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	Medola aufgefihrt, wodurch Zanetti’s Angabe besiatigt und die
vielbestrittene Identitat vollkommen nachgewiesen ist ).

Zani’s versprochener Gegenbeweis ist nie geliefert worden.
Im 13ten Bande des 1. Theils seiner Enciclopedia wire, bei
Veranlassung des Artikels Meldolla, der geeignete Ort gewésen,
damit hervorzutreten, allein der Autor entschuldigt sich damit,
es sei noch nicht an der Zeit”). Nun ist aber schwer zu glau-
ben, dass Z. bei dfterer Anwesenheit in Venedig nicht zur
Kenntniss des Sachverhiltnisses gelangt sein sollte und daher
sein Schweigen kaum anders zu erkliren, als dass, nachdem
er einmal zu weit gegangen, er sich nicht hat entschliessen
kénnen, seinen Irrthum einzugestehen und daher die Sache ein-
fach auf sich beruhen lassen. Unter seinen auf der Bibliothek
zu Parma bewahrten, hinterlassenen Schriften ist die Abhand-
lung tiber Meldolla nicht befindlich.

Dass Z. sich getéuscht und seine Theorie so leicht Eingang
gefunden, beruht wohl auf der Verschiedenheit der technischen
Ausfiihrung, welche Meldolla’s Blatter als die Arbeit zweier
Kinstler erscheinen lasst, wenn auch im Styl Uebereinstimmung
herrscht. Sie lassen sich hiernach in zwei Classen eintheilen,
nimlich in Geatzte, mit dem Namen Schiavone’s, und Geritzte *),
welche den Namen Meldolla und das von Z. entdeckte Mono-
gramm fihren *).

Diese letzteren geistvolien Productionen, welche bei gros-
ser Flichligkeit den Stempel seltener Genialitit tragen, darf
man, um den gehérigen Standpunkt einzunehmen, nicht anders
hetrachten, denn als Ergiisse augenblicklicher Inspiration, als
rasch improvisirte, in malerischen Effect gesetzte Gedanken,
ohne Ansprtiche, lediglich zu des Kinstlers eigenster Befrie-
digung, con amore zu Tage geférdert; er bediente sich vor-
zugsweise hierzu der kalten Nadel, welche er vollkommen in
seiner Gewalt hatte, weil sie ihm eine besondere Leichtigkeit
darbot, unabhaéngig vom unsicheren Erfolge des Aelzwassers
seine Composilionen zu fixiren und zu verdndern. Hier war
es nicht auf eine grosse Zah! Abdriicke abgesehen, welche die
Manier nicht gestattet, und es geniiglen zu diesen geistreichen
	  Splelen der Nadel geringe brtichige Platten, wie es eben die
	beschrinkten Mittel gestatleten, off so schwach, dass sie fiir
	1) Der Eingang lautet wértlich wie folgt:

+ 1563 Die 22 May.

Claus D. Melchior Michael digniss. petr. revisor et capserius pte. Ec-
clesie S. Marei, decrevit venire sup. pontes omnium gq. laborant de arte Mu-
saict in ecel. ut videantur accio sint laboreria recte, debite, et diligenter
facta, et sumpti fuerunt infrascripti pictores tang. peritiores ceteris qui
possunt habere intelligentiam huiuscemodi artis cum non possent haberi in
hac civitate aly magistri dicte artis Musaici quibus delat. juramentum p.
ptum Clmum Praef. de adhibenda diligentia et deponere habent illis visis
Proc. fideliter et sincere, si in eis erat aliqui defectus et fuerunt

D. Titianus Vecellius ¢. D. Gregory.

D. Jacobus Pistoia, q. Francisci.
D. Andreas Selabonus dictus Medola q. S. Simeonis.

D, Jacobus Tintoretus, q. Baptistae.
D. Paulus de Verona q. 8. Gabrielis, omnes pictores.
Cum qbs. ptus Clmus Proc, cum ptis ef D. Vine. quartari Gastal-
dione et D. Alfonso spino notario Procuratiae ac D. Jacobo Sansovino, protho
	venit in Liccl. praesenta ete. etc.
Protocoll Mosaies de chiesa. Busta 78. Fase. 2 del Processo, No, 182
	Hot. 54.
2) Е qui mi tocea provare la solita pena da me dimostrata in altri
	luoght di questo Indice, cioé di non poter ora esporre la dissertazione re-
latioa a questo valentissimo Maestro etc. p. 467.
3) Namlich mit kalter Nadel ausgefahrte Blatter.

4) Andrea Meldolla nennt er sich auf dreien derselben. Sein gewdhn-
liches, off sehr versteckt angebrachtes, Zeichen ist MN zuweilen in SFP
	verandert, vermuthlich A. Meldolia Pictor; man hat es Mazzuoli Parmegiano
ausgelegt. Non dovrei dirlo, ma il cielo volle chio fossi il primo a rilevare
	ana tal marea etc. Zani a.a. V.
	fiigend, die biindigsten Beweise fir seine Behauptung, welche
bereits zum Druck vorbereitet seien, seiner Zeit nachzuliefern  ).

