ап den Formen der Profilirung, daran jene entwickell sind, Theil.
Die mittelalterliche Bauschule hat ihnen den, freilich nicht sehr
dsthetischen Namen der ,;Nase“ gegeben. — Was solchergestalt
sich bei dem aus Kreis- oder Bogenlinien gebildeten Maaswerk
an grazidser Belebung entwickelt hat, wird sodann auch wohl
auf die geradlinigen Combinationen desselben ibergetragen;
doch bleibt in diesen, die des eigentlichen Schwunges entbeh-
ren, immer eine gewisse Starrheit und Kalle zurick.

Fir die mannigfachsten Zwecke ist dies Maaswerk ver-
wendbar. Das Grundprincip seiner Bildung ist stels ein bestimmt
einfaches, aber die Combinationen sind unzihlbar. Ftir die Aus-
wahl der Combinationen wird der kiinstlerische Geschmack
entscheiden mitissen; (denn allerdings kénnen sie unter Umstin~
den sich auch zu minder gefalligen Formen zusammenfigen).
Fir die Art der Verwendung wird daran festzuhalten sein:
dass das Maaswerk vor Allem einen integrirenden Theil des
gothischen Baustyls bildet, hervorgegangen aus den ihm
eigenthiimlichen Combinationen geometrischer Gesetze, im Ein-
klange mit diesen, und in seinem eigentlichen kinstlerischen
Zwecke nur durch den Rickblick auf die Gesammtheit je-
ner Gesetze verstindlich, Wo man heutiges Tages aufs Neue
gothisch baut und in solcher Bauweise den Formenausdruck
auch fiir das geistige Geftihl unsrer Zcit gefunden zu haben
meint, wird die ornamenlistische Form des Maaswerkes ihre
widerspruchlose Stelle finden. Anders dirfle es sein, wo
die Ueberzeugung von der Zeilgiltigkeit des gothischen Styles
nicht auf denselben festen Fundamenten beruht. + Es wird in
Erwagung zu nehmen sein, ob bei der Anwendung abweichen-~
der architektonischer Elemente eine Ornamentik, deren Spiel
durchaus jenen strenger gemessenen Grundgesetzen folgt, die
ganzeentsprechende Stelle finden kann. Es wird dabei zunachs!
wenigstens auf eine schr vorsichtige Verwendung ankommen.
Indess leben wir einmal in der Zeit einer grossen Vermischung
der Style, wie sie die Geschichte der Baukunst friher nie
gekannt hat; es scheint, als ob unsre Zeit erst dann griindlich
weiter gedeihen werde, wenn sie die Menge dieses Vorliegen-
den wahrhaft bewaltigt und verarbeitet hat. Es wird daher
Alles, was zu solcher Bewdltigung des Einzelnen Gelegenheit
giebt, willkommen zu heissen sein.

Dahin gehért das in der Ueberschrift genannte Werk, wel-
ches ein praktisches Lehrbuch fiir die Construction der gothi-
schen Maaswerke ausmacht. Es ist meines Wissens kein Werk
vorhanden, welches diesen, in sich abgeschlossenen Gegenstand
in ahnlich griindlicher, verstandlicher und umfassender Weise
behandelte, welches ebensosehr zur sichern Auffassung des Ge-
gebenen und als zu selbslandig neuen Compositionen anleitete.
Der Verf. beginnt zweckmassig mit der Construction der ein-
fachen geometrischen Grundfiguren, der Lehre von den Profi-
lirungen, der Bildung jener ,,Nasen, “ und entwickelt sodann
an einer reichen Folge von Beispielen — ‘seine Bildlafeln ent-
halten im Ganzen 183 Numnrern — die verschiedenartigen Wei-
sen der Combination, Zeichnungen und Text bieten eine eben
so klare Belehrung, wie erschépfende Uebersicht. Es ist ein
Lehrbuch fiir diese ausschliesslich geometrische Ornamentik,
das vollkommen geeignet erscheint, sowohl inden Schulen, wel-
che zur kunstgewerblichen Ausbildung bestimmt sind, als beim
Selbstunterricht mit bestem Nulzen verwandl zu werden, und
das nicht minder dem Kunsttechniker beim eignen Schaffen,
durch die grosse Anzahl seiner Beispiele, vielfachen Vortheil
gewihren wird. Es darf ebenso auf die Anerkennung des oben
bezeichneten, wenn auch durch liefere Voraussetzungen beding-
ten Slandpunktes rechnen, wie es zugleich der vdllig unab-
hingigen dsthetischen Betrachtung ein dankenswerthes Material
liefert. F, Kugler.
	Cerenamentik.
	Ueber die Construction der Maaswerke von Carl
Stooss. Als Beitrag’ sur Férderung der gewerblichen Bi-
dung herausgegeben von dem Gewerbeausschuss der Gesell-
schafé sur B eforderung gemeinniitziger Thétigheit in Liibeck.

