geht er auf die Eintheilung der menschlichen Gestalt naher ein. Hieran schliessen sich vergleichsweise die ‘genaueren Maasse der vollendetsten griechisehen und rémischen Antiken an. Mit sorgfilligster Beobachtung jeder nur einigermassen nutzbaren Einzelheit, der perspectivischen Ansicht der Figur, der stets durch eine Stellung bedingten Lage des Schwerpunktes u. s. w. fasst der Verf. das Ganze des Gypszeichnens in so tiichtiger Weise zusammen, dass sich dadurch der Schiler unbeirrt auf die Stufe, die er nunmehr betreten soll, gehoben fihlt. Diese macht ihn mit dem lebenden Modell bekannt. Hier erhalt er wiederum lehrreiche Aufschliisse liber das ganze Gebiet der Farbe und Farbengebung: sowohl die materielle wie die ideelle Seite der Farbe wird ausfihrlich behandelt und diese somit nach ihrer oplischen, wie rein stofflichen Eigenthiimlichkeit beleuchtet. Der Schiller erhalt — ohne dass sich der Verf. in ein bloss leeres Raisonnement verliert, wozu der vorliegende Stoff so leicht verleiten kann — die klare Anschauung von den so haufig missbrauchten Bezeichnungen: ,,Monotonie, Poesie der Farbe, Harmonie u. s. w.“ und also das geeignetste Mittel, bei seinen eigenen Studien sich seiner darauf beziglichen Vor- ziige oder Mingel bewusst zu werden. Dabei versiumt es der Verf. auch hier nicht, sich naher auf das rein Praktische ein- zulassen, indem er neben jenen theoretischen Deduktionen stets das nothwendige Material, dessen der Zeichner u. s. w. bedarf, um sich seine Arbeit méglichst zu erleichtern, bericksichtigt. — Wie oben bei dem ,,Zeichnen nach Gyps“ beispielsweise auf die Antike hingewiesen wurde, so werden in diesem Ab- schnitte hauptsichlich die Werke der grossen, mittelalterlichen Meister, des Leonardo da Vinci, Direr, Raphael u. s. w. dem Studium empfohlen und sachgemass erlautert; gleichzeitig aber auch vor einer einseitigen Nachahmerei derselben gewarnt. Der letzte Brief dieser Folge, welcher die historische Composition nach dem Style der genannten Meister naher erdrtert und dem, ahnlich wie den fritheren Briefen, erlauternde Bilder beigege- ben sind, spielt schon auf das Gebiet der Kunstgeschichte und der asthetischen Kunstbetrachtung hintiber und leitet so allmah- lich den Inhalt der letzten Brieffolge ein. Dieser enthalt, wie wir dies oben bemerkten, eine specielle Analyse der genannten drei verschiedenen Hauptgatlungen der Malerei. Es wirde zu weit fiihren, wollten wir hier die zum Theil trefflichen und mit grosser Klarheit entwickelten Ansichten des Verf. naher in die Betrachtung ziehen, dies um so mehr, als wir gerade in diesem Abschnitt mannichfachen, rein indivi- duellen Anschauungen begegnen, denen wir besonders da, wo es sich um die Kunsileistungen vorgefiihrter Persdnlichkeiten handelt, nicht immer beistimmen kénnen. Wir enthalten uns aber um so lieber einer entgegnenden Auseinanderselzung un- serer Meinung, als sie den Hauptzweck des vorliegenden Wer- kes durchaus riicht bertihren wiirde; denn wie dieses, seinem ganzen, inhaltvollen Stoffe nach, gebaut ist, so lasst es jedem Kunstjiinger Raum, sich an ihm aus sich heraus zu entwik~ keln und somit auch die hier gegebenen Ansichten zu verar- beiten und dem Selbsturtheil zu unterwerfen. — Hiermit aber ist dem Buche das giinstigste Urtheil gesprochen. Wir freuen uns, dasselbe als eine sorgfallig durchdachte, mit grossem Fleiss und schriftstellerischem Talente behandelte Arbeit nicht nur den Kunstjiingern, sondern Jedem, der sich fir bildende Kunst interessirt, als tiberaus lehreich empfehlen zu konnen. Mége demnach der Wunsch des Verf., dass sein Werk bei allen denen Beriicksichtigung finde, ,,welche die Unterweisung т der Kunst fiir wiinschenswerth und der allgemeinen Bildung ihrer Zoglinge erspriesslich halten“, in Erfillung gehen. Ii. Weiss. “Zeitung. Ус. Hert , im Sept. Im Lokale des Kunstvereins unter den Linden sind neuverdings wieder manche Novitaten aufgestellt worden. Zunichst Gude und Tidemand: ,,Brautfahrt in Hardanger, Norwe- gen“, Eine Gebirgslandschaft voll jenes feinen, kalten Duftes, wie ihn uns Gude’s trefflicher