deulung noch die besondere Beziehung zu den Freiheitskriegen
zum Ausdruck kommen, an welche auf den oben genannten
Platzen so Vieles und an welche sich das Volk so gern erin-
nert. So deutet der Unterricht in den Waffen auf die Ucbun-
gen des Landsturms, die Schwertverleihung auf die Weihe der
Freiwilligen, und auf ihren denkwiardigen Auszug der eben an-
gefiihrte Gang des Kriegers in den Kampf. — Es scheint, als
	op der Kunstler sich mit Fleiss vor einer Zusammenstellung
	gehtitet habe, welche zu stark an unser modernes Ausmarschi-
ren erinnert hatte; deshalb hat er den Moment der Darstellung
dicht vor dem Kampf gewahlt und dadurch Gelegenheit zu einer
grosseren Bewegung bekommen. In Bezug auf die Idee des
ganzen Gruppen~Complexes bringt das eine giinstige Wirkung
hervor, da es den ganzen Verlauf mehr beschleunigt als ver-
zégert. So sieht man das Schwert, das in der vorigen Gruppe
erst in die Hand des Kampfers gelegt wurde, hier schon halb
aus der Scheide gezogen. Und gleich ihm driickt auch die
Korperstellung und Bewegung des jungen Helden Antauf, Un-
ternehmung, Kampfferligkeit aus; es ist ein Aufwallen der Mus-
keln, die der Thatigkeit entgegenschwellen. Der Kérper ist
mit grosser Tiichligkeit aufgebaut und durchgefihrt; nur hat
Гат unser Gefiihl das gestreckte, rechte Bein etwas zu grade
Linien. — Was die Pallas Athene dagegen anbetrifft, so hat sie
in ihrer Erscheinung etwas Unvermilteltes zum Krieger, obgleich
sie sich geradeswegs zu ihm wendet. Indem wir uns Rechen-
schaft von diesem Eindruck zu geben bemtht sind, méchten wir
fragen, ob dieselbe nicht in der ungewohnten Rolle licgt, die
der Kiinstler ihr zuertheilt hat. Wir sind von der griechischen
Skulptur her gewohnt, die Athene, sofern es sich um ihre
kriegerischen Eigenschaften handelt, nicht anders, denn als Mit-
oder Vorkampferin zu sehen. Sie schreitet zum Kampf als
Promachos, hilft kampfen als Alalkomene und erscheint bei die-
sen Beschifligungen immer gertistet. Hier sleht sie aber sieg-
verheissend und auffordernd, tiberredend gleichsam; jenes, in-
dem sie dem Krieger einen Siegeskranz als Lohn der Tapfer-
keit zcigt, dieses, indem sie den linken Arm winkend und auf-
munternd erhebt. Es hat dieses schon in der Idee etwas zu
Mildes, fast méchten wir sagen, zu* Herablassendes fiir den
ernsten und strengen Charakler der Alhene, und die Ausfiih-
rung vermehrt eher diesen Ausdruck, als dass er ihn vermin-
derte. Dadurch erhalt sie und ihr Thun nun zugleich eine ge-
nauere, fast menschlich-persénliche Beziehung zu dem Schiitz-
ling, die er seinerseils nicht zu theilen scheint. Die Idee, die
wir oben bei der Schievelbein’schen Gruppe schon berihrten,
dass man die Pallas sich auch als die Verkérperung der gélt-
lichen Eigenschaflen des Menschen denken kénne, ist hier nicht
anwendbar; Alles wegen der der Gillin beigelegten Handlung,
welche eine Gegentiberstellung im Geiste ist und daher auch
dusserlich gewiss zu derjenigen Stellung beigetragen hal, dic
wir eine unvermittelte genannt haben. Im Uebrigen zeigt das
Werk, so weit es vollendet ist — und es ist der Vollendung
ziemlich nahe — eine liebevolle, tiichtige Arbeitskraft, die es
gewissenhaft mit ihrer Aufgabe nimmt.