Diese positiven Erklarungen aus dem Munde des gelehrten
und eifrigen Forschers, mit so lebendiger Ueberzeugung abge-
geben, verfehlten ihren Eindruck nicht und wurden ohne Zweifel
und Widerrede aufgenommen; denn der Skepticismus war da~
mals noch nicht so tief in die Kunstgeschichte eingedrungen,
wie heutzutage. Die Sache erschien so plausibel, dass selbst
Bartsch, ohne Zani’s Beweise abzuwarten, Andrea Schiavone
und Andrea Meldolla als verschiedene Kunstler in den 16ten
Band seines Peintre graveur aufnahm, von wo an diese Frage
als erledigt betrachtet wurde. *).

Bei dlteren Schriftstellern, als: Vasari, Ridolfi, Boschini u.
A. erscheint allerdings A. Schiavone niemals mit dem Beinamen
Meldolla, noch, soweit ich finden kann, tberhaupt irgendwo in
friiherer Zeit ein Kiinstler des letzteren Namens allein. Erst
Zanetti in seiner Pitfura Veneziana erwahnt in einer Note
des Andrea Schiavone deffo Medola, unter Berufung .auf eine
gewisse, nicht néher bezeichnete Urkunde, tiber welche er sich
zu seiner Zeit aussprechen werde, wie er noch im selbigen
Werk gethan, ndmlich im Schlussartikel tiber die Mosaiken der
St. Marcuskirche, wo man diesen Gegenstand freilich nicht sucht,
und auf welchen auch der Index nicht hinweiset, daher er leicht
iibersehen wird ?).

Das Schweigen der dlteren Autoren zu seinen Gunsten er-
klarend und Gewicht auf den Umstand legend, dass Ridolfi in
seinem sehr ausfihrlichen Leben Schiavone’s durchaus keiner
radirten Blatter erwahnt‘*), gedenkt Zani allerdings obiger Note
Zanetti’s, aber nur beilaufig, ohne auf dieselbe einzugehen; man
muss daher annehmen, er habe den nachtraglichen Artikel ganz
tibersehen, weil er sonst unmoglich die betreffende Urkunde
hatte ignoriren kénnen, welche Zanetti jener Mosaiken wegen
sehr ausfiihrlich durchgeht. Dieselbe ist auch nicht etwa seit
dessen Zeit verschwunden, wonach Zani mit Fug und Recht
jene Angabe hatte unberiicksichligt lassen diirfen, sondern sie
existirt noch heute an ihrer urspriinglichen Stelle im Archiv
der Procuratie nuove di San Marco, woselbst Zanetti Kenntniss

davon genommen haben wird.
Dieses interessante Aktenstiick enthalt das Gutachlen einer

Commission von Kunstverstindigen tiber gewisse, von den Ge-
briidern Zuccati in der Vorhalle der St. Marcuskirche nicht
contractmissig gelieferte Mosaikgemalde, zu Protocoll genom-
men am 22, Mai 1563 vor Don Melchior Michael, dem Procu-
rator der Republik. Die Commission bestand aus fiinf Mitglie-
dern, simmtlich Malern, namlich Tizian, Jacob von Pistoja, A.
Schiavone, Tinloretto und Paul Veronese, mit Zuziehung des
Jacob Sansovino, als Baumeisters der Kirche. Es erscheint in
diesem Protocoll And. Schiavone zweimal mit dem Beinamen
	1) Material p. 207 u. im Auszuge bei Bartsch Peintre gra l
Avtikel Meldollo. . graveur Vol. XVI
	2) Bryan nimmt ebenfalls zwei Kunstler an, aber beide den Namen
Schiavone genannt Meldolla fihrend, beide Venezianer und Zeitgenossen,
beide geatzte Blatter im Styl des Parmegiano liefernd und nur darin unter-
schieden, dass der Eine Maler, der Andre Zeichner, Dictionary of Painters.
	II Vol. London 1816. 4°.
	3) Wenn der jiingere Mariette im Cataloge der Crozat’schen Handzeich-
nungen Andrea Meldolla genannt Schiavone anfahrt, so deutet dieses auf
eine altere miindliche Tradition, denn es ist nicht wahrscheinlich, dass er
jene Urkunde gekannt habe, indem zu seiner Zeit jenes Archiv Fremden
	schwerlich zuganglich war. Description sommaire des dessins et du cabinet
de feu Mr. Crosat. Paris 1741. 8°.
	4) Ridolfi erwahnt jedoch ebensowenig der Kupferstiche Dom. Cam-
pagnola’s, Ben. Montagna’s, B. del Moro’s, des jingeren Palma п. а. т.