librigen eine Berttcksichtigung in bis jetat nicht verwirklichte Aussicht gestellt. Im Publikum fand die Angelegenheit einen wenn nicht eben lebhaften, doch immer mehr sich verbreitenden Anklang; meh- rere Manner von literarischem und kiinstlerischem Ruhme er- griffen sie in Wort und Schrift mit regem Eifer. Wir nennen nur den Dr. Gabr. Riesser, Dr. Wolfsohn und Berth. Auerbach. Diese und der leider zu friih verstorbene Seydelmann, welcher den , Nathan, den Weisen* in der Singakademie in Berlin df- fenilich las, haben ein Bedeutendes zur Erreichung des Ziels beigetragen. Die Braunschweigische Regierung hat den Stand- ort mit einem Kostenaufwande von 900 Thalern einrichten und dem Comité 449 Thir., ursprtinglich fiir die Deutsche Flotte bestimmt, zugehen lassen. Endlich schien mit Rticksicht auf dasjenige, was einge- kommen und noch zu erwarten war, das Gelingen gesichert, so dass man an die Ausfithrung denken konnte. Die mit Rauch in Berlin angeknipflen Verhandlungen blieben erfolglos und am 29, April 1847 tbernahm Ernst Rietschel in Dresden die Anfertigung des Modells zu dem in Bronze zu giessenden Stand- bilde; ein Jahr darauf war die Skizze in Gyps und ein Jahr spater das Modell selbst vollendet, welches am 12. September 1849 in Braunschweig anlangte und gegen ein kleines Eintritts- geld zum Besten des Lessingfonds in der Aegidienkirche auf- gestellt wurde. Der Hindruck den dieses Kunstwerk machte, war ein ganz ausserordentlicher. Mit der Unmiltelbarkeit, mit welcher Mu- sik in ihren einfachsten Formen auf jedweden Horer zu wirken pflegt, so wirkte Rietschel’s Lessing auf die Beschauer aus allen Bildungskreisen. Wie ein Jubelruf erscholl es durch die Stadt. Und doch war es der Lessing im vollen, wahrhaften Kostiime der Zopfperiode; der Zopf hing, kaum etwas idealisirt, ihm selbst noch in dem gewaltigen Nacken. Kein umgeworfe- ner Faltenmantel, kein bauschiger Hausrock war herbeigenom- men worden, er stand da im Franzdsischen Hofkleide von Sei~ denstoff, in gestickter Weste mit Schéssen, mit kurzer seidener Hose, seidenen Striimpfen und Schnallenschuhen, wie es Karl Schiller mit gliicklicher Inspiration verlangt und Rietschel nicht ohne Zaudern zugesagt hatte. Denn bedenklich war es. Es war ein grosser Schritt vor- warts in einer bestimmten Richtung, den nur der echte schépfe- rische Kunstgenius wagen durfte. Wenn irgendwo, so kam es hier auf das Wie au. Griff hier der bildende Kinsiler nicht mitten hinein in den Geist des Dichters, fasste er ihn nicht im Herzen des Herzens, so war es nichts mit dem Versuch. Aber so wie an Lessing alles harmonisch war, auch der schéne mus~ kelkraftige Kérper, dem, nach den sichersten Mittheilungen, jede unschéne, nachlassige Bewegung durchaus fremd war, so hat auch Rietschel den Geist sich seinen Kérper bauen lassen und den schmiegsamen Seidenstoff gleichsam nur wie eine zarle, fast durchsichtige Hille herumgelegt. Diese herrliche Gestalt, in der auf einem antiken Séulentrumm gesltitzten Linken ein eben vollendetes Werk haltend, die Rechte auf der Brust ru- hend, den rechten Fuss im Fortschritte, das stolze Haupt mit den festen, markigen Gesichtsziigen gehoben, mit den Blicken den zu zerschmetternden Widersacher der von ihm vertretenen héchsten Giter der Menschheit suchend, fesselt den Beschauer mit solcher Herrschergewalt, dass die leichte Hille zum unter- geordneten Momente herabgesetat wird. Und doch, mit welcher Meisterschaft ist auch diese behandelt, wie ganz anders der Faltenwurf in dem schwereren