ben und bei dieser Gelegenheit die vielbesprochene Frage uber dic Grenzen des Idealismus und des Realismus in der Kunst ernstlich und weitliufig erértert. — Wir haben diesem Kiinstler schon friher grosse malerische Eigenschaften zugestanden, und so erkennnn wir gerne an, dass auch dieses Werk sehr erhebliche Vorztige, namentlich in Bezug auf Naturtreue im Einzelnen, auf Farbung, Helldunkel und breite Behandlung besitzt. — Ein klei- neres Bild, ,,die tiber der Arbeit eingeschlafene Spinnerin*, halbe Figur, hat dieselben Vorzige wie die ,, Badenden“, ohne gegen den Geschmack zu verstossen. — Ganz verfehlt dagegen, iibertrieben in der Formenangabe, unwahr und unschén in der Zeichnung, russig in der Farbung ist das andere grosse Bild, die im Hippodrome ,, Ringenden “. Zwei Bilder von Gallait dirfen wir nicht unerwahnt las- sen: ,,die letzten Augenblicke des Grafen Egmont“, vor meh- reren Jahren vollendet, und ,, Tasso“ im Gefdngniss. Wir ha- ben uns schon im vorigen Jahre tiber diesen Kistler ausge- sprochen. So wie wir in seinen Bildern Empfindung, Einfach- heit und Wahrheit, in der Anlage wie in der Ausfihrung ver- missten, so diesesmal namentlich auch in der Beleuchtung. G. sucht darin etwas erzwungene Contraste. Der dicke Pralat, Eg- mont’s Beichtiger, ist von dem Schimmer einer (unsichtbaren) Kerze-roth tibergossen, wahrend der Graf von dem Lichte des dammernden Morgens, das durch das Fenster einfallt, kalt an- gehaucht wird. Wohl kennen wir in berithmten Compositionen ahnliche, noch verwickeltere Gegensatze: dicse sind aber einer Gesammtwirkung harmonisch untergeordnet, wahrend sie hier ziemlich greli einander gegeniber stehen. Weit unnatiirlicher aber und ibertriebener ist die Beleuchtung des zweiten Bildes, ebenfalls in lebensgrossen Verhaltnissen. Der Dichter des be= freiten Jerusalem sitzt im Gefangnisse in ‘so tiefes Dunkel ein- gehillt, dass..das Auge kaum die Umrisse des abgemagerten Korpers, die Ziige des blassen Antliltzes unterscheidet. Auf seine Hinde aber und auf den Boden neben ihm fallt helles Sonnenlicht, und der Beschauer fragt erstaunt, wie neben so vollem Lichte eine Ahbnliche Finsterniss bestehen kénne! Auch hier kénnte man vielleicht wieder an Rembrandt denken; allein dieser Meister der kinstlichen Beleuchtung ist eben so unver- merki, so fein abgestuft in seinen Uebergangen, als G. ab- geschnitten ist. Wer wollte aber nicht, trotz ihrer Mingel, die Werke des belgischen Malers immerhin als werthvolle Erwer- bungen fiir eine Privalsammlung neuerer Bilder gelien lassen? L. Duveau’s ,,Tod der Agrippina“, nach Tacilus, in fast kolossalen Verhiltnissen, ist im Styl und in der Auffassung ein sonderhares -Gemisch von realistischer Derbheit, von romanti- schen Ausschweifungen und von Anklangen an die akademische Strenge, tbrigens sehr tiichlig, breit und doch gewissenhaft ausgefihrt. Hébert in seinem ,,Judaskuss“ ist, unserer Empfindung nach, weit entfernt von der so anspruchslos auftretenden und so tief und nachhaltig wirkenden ,,Malaria“ von 1850 geblie- ben; und wir fiirchten sehr, dass dieser zuviel gritbelnde Kiinst- ler den Weg zu der einfachen und ungeschminkten Natur auf immer verloren hat, — Der chirurgischen Composition von Matout, der ein ab- genommenes Bein zum Mittelpunkt cines Gemaldes von 20 Fuss Breite gemacht, thun wir nur im Voribergehen Erwahnung. Unter den Seestiicken geben wir dieses Jahr einem Bilde von A. Melbye aus Copenhagen den Vorzug, welches innige Vertrautheit mit dem Elemente verrath und bei der einfachsten Anlage, ohne alle Handlung, ohne Episoden, ohne Schiffe, uns dennoch Theilnahme abzugewinnen weiss. Ueber dem dunkel- blauen leichtbewegten Meer, das ganz besonders schon und durchsichtig