Gustav Blaser hatle nun die Aufgabe, Zicl und Spilze
von all’ den bisher beschriebenen Vorbereitungen, den Kampf
selber, darzuslellen. Hier erscheint also Athene als Milkim-
pferin. Wir theilen unsern Lesern von dieser schénen Gruppe
einc Abbildung, die L. Pietsch ausgeftihrt hat, nebenliegend
mit. Es springt uns da die elastische Gestalt eines jungen
Kricgers entgegen, welcher mit vorgebeugtem Oberkérper und
mit gestrecktem, fortschnellendem Bein, ganz Anspannung und
Bewegung, ganz momentergreifende Aufmerksamkeit, das Schwert
gegen den gegeniiber gedachlen Feind ziickt. Ueber ihn em-
por ragt die Pallas mit Schild und Speer, womit sie eben zum
	Wurfe ausholt. Die Idee der Gruppe ist trefflich zum Ausdruck
gekommen. Die Gdllin ist hier wieder die Verkérperung der
Tapferkeit und Streitbarkeit und doch ist, bei aller Ueberein-
stinmung der schénen Griechischen Gesichtsformen Beider mit
einander, der Contrast zwischen dem gélilichen und menschli-
chen Ausdruck in den Ziigen gliichlich ausgepragt. Auf dem
stolz und schwungvoll zuriickgebogencen Hals der Minerva ruht
majestilisch der helmgezierte Kopf; durch die leidenschaftslo—
sen Ziige schimmert nur ein ruhiges, siegesgewisses Laicheln;
dagegen verfehlt das schéne Anllila des Jiinglings weder die
menschliche Leidenschaftlichkeit, noch auch das Gefihl der
Wankelmithigkeit des Kriegsgliicks. Aber nicht bloss den Ké-
pfen ist dieser so schén erfassle und fein durchgefiihrie Unter-
schied der Gélter- und Menschenfigur cingeformt worden, er
zeigt sich auch in den Kérpern und deren Haltung. Stolz, hoch
und -ruhig schreitet die Géttin, geschmeidig vorgebogen springt
der erdgeborne Schiitzling, und indem er den Eindruck macht,
als schnelle er sich, formlich wie cin abgeschossener Pfeil, mit
elastischem Schwunge hinter der schiitzenden Gétin hervor,
dient diese Anordnung zugleich, um der Idee der ganzen Gruppe
Nachdruck zu geben. Der Kiinstler hat die schwierige Korper-
lage, die sich besonders fir*das ausgestreckte, rechte Bein bei
der Drehung, in der er vorspringt, ergiebt, nicht geschcut,
vielmehr die Aufgabe so meisterhaft gelés’t, dass seine Absicht
den klarsten Ausdruck bekommen hat. (Schluss felgt.)
	Mittheilungen aus Kom.

Von Ernst aus’m Weerth.
		Kein Forscher wird mehr durch Porte Portese zu dem
Lustschloss Magliana seine Wanderungen richten, um die von
Rafael in seinen letzten Jahren dafiir componirten Fresken zu
beschauen; denn selbst die Werke Rafaels haben es nicht ver-
schmahen dirfen, in’s Pfandhaus zu wandern. — Olinchin schon
beschadigt, haben sie auch dadurch verloren, wie ein jedes
Kunstwerk verliert, wenn es von dem Orte entfernt wird, fir
den es gedacht war. Alle Museen sind, ungeachtet ihrer Noth-
wendigkeit und ihres Segens fir unsere Zeiten, darin vom
Uebel, weil ihr Princip alle Kunstwerke von ihren urspringli-
chen Umgebungen zu trennen gendthigt ist. Welchen Eindruck
wiirden die flandrischen grossen Werke am Orte ihrer Be-
slimmung in den Kirchen von Gent nnd Briigge machen!

Der Gemaldeschmuck der Kapelle des Lustschlosses Ma-
gliana, jelzt im Besitz der Ménche von §S. Cacilie in Trastevere,
bestand in vier Liinetten ), aus der Heimsuchung und Ver-
kiindigung, einer Glorie Golt Vaters und dem Marterthum der
heiligen Felicitas. Die beiden ersten dieser Bilder, die Heim-
suchung und Verktindigung, schreibt man mit grosser Wahr-
scheinlichkeit dem Giovanni lo Spagna zu; zwischen den
beiden Figuren der letzteren lag cin Fenster. Golt Vater in
der Glorie der Engel, das besterhaltene dieser Bilder, wird in
der Composition wohl dem Rafael sicher angehéren, wenn
auch die Ausfiihrung von irgend einem Schiiler herrdhren mag.
Unbezweifelt als ein Werk Rafaels ist dagegen das Marterthun
der heiligen Felicitas betrachtet worden. Der Hauptvorgang
dieser figurenreichen Composition ist erst vor nicht vielen Jah-
ren zerstért worden, Es wurde ein Fenster durch die Mauer
dieser Liinette gebrochen, oder nach anderer Aussage ein Altar
in diesclbe eingelassen. Wir wiirden somit um die Kenntniss
	1) Passavant I. 290 und Il. 349. Vasari thut dieser Werke keme Er-
wahnung.