnet. Pythagoras fassic die Grundbedingung der Dinge in Zahlen auf. Der Versuch, das Universum als Zahl aufzufassen, ist, wie Hegel sehr tref- fend bemerkt, der erste Schrilt zur Metaphysik. Weil also das Prinzip der pythagoraischen Philosophie gleichsam die Briicke bildel zwischen dem Sinnlichen und Uebersinnlichen, darum hat der Kistler, auf die speculative und die empirische Wissen- schaft zugleich anspiclend, hier auf den Pythagoras hingedeutet. Andere beigegebene Attribute sind eine Sphinx, ein Erdglobus, zu dessen Fiissen der Atlas sitzt. An dem Thron befinden sich als Relicf gedachte Darstellungen, welche Genien des Lichls zeigen, wie sie die Ungeheuer der Finsterniss bekimpfen. Dic ganze Composition ist mit ungemeinem Adel in den Linien und Formen ausgefiihrt. Sie wird ihren Platz dem Thiirsliick der Geschichle gegentiber einnehmen an der Stelle, die wir in dem eelegentlichen Aufriss in No. 31 bezeichnet haben. Fr. Eggers. Die Pariser Kunstausstellung von 1893. (Коте лат, ) Constant Troyon. — Ludw. Knaus. — Hamon. — Th. Rousseau. — Dau- bigny. — Fl. Willems. — van Moer. — A. Meuron. — Hausmann. — Ed. Dubufe. — Matel. — H. Rodakowsky. — Meissonier. — Armand Leleux. Adolph Leleux. Nicht nur durch R. Bonheur hat sich die Thiermalerei an die Spitze des diesjahrigen Salons gestellt, sondern auch Con- stant Troyon hat ein grosses Bild, cin Thal der Normandie, mit weidendem Vieh, eingesandt, welches, nach Mancher Ur- theile, den Preis davon trégt. Es ist dies allerdings ein mei- sterlich durchgefihrtes Werk von der gréssten Tiichtigkeit, wo- durch dieser wackere und unermiidet thalige Kistler seinen Ruf dauernd befestigt hat. Auf einem fellen Wiesengrund im Thale der Touque, welcher durch einen Graben in zwei Hialften getheilt wird, sieht man links eine zahlreiche Heerde weiden, wihrend rechts einige Pferde mit ihren Fillen sich mit helligen Spriingen im Genusse der Freiheit ergehen. Ganz vorne, wo ein hélzerner Steg tiber den Graben fihrt, stechen 2 Stick Vich zwischen Riedgras, sich zum Wasser neigend. Den Hintergrund rechts begranzt ein Higel; in der Ferne links zieht sich ein langer Streifen von massigen Anhdéhen hin. Ueber dem Hiigel