Seidenstoff des Rockes und in dem leichteren des Unterfutters, durch den Seidenstrumpf ent- deckt man das Spiel der Muskeln, an der Weste ist die gra- zidseste Slickerei ausgefihrt. In die Freude tber das gelungene Modell mischte sich so- fort die Besorgniss, ob der Guss desselben wiirdig scin wide, die um so mehr gerechifertigt erschien, als diese Arbcit der Einwirkung Rietschels entzogen war. Aber auch hier blieb das Glick dem Unternehmen getreu; der Inspektor Howaldt fihrte Guss und Ciselirung in einer Vollendung aus, die ihm den ge- rechten Beifall Rietschels, Rauchs und mehrerer grossen Ktinst- Jer und Kenner erwarb. »Nichis halb zu thun ist edler Geister Art“ und der Mei- ster Rietschel modellirte auch noch ein Fussgeslell, welches von dem Professor Nikolai architektonisch gegliedert ward. Die Ausfiihrung desselben in dem vortrefflichen Harzburger Granit und dessen Spiegelpolitur ward zwei Maurermeistern in Braunschweig iibertragen, als Standort nach manchen Erdérte- rungen ein Platz unweit der Aegidienkirche an der Wallpro- menade gewahlt, der, an drei Seiten in einiger Entfernung von Gebiuden umgeben, an der vierten Seite, wohin die Vorder- Seite des Standbildes gerichtet, vollig frei ist. Im verflossenen Jahre war sowohl das Standbild als das Fussgestell vollendet und nur in Folge der durch die unver- zeiblich rohe Art der Aufstellung herbeigefiihrten, nach vielen Schwierigkeiten durch Einsetzung von Sticken beseitigten Be- schadigungen musste die Aufstellung bis zu diesem Jahre auf- geschoben werden. Nachdem dieselbe gliicklich vollendet war, wurde mit Berticksichtigung der alsdann hier stattfindenden Ver- sammlung der Realschulmainner der 29. September fiir die feier- liche Enthillung bestimmt. Nach dem Programme sollte gegen 11 Uhr ein Festzug von der Aegidienkirche aus nach dem Stand- orte des Denkmals stattfinden, der Geh. Hofr. Prof. Petri die Worte der Weihe sprechen und das Ganze durch Gesange der simmlilichon Mannergesangvereine gehoben werden; Mittags Festessen, Abends im Theater Prolog und Nathan der Weise, endlich Beleuchtung des Denkmals durch bengalische Flammen. Die Feierlichkeit wurde einigermassen gestort, indem es wih- rend des ganzen Vormittags fast unablassig regnele. Ein Pre- diger an der Magnikirche ) und das Konsistorium in Wolfen- bittel hatten das Liuten der Glocken wahrend des Festzugs verhindert. Nichtsdestoweniger waren der Festzug und das Pu- blikum dusserst zahlreich; an die Stelle der Festrede trat eine kurze Ansprache und als das Denkmal enthillt war, driickte der allgemeine Jubelruf und die naive Freude und Bewunde- rung des Volks das Siegel unter die Anerkennung, die dem- selben von Kiinstlern und Kunstfreunden bis dahin schon in reichem Maasse geworden war. Zu dem harmonischen Ein- drucke des kolossalen Standbildes trigt sehr entschieden das im Geiste des Ganzen von Rietschel selbst vorgezeichnete Fuss- gestell bei, und jeder Bildhauer kann daran lernen, wie beloh- nend die diesem Theile des Werks gespendete Mihe ist. Das- selbe tragt auf der einen Seite des Wiirfels den Namen etc. Lessings, an der andern Seite die Inschrift: Dem grossen Dichter und Denker das deutsche Vaterland. Die belden anderen Seiten erwarten noch, wenn die Mitlel es erlauben werden, die herrlichen Basreliefs nach Rietschels Zeichnung. Nachdem von dem Vorstande des Lessings-Comilés dem Ober- biirgermeister das Denkmal als Eigenthum der Stadt mit der Stif- tungsurkunde des Denkmals ibergeben war, sclloss diese Feier mit Gesang