sich, wie schon gesagt, die Lehre vom Clairobscur oder von » Schatten und Licht, Hellen und Dunkeln“. Auch diese, ob- gleich ebenfalls in méglichst knapper Form gegeben, ist mit feiner Beobachtungsgabe fiir das jugendliche, leicht empfing- liche Gemiith sorgfaltig behandelt. Durch sie erhilt der fleis- sige Leser eine, wenn auch nur allgemeine, Kenntniss von den physikalischen, optischen Grundsatzen und somit eine deutliche Vorstellung von dem eigentlich malerischen Wesen der ver- schiedenen Lichterscheinungen (des Reflexes, des Schlagschat~ tens,) so wie auch ein klares Bild von den Ursachen perspecti- visch erscheinender Spiegelbilder. Alle diese Erfahrungssitze, von denen der Verf. stets auf einsichtsvolle Weise die Grund- ursachen entwickelt, leiten ihn sodann auf die Eigenthiimlich- keiten der Luflperspective und auf den Glanz und die Trans- parenz einzelner Kérper. Zum mehreren Verstandniss des Vor- gelragenen, vornehmlich in Bezug auf die mannigfache Licht- wirkung, fihrt er das in Abbildung beigegebene Beispiel einer Weintraube vor, um an diesem, da es fast alle die vorerwahn- ten Eigenschaften in sich vereinigt, die Elemente des Schcins auf’s schlagendste nachzuweisen. Hierdurch sowohl, wie durch eine tberaus klare und allgemein verstindliche Diktion, — cin Vorzug, den tbrigens der Verf. vor vielen anderen Schriftstel- lern, welche sich mit dhnlichen Darlegungen beschaftigen, im hohen Grade besitzt, — ist es ihm dann gelungen, auch die- sen an und fiir sich so schwierigen Theil seiner Arbeit in leicht fasslicher Weise abzurunden und den in ihm enthaltenen, lehr- reichen Stoff selbst dem im philosophischen Denken weniger geitbten Kunstjiinger anschaulich vor die Seele zu fahren. Der am Schluss dieser Abtheilung gemachte, dem Fiorillo entlehnte Vorschlag des Verf., statt des Kunstausdrucks ,,Contrast“, den man jetzt gemeinhin auf die gegensatzliche Farbenwirkung an- wendet, lieber auf die Gegensdtze des formellen Tons und der Form tiberhaupt zu tibertragen, dagegen fir die Lichtwirkun- gen im Bilde sich des Ausdruckes ,,Contrapost zu bedienen, ist hier vortrefflich molivirt und dirfte um so mehr zu empfehlen sein, als durch den gebotenen Wechsel der Begriffe vorzugs- weise bei Beschreibungen von Gemalden die conzise Bestim- mung gewisser Einzelnheiten um Vieles erleichtert warde. Ausgertstet mit den in der ersten Abtheilung des Buches gelehrten Vorkenntnissen wird der Schiiler durch den zweiten Theil desselben zunachst mit dem Zeichnen nach Gyps bekannt gemacht. Hier wird ihm vor Allem der Nutzen eines gewis- senhaflen und strengen Studiums der Anlike an’s Herz gelegt und die Warnung vor dem Materialismus in der Kunst mit auf den Weg gegeben. Zudem ist der Verf. gleichzeitig darauf bedacht, seinen Zogling auf eine dem Gegenstande angemes- sene Weise fiir das archiologische Studium zu _interessiren, weshalb er ihn dann auch mit den wesentlichen, dahingehéren- den Werken bekannt macht. Dies faihrt den Verf. selbst dar- auf, sich iiber die Idealbildung und Charakteristik im Allge- meinen und Einzelnen weillaufiger auszusprechen und seine Ansichten dariiber auf mannigfache, der Antike entnommene Beispiele zurickzufiihren. So kommt er dann endlich, nach vielen hochst gediegenen Lehrsidizen, die er im Gange der Un- tersuchung trefflich entwickelt, auf das héchste Gesclz fir dic Skulptur und Malerei, auf die rein nattirliche Schénheit, und hiernach auf die fiir den Menschen-Bidner so unentbehrlichen Hilfswissenschaften, auf die Unerlasslichkeit eines griindlichen Studiums der Anatomie und der Lehre von den Proportionen. Nachdem er so deu Sinn des Schiilers fir das Wesentliche em- pfinglich und ihn ausserdem auf die Grundelemente des Ab- rundens in der Zeichnung, auf die richlige Vertheilung des Lichts und Schaitens auf den Kérpern, hingewiesen hat, wobei er auch der besonderen Schaltenconstruction