Pinsel bereits oft als Charakter seiner nor- dischen Heimath geschildert hat. Darin ein See, in dessen stille Flu- then von den Gletschern die silberweissen Bache niederrinnen. Vorn auf dem See zwei Fischernachen, die eben einander nahe gekommen sind. Im vorderen, den man seiner ganzen Linge nach sieht, lustige Gesellschaft mit Trommelschlag und Fiedelbogenklang: es ist ein Brant- zug, das sehen wir an der zarten, schitchternen, mit einer Krone geschmiickten Jungfrau, die still nachdenklich einer inhaltschweren Zukunft entgegenfahrt, in die der Geliebte mit freundlicher Zusprache sie sanft zu leiten sucht. — Im Hintergrunde sieht man noch einen dritten Kahn, dessen Insassen mit denen im Vordergrund Ruf und Wink tauschen. Das Bild ist in landschaftlicher Schénheit jenem fri- heren Gude -Tidemand’schen, das einen Fischzug darstellte, vielleicht noch vorzuziehen; allein die Figuren, so viele sprechende Ziige und Situationen sie zeigen, ermangeln, vermuthlich schon wegen der durch ihre Vielheit bedingten Winzigkeit, der Tiefe und Feinheit der Cha- rakteristik, die jenes Bild auszeichnet. — Von J. Roder sahen wir ein Genrebild ,Kinder mit Maikaéfern spielend“. Ein schwarzlockiger Bursch sitzt neben einem ganz kleinen, blonden Madchen im Grinen. Aus dem nebenstehenden Schachtelchen haben sich einige Maikafer emanzipirt und einer hat sich auf den Oberarm des kleinen Blondképf- chens gesetzt, welches, halb verwundert, halb erschreckt, danach starrt. Ein naives Motiv, gliicklich und lebendig aufgefasst. Nur Schade, dass Réder, der ein entschiedenes Talent fir energische, bril- lante Farbung hat, in der Harmonie der Téne nicht glicklich ist. So bewirkt namentlich das Giftgrinm des umgebenden Laubes, dass die Wirkung des sonst so artigen Bildchens grell und hart ist. Ус. Heri, Anfangs Okt. Wir sahen kirzlich bei der Anwe- senheit des Prof. Micke yon Disseldorf mehrere Compositionen des- selben zu historischen Bildern. Die Arbeilen dieses Kiinstlers bewegen sich mit Vorliebe in Stoffen religiésen Inhaltes, denen er manchmal eine eigenthiimlich neue poetische Seite abzugewinnen weiss. Wir er- innern an seine beliebte ,heilige Katharina, von Engeln durch die Luft getragen“, zu welchem Bilde er neuerdings ein Pendant geschaffen hat: »Die Engel, welche den Hirten die Geburt des Erldsers verkiinden “. Die friedliche, nachtliche Stille auf der Landschaft, in der man die schlichten Hirten bei ihrer Heerde erblickt, und iber welche drei schone Engel hinschweben, bat etwas zart Ansprechendes. Jetzt sa- hen wir eine ,,Ausgiessung des h. Geistes‘, die das Neue hatte, dass der sonst als Hauptsache behandelte Vorgang hier in der gedffueten Halle eines Hauses im Hintergrunde vor sich geht, wahrend die dicht davor versammelte Menge mit ihren verschiedenartig abgestuften Em- pfindungen den Mittelpunkt der Handlung bildet. Diese Idee ist eine glitckliche zu nennen und wirde in der Ausfihrung unzweifelhaft noch gewinnen, wenn die Tracht der verschiedenen, hier versammelten V6l- kerschaften, Juden, Syrer, Romer, Babylonier, Aegypter п, s. w. шбо- lichst historisch tren durchgefihrt wirde, Man erhielte dann zugleich ein interessantes Bild vom damaligen Leben und Treiben in dem einst so reichen, blihenden Jerusalem. — Mchrere Bilder behandeln Stoffe aus der Bekehrungsgeschichte Deulschlands. Das eine schildert den Tod des grossen Glaubensmartyrers Bonifacius in lebhaft bewegter Dramatisirung. Zusagender indess erschien uns eine andere Composi- tion: ,Bonifacius legt die Axt an die heilige Eiche*. Vor dem Baume kniet, in den Grundvesten seiner Ueberzeugung erschiitlert, der heid- nische Opferpriester, der vergebens die Rache seiner Gétter auf den im Feuereifer handelnden Bischof herabgerufen hat, Am Boden liegt ein gebundener Feind, der, zum Opfer bestimmt, nun einen Blick in- nigen Dankes zu dem Manne hinaufschickt, der ihn vom Verderben errettet. Hinter dem Baume wird der heidnische Blutaltar sichtbar, von welchem entsetzt die Schaar der Heiden davonstiebt. Auf der anderen Seite ein heidnischer Heerfahrer, vergebens von seiner Frau