Kucvltblatt,
	Organ
der deutSchen Kunstvereine,.
	4eitung
fir bildende Kunst und Baukunst.
	Unter Mitwirkung yon
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase
in Berlin — FGrster in Minchen — Eitelberger v. Edelberg in Wien
		herausgegeben von Dy. F.. Eggers in Berlin.
	Sonnabend, den 17. September.
	Inhalt: Diisseldorf und Minchen. Ht. — Die Wandmalerei in einer neuen Technik erfunden von Alb ert Eichhorn. (Fortsetzung.) Die Folie. —
	ре. Н. \е153. —
Anzeige.
	.Die Kunstausstellung in Ziirichh —
	Kunstliteratur. Der Pisterich in Sondershausen, kein Gétzenbild. Von Martin Friedrich Rabe.
nhurs. Rom. —- Kunstvereine. An die Vorstande der Kunstvereine in Deutschland. — An
	Zeitung. Berlin. Kéln. Nurnberg. Koburg. Rom. — Kunstivereine.
	Disseldaorf und Munchen.
	Wer in Disseldorf hdufig die Ausstellungen besucht und
die Urtheile der dortigen Kinstler und Kunstfreunde hért, dem
wird es auffallen, wie jene hauptsachlich auf die Farbe ge-
richtet sind. ,,Das Bild ist gut oder schlecht in der Farbe“
ist, was man fast ausschliesslich dort vernimmt, und wenn ein
asthetischer Neuling einmal eine Malerei zum Decorativen
verdammt, so glaubt er damit alles Uebrige gethan zu haben.
—- Der Miinchener urtheilt entweder gar nicht, oder halt sich
in allgemeinen Ausdricken. Seine Anerkennung fallt aber
	meistens bejahend aus, wahrend der Rheinische Kunstler streng  
	kritisirt und gern verneint. — Wir glauben in diesen einlachen
Thatsachen den Hauptunterschied beider Kunstschulen angedeutet
zu finden. In Diisseldorf ist es vorztiglich die Farbe, die
Malerei im -engeren Sinne, was man cultivirt. Grossartige
Werke der Kunst oder des Lebens regen dort den schaffenden
Kiinstler nicht an; ebensowenig bewegt in jenen Gegenden eine
heitere Stimmung oder eine freie Lebensanschauung das Be-
wusstsein von innen heraus. So wenig die Natur am Nieder-
rhein auch bietet, so ist auf sie und ihre Beobachtung der
Kiinstler doch fast ausschliesslich angewiesen. Aber es sind
nicht Formen aus irgend einem Reiche der Natur, die er
studiren kénnte; es ist mehr der Himmel als die Erde, und
das Wechsélverhaltniss zwischen beiden, worauf er die Auf-
merksamkeit zu richten hat. Die wenigen Gegenstinde, die
sich dort bieten, werden nur interessant durch das Licht, in
dem sie erscheinen. Zwar beschrankt sich namentlich der Dis-
seldorfer Landschafter ja keineswegs auf seine Gegend; viel-
mehr sind, zumal in den letzten Jahren, wo sich die Eigenthiim—
lichkeit der Disseldorfer Kunst bestimmter herausgebildet hat,
Schweden und Norwegen die Punkte geworden, wohin er mit
besonderer Vorliebe seine Ausfliichte richtet. Und trifft er hier
auch auf grosse, imposante Naturgebilde, so erhalten diese
doch wiederum ein besonderes Interesse durch die mannigfal-
tige Licht- und Luftwirkung, die in kiinstlerischer Beziehung,
im Norden mehr als im Siiden, sich bemerkbar macht. We-
	nigstens ist es diese Seite der Naturbeobachtung, die der Dus-
ЗУ. Jahreang.
	seldorfer Kiinstler vorzugsweise cullivirt, und es ist staunens~
werth, zu welchen Erfolgen man es darin gebracht hat. Wah-
rend auf Bildern aus anderen Schulen die Luft nicht selten
ganz fehlt, findet man auf Gemilden vom Niederrhein die ge-
heimsten Bedingungen derselben gewirdigt und die feinsten
Wirkungen wiedergegeben. —- Aber der Diisseldorfer hat auch
langst seinen Vortheil erkannt und verfahrt mit Absicht und
bisweilen wohl auch mit Einseitigkeit. Ganz anders gestalten
sich die Verhaltnisse in Minchen. Der Bayrische Kinstler zieht
in die Alpen oder nach Italien. Da findet er mehr Veranlas~
sung zu zeichnen als zu malen. — Doch die Landschafts-
malerei ist in Mtnchen nicht maassgebend. Den Historiker
regen aber weniger die Beobachtung der Natur und des Le~
bens an, als die Schépfungen alter und neuerer Kunst, beson-
ders der lelzteren. Man sieht es den Minchener Bildern, selbst
den Oelgemalden an, dass ihre Verferliger die dortigen Fresko-
malereien vorzugsweise studirt haben. Die Oelfarben, ob-
gleich von wesentlich verschiedener Natur, sind doch behandelt,
wie die Freskofarben, Die Minchener — wir sprechen natir-
lich nur vom grossen Ganzen und gestatten die bedeutendsten
Ausnahmen — verslehen, im Verhaltnisse zu den Diisseldorfern,
nicht zu malen; sic coloriren nur ihre Zeichnungen, und auf
ihrer Palette findet sich mehr oder weniger stets Etwas vom
Regenbogen. — Aber in der Zeichnuug ibertreffen, wie wir
behaupten diirfen, die Minchener ihre Rheinischen Mitkampfer,
und mehr noch in der idealen Auffassung der Kunst. Wir ha-
ben schon friiher in diesen Blattern darauf hingewiesen, welche
Schwere und Prosa des Lebens am Rheine auf dem kiinstleri-
schen Bewusstsein laslet. Dazu kommt, dass man in Diissel-
dorf, wie wir vorher hervorhoben, mil Absicht, und mehr mit
dem Verstande, als mit der Phantasie arbeitet. Im Sitiden ist
das Leben leichter, die Lebensanschauung, wenn auch minder
tief, doch freudiger und die kinstlerische Begeisterung reiner
und mit mehr Schnellkraft begabt. Letatere wird noch mehr
gehoben durch die hohen Meisterwerke der Kunst, welche der
Kiinstler in Miinchen stets vor Augen hat. Die Minchener
Kunst strebt hinauf, wahrend die Rheinische sich behaglich auf
dem Flecke fihlt, wohin sie eben verseizt worden ist. Die
	Gedanken, die jene ausfihrt, sind grossartiger, ihre Fermen
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