Liibeck, 1853. 21S. und XV Tafeln in Kl. Fol.
	Einer der wesentlichen Facforen fiir die Gestaltung der
gothischen Architektur ist die geometrische Combination. Die
Lisung des Ganzen in die Fille selbstberechtigter Einzeltheile und
das Gegeneinanderwirken derselben, was aus dem System von
Gewilbrippe und Strebepfeiler entspringt, hat hier, in Grund-
riss, Durchschnitt und Aufriss, ein strenges Wechselverhaltniss
geomelrischer Bedingnisse hervorgebracht, das in ahnlichem
Grade bei keinem andern Baustyle statlfindet. Wir wissen, dass
diese Bedingungen bei dem Aufbau des gothischen Werkes selbst
bis zu einer Consequenz durchgefihrt sind, der das naive Ge-
К! des Beschauers manches Mal nicht mehr vollstandig zu
folgen vermag und deren lelzte Punkte nur noch durch den
nachrechnenden oder nachmessenden Verstand gewiirdigt wer-
den kénnen. So beruht auch ein wesentlicher Theil der gothi-
schen Ornamentik auf dieser geometrischen Combination. Sie
hat dazu gefihrt, Umsiumungen, Theilungen, Fillungen mit so
streng gemessenem wie zierlich buntem Formenspiele , dessen
rhythmische Consequenz dem Auge einen eigenthiimlichen Reiz
zu gewahren im Stande ist, zu umkleiden. Es ist die Kunst
des sogenannten Maaswerkes, die auf solchem Principe beruht.

Die geometrische Grundform des Ornamentes erhilt ihre
Belebung, ihre kérperlich plastische Wirkung durch die Ausge-
stallung (das Profil) der Gliederung, an und mit welcher sie
sich entwickelt. Die Form dieser Gliederung beruht — so weit
das Maaswerk tiberhaupt mit asthelischem Gefthl behandelt wird
— auf jenem vegelaliv organischen Elemente, welches ein
zweiter Hauplfactor des Gothischen ist. Sie empfangt durch die
kehlenarlig eingezogene Seitenflache eine elastische Spannung,
durch den Rundstab (der wenigstens bei Maaswerken von ener-
gischer Bedeutung an dem Hauptgliede hervortritt) die Andeu-
tung einer mehr individuell architektonischen Kraft.

Doch wire mit diesen MilteIn noch immer erst cin herbes
und slarres Ornamentwerk, — ein solches, dem das Spicl freier
Grazie noch fehlt, gebildet. Andre Baustyle haben dies Feh-
lende in der Nachbildung des wirklich Vegetativen und in des-
sen Hinzufiigung an die strenge Grundform zu erreichen ge-
sucht, und auch der gothische Baustyl ist dem bei andern Thei-
len durchaus nicht fremd geblieben, hat das Vegetative in ein-
zelnen Fallen auch in der That mit dem Maaswerk verbunden.
Fir das lelztere aber hat er eine freiere Belebung vorzugsweise
durch eine weitergefiihrte Bewegung der Linicn und Formen zu
schaflen gewusst, die wiederum auf den Grundsatzen eben
jener geometrischen Combination beruht und die, obgleich sie
nur die aussersten Endpunkte des Dekorativen betrifft, dennoch
mit zu den markantesten und vollig ausschliesslichen Eigen-
thimlichkeiten der Gothik gehdrt. Die in der Bogenlinie des
Maaswerkes schwingende Bewegung lasst einen Theil ihrer Kraft
nach der inneren Seile hervorschiessen, der Art, dass dieses
schwingend Vorschiessende, ohne neue Combinationen mil an-
dern Theilen des Maaswerkes einzugehen, sofort wieder in jene
Hauptbewegung zuriickgezogen wird. So theilt und gliedert sich
die Bewegung, séum! z. B. den Kreis mit kleineren Kreisansatzen
(mit drei, vier, sechs, achl, zehn der Art), dass ein rosen-
arliges Gebilde entsteht, und tritt nicht minder an den aus Bo-
gensliicken zusammengeseltzten Figuren hervor, anderweilig ein
Dreiblalt, Vierblatt und drgl. bildend. Wie an der geometri-
-schen Grundform, so haben diese Bogenzacken natiirlich auch