als solcher gedenkt, schen Gange seiner Lehrmethode auf hochst praktische Weise angeordnet, indem er, ausgehend von den an und fir sich trok- kenen Grundelementen des rein Technischen und, dieses leh- rend, allmahlig zu dem mehr Kinstlerischen vorschreitet, end- lich mit dem Schwierigsten in der Kunst, mit der Lehre von dem richtigen Erkennen des wahrhaft Gediegenen und Kunst- schénen abschliesst. Der Verf. theilt sonach den Gesammistoff seines Unterrichts zunachst in zwei Haupttheile, von denen der erste ,,die dem Kunstler néthigen, mathematischen Vor- kenninisse behandelt“, der zweite dagegen ,,Belehrungen tiber die praktischen Studien des Zeichnens nach antiken Mu- stern und nach dem Naturmodell enthalt“. Der erste Theil umfasst 23 Briefe. Davon sind 14 der » Lehre von der Linear- und Luftperspective’*, 9 der ,,Lehre vom Clairobscur“ gewidmet. Der zweite, in 27 Briefen gegliederte Theil beschaftigt sich sodanmn in 8 Sendschrei- ben mit ,,Zeichneniitbungen nach Gyps“; ferner in 8 Briefen mit ,,Zeichneniibungen nach dem lebenden Modell“ und schliess- lich in 11 Briefen mit ,,einer Analyse dreier verschiedener Gat- tungen in der Malerei. In diesem letzten Abschnitt wird demnach in 2 Briefen die ,,Landschaftsmalerei“, in 5 die ,,Genremale- rei“ und abermals in 5 die ,,religiés-historische Malerei* ab- gehandelt. Noch ist in Bezug auf den Handgebrauch des Wer- kes zu bemerken, dass demselben ein das Nachschlagen sehr erleichterndes Namen- und Sachregister angehdéngt und ein erklarendes Verzeichniss der zum Theil in den Text eingedruck- ten 38 Holzschnittfiguren vorgesetzt ist. Nachdem sich der Verf. im ersten Briefe einleitungsweise als lehrender Correspondent eingefiihrt und tiber die wesentli- chen Grundbedingungen kiinstlerischen Strebens im Allgemeinen ausgesprochen hat, beginnt er im zweiten Briefe sofort seinen Unterricht mit einer fasslichen Auseinanderselzung des Begriffs der Perspective und des Clairobscur, wobei er denn gleichzeitig bemiitht ist, die Wichtigkeit des richtigen Contours, als die nothwendige Grundlage alles Zeichnens, ins rechte Licht zu set- zen, Hierauf geht er zu den Regeln der Linearperspective selbst tiber. Schon der dritte Brief beschaftigt sich mit den Elemen- ten derselben, indem er von der Feststellung der Sehaxe und des Augenpunkles ausfahrlicher handelt. In einer der Sache an- gemessenen Weise, vom Einfachen zum Schwierigeren fort- schreitend, wobei dann stets an den gehdérigen Orten interes- sante Nebenerscheinungen im Gebiete der Perspective, wie z. B. das Panorama u. A. ihre Erléuterung finden, schliesst dieser Unterricht mit der Darstellung eines perspectivischen Aufrisses von einem zusammengesetzten, rege]massigen Kérper nach sei- nem Grundrisse, dem Profil und dem Durchschnitte, zweckmas- sig ab. — Verfolgt man die in diesem Abschnitte enthallene Lehrweise mit Aufmerksamkeit, so muss man dem Verf. das Zeugniss geben, dass er hier mit genauer Sachkenntniss und dem Zweck des Werkes entsprechender Umsicht verfahren ist. Alle die von ihm gewahllen Beispiele sind in logischer Folge- richtigkeit aneinandergereiht und, ohne den Schiiler zu ermii- den, mit einfachen und klaren Worten erlautert. Als ein we- sentliches Hilfsmittel der Veranschaulichung des Vorgetragenen sind die dem Texte hinzugefiigten Abbildungen zu betrachten. Da sich der Verf., dem Plane des Werkes gemass, nur auf eine Darlegung der Hauptprincipien der perspectivischen Con- structionslehre ейаззеп konnte, so war naltirlich die Auswahl yon Beispielen um so misslicher; dennoch glauben wir, dass es nach diesem Leitfaden Jedem, der nur mit Aufmerksamkeit und gutem Willen dem Gange der Darstellung folgt, leicht werden wird, sich durch Selbststudium (woftir denn auch die betreffenden Werke iiberall genannt werden) weiter zu fordern. An diese perspectivischen Auseinandersetzungen schliesst