gemalt ist, geht, von grauen, zerrissenen Wolken Drahtgeflecht eignen. Man kann statt dessen aut cinem. slar- ken Holzrahmen, der durch ein Gitterwerk verbunden ist, ein Geflecht von Stuhlrohr anfertigen lassen, doch so, dass die Rinde des Rohrs die Rickwand des Rahmens bildet; das Rohr miisste, wie das Drahtgeflecht, mit dem Holzgilterwerk mig- lichst oft verknipft werden, damit jede Vibration beseitigt ware. Auf den Holzfasern des Rohrs haftet der Stucco oder der Kalk~ _ putz und Cement trefflich, indem er zugleich in die gebildeten siebartigen Oeffnungen dringt. Solch ein Bildkérper wiérde dann, wenn er bemalt und getrocknet, ebenfalls auf der Riickseite durch obige Hilfsmitte]l geschiitzt werden. Auch ein eiserner Rahmen, auf den starkes Eisen- oder Messingblech straff gespannt wird, mit Nieten befesligt und rauh gefeilt, wiirde sich unmittelbar zur Aufnahme der Folie eignen. Auf der Riickseite wiirde der Asphaltfirniss, mehrere Male auf- gestrichen, allem Roslen des Eisens vorbeugen. Starke Hanfleinwand, auf Holztafeln straff gespannt, mit weissem Cement tibergossen und gut ausgetrocknet, eignet sich ebenfalls gut zu Staffeleigemilden; doch darf die Leinwand nicht von der Holzplatte abgespannt werden. Dies waren im Allgemeinen die Mitte! zur Herstellung von Wandflichen und Bildkérpern in den verschiedenartigsten Ma- terialien. Die meisten dieser Vorrichtungen tiberschreiten kaum die Kosten eines guten Maltuchs. Die kleineren, nicht zu schwe- ren Bildkérper lassen sich auch auf Staffeleien anfertigen, na- mentlich die auf Holzplalten. Biegsames Material darf nicht ver- wendet werden, weil nach Trocknung der Farbe sonst Spriinge entstehen kénnten. ° Wir schliessen diesen Abschnitt. mit einer Bemerkung tber das Einsetzen solcher Bildkérper in die Mauern. Es wiirde namlich irgend eine Vermittelung von dem Bilde zur Wand durch Vergoldung oder Einrahmung staitlinden miissen. Ich schlage hierzu eine Einfassung von Zinkguss vor, welche, um das Bild gelegt, mit demselben in die Wand gelassen wird. Diese Hinfassung wird die Fuge in Form eines Rahmens ver- schliessen und vergoldet den Anforderungen der héchsten Pracht entsprechen kKonnen. (Fortsetzung folgt.) Die Pariser Kunstausstellung von 1853. (Schluss.) Courbet. — баЦан, — 1. Duveau. — Hébert. — Matout. — A. Melbye. — Andr. Achenbach. —- Gérome, — Chassériau.. — J. F. Millet. — Fr. Bon- hommé, — Cl. Jacquand. — Alfr. Dehodencq. — P. Rochussen. — A. Gen- dron. — Jalabert. — Louis Cabat. — Haffner. — Schiitzenberger. — Doré. — Brion. — Mlle. Elise Wagner. — J. Maisiat. — Paul Chenavard. — Al. Bida. — Duston. — Belle]. — Maréchal. — Ch. Raph. Maréchal. — Mme. Sturel. — Guillaume. — Maillet. — Barre. — Cavelier. — Loison. — Tra- vaux. — Allasseur. — Diebolt. — Pollet. — Paul Gayrard. — Henriquel- Dupont. Courbet hat auch dieses Jahr wieder einen Sturm erregt. Allgemeiner Unwille brach los beim Anblick seiner ,,Badenden“, zweier Bauerndirnen, die sich an einer einsamen Stelle des Waldes, neben einem kiimmerlich fliessenden Wasserchen zum Bade vorbereiten. Die eine hat sich gesetzt, um sich zu ent- kleiden und macht beim Anblick ihrer Gefahrtin, welche soeben ihre derben Reize enthiilt, eine Bewegung des Staunens. Diese letzlere wendet den Ricken aus- dem Bilde, nur einen [hell des Unterkorpers bedeckend; dieser Ritcken aber ist so mon- strés und in seiner Unform so sehr einer abgesteppten Matratze sich nahernd, dass man nicht eben ein fanatischer Anhanger des Antiken zu sein braucht, nm sich unwillig abzuwenden. C. hat mit diesem Bilde, allem Schicklichkeitsgefihle hohnspre- chend, abermals unverkennbar der 6ffenilichen Meinung den Handschuh hinwerfen wollen. Auch hat die Kritik ihn aufgeho-