Einst war mir eine Stimme, die das Leidgesehick Aussprach des Memnon, und Kambyses nahm sie mir. Mit bebendem Hauche jetzo, mit unsicherm Klang Erklingt mein Wehruf, nichts von allem Andern blieb. In einer andern Inschrift wird die Mutter des Achilleus, Thetis, angeredet und ihrer Betrachtung vorgefiihrt, dass dem, der von der Hand des Achilleus gefallen, doch noch ein gliick- licheres Loos zu Theil geworden, als dem Sieger. Sie lautel: Thetis, Herrin des Meers: noch lebt, noch klinget die Stimme Memnons, wenn ihn der Strahl rihrt, den die Mutter entfacht, Hier im agyptischen Land, wo Thebe’s prachtige Thore Unter den libyschen Hohn schaun in die Fluten des Nils, Aber Achilleus Stimme, des blutigen, nimmer erschallt sie Auf thessalischer Flur, nimmer im troischen Land. Der glanzendste Besuch, den das Memnonsbild empting, war der des Kaisers Hadrian, als dieser seine grosse Wander-. schaft durch die Lande des Romerreiches machte. Eine eifrige Dichterin, Julia Balbilla, die sich ihres Ursprunges aus dem Kénigsgeschlechte des Antiochus rihmt, hat die Ereignisse die- ses Besuches in mehreren ausfiihrlichen Inschriften auf die Nachwelt gebracht. Als Hadrian zu dem Bilde kam, schon vor Sonnenaufgang, begriisste ihn der alte Heros, so gut er es in so vorzeitiger Stunde vermochle; dann, nachdem Titan mit sei- nen weissen Rossen emporgestiegen war, zum zweiten Mal mit hellem Klange, wie wenn ein kupfernes Instrument angeschlagen wird; und wieder, weil ihm die Gegenwart des Beherrschers der Welt sonderliche Freude gewahrte, zum drilten Mal, und jedes Mal gab Hadrian dem Memnon seinen Gruss zurtick. Ап einem andern Tage wollte auch die Kaiserin, Sabina, die gélt- liche Stimme héren; diesmal aber blieb sie stumm, Am nach- sten Morgen ging man wieder zu dem Bilde, und das Gefolge der Kaiserin bat den Heros, gnadig zu sein und sich vernehmen zu lassen, denn das Antlitz der gottlichen Herrscherin war von Zorn entflammt, und man fiirchtete, dass der Kaiser selbst ob solcher Saumniss gereizt werden und eine lange Traurigkeit die verehrungswirdige Gattin befallen méchie. Aber auch Memnon fiirchtete den Zorn des unsterblichen Firsten, und pl6tzlich er- scholl seine Stimme mit sissem Klange, zum Zeugniss, dass er sich in der Gesellschaft solcher Gétter wohlgefalle. Kinige sagen, nicht Kambyses habe das Bild zerbrochen, vielmehr sei die Beschidigung durch ein Erdbeben herbeige- fihrt worden, welches bald nachdem die Romer sich Aegyptens bemachligt, das Land heimsuchte. Andre sagen, dies sei zur Stunde der Geburt unseres Heilandes geschehen, bei dessen Erscheinen auf der Erde, nach den Berichten frommer Kirchen- viter, die Bilder der falschen Gétter in Trimmer sanken. Als nachmals das Heidenthum schwach ward und iberall umher- suchte nach géttlichem Schirm und Hilfe, da ward dem Bilde seine frithere Gestalt wiedergegeben, so wie es jetzt noch vor dem Auge des Wanderers steht. Sie glaubten, nun werde Mem- non wieder vernehmlich sprechen, wie in den alten Zeiten, und dem Volke von den Geheimnissen der alten Gétter die rechte Kunde wiederbringen. Aber die Stimme schwand ganzlich, und keine Inschrift feiert seit jener Frist ihr Tonen. Zu den Fiissen des Bildes, das dem Wandel der Jahrtau- sende zugeschaut, sitzt der einsame Wandrer. Die Nacht ist lau, und wundersam glinzen die Sterne zu seinen Haupten. Beim Halblichte der Nacht wachsen die Kolosse in’s Ungeheure empor. Hiassliche Eidechsen, braun und breiltleibig, und Kréten in Unzahl*kommen aus allen Ritzen des Bodens, aus allen Fu- gen des Kolosses. Heerden von Schakals trotten mit winseln- dem Geheule herbei; ein Pistolenschuss scheucht sie in die Ferne. Der Morgenwind rauscht um die Memnonssaule, sic ergluht im Strahl der Frihsonne, aber sie hat keine Stimme mehr. (Fortsetzung folgt.) Bericht aus Dresden. Die Ausstelinne. Mit Sonntag den 18. Sept. ist die hiesige diesjahrige Kunst- ausstellung geschlossen worden, deren materielles Ergebniss ein selten dirftiges genannt werden muss. Der Umstand, dass die Ausstellung mit ausserordentlich wenig Bildern und anderen Gegenstanden eréffnet wurde, verschafften ihr den Ruf einer sehr unbedeutenden und der Besuch derselben ist seit vielen Jahren, vielleicht noch nie, so schwach gewesen. Freilich tragt dazu bei, dass nach keiner Seite hin sehr hervorragende Bilder da waren und keins, welches den grossen Zug des Publikums hatte bewirken kénnen. Sonst kénnen die Leistungen im Allgemei- nen nicht so sehr unter die friiheren Jahrginge gestellt wer- den und es waren wenigstens unter den kleineren Landschafts- und Genrebildern, wie bei den Portraits wirklich ansprechende und gute Sachen zu finden; die Historienmalerei war erstau- nend schwach und in dem Wenigen durchaus nicht bedeutend vertreten. —- Von den dlteren und bewahrteren Meistern, wie Schnorr, Bendemanmn, Rietschel, Richter und noch Anderen war gar nichts ausgestelit, Htibner hatte nur eine Wiedcrholung von ,,Reiters Abschied“ gebracht und Prof. Peschel nur ein sehr kleines, aber hibsches Bildchen: ,,Paulus auf seiner Fahrt nach Macedonien“. Selbst Prof. Kummer hatte nur kleine unbedeutende Bilder da und die von Oehme gehérten nicht zu seinen besseren. Auch von Bary war nur ein sehr miss- lungenes Altarbild: ,die Heilung des Lahmen durch Christus “ ausgestellt, welches er auf die Bestellung des Kunstvereins ausgefiihrt hatte. — Mltisste hier dem Rufe nach auch Vo- gel’s von Vogelstein gedacht werden, so wiirde eben Ricksicht auf diesen Ruf die Erwihnung verbieten, denn so durch und durch mangelhafte und schwache Leistungen, wie seine ,Dresdener Conferenz* und ,Lasset die Kinder zu mir kommen“, sollten — wenn sie eben gethan sind — wenigstens nicht vor das Publikum kommen. Unter den Genresachen er- wahnen wir ein héchst lebendiges Bild von Waldmiller, ,die Aufnahme eines Lehrburschen* vorstellend. Der Ausdruck der Képfe ist ausserordentlich lebendig und natirlich, die Durch- fahrung, wenn auch nicht farbig, doch in der Haltung frisch und entschieden; der Gegenstand selbst dirfte kaum dem Be- schauer dauerndes Interesse gewdhren. — Ein hiibsches Bild- chen hatle Scholz geliefert: ,ein landliches Parchen durch’s Korn schreitend, unter dem Schutze des aufgespannten rothen Regenschirms seiner Zartlichkeit nachgebend*, hibsch gedacht und farbig gemalt, wenn auch die Durchfihrung noch besser sein konnle; desgleichen waren von Seydel und Wendler ansprechende Genrebildchen zu sehen. Aus der Richter’schen Schule, welche in der Landschaft der Staffage mehr Bedeutung einraumt, waren von Schneider und Kleinig einige nelle anspruchslose Bildchen geliefert. — In der Landschaft selbst war ein Bild von Lessing, welches nur kurze Zeit da war, und eines von Schleich besonders hervortretend, wiilrend die Bilder von Oehme, Papperitz, Kummer und ecinigen An- deren sich nicht zu der Hohe der gewéhnlichen Leistungen dieser Kiinstler erhoben. — Unter den Portrails war nament- lich eins von Gliemann — einem talentvollen Schiller Hib- ner’s — welches cine Wittwe in Trauer (ganze Figur) darstellt, durch einfache und charakteristische Auffassung, Anordnung und schéne Durchfiihrung auffallend; auch ein zweiles von Demselben: , Ein Violinspieler* (Kniesttick) hatte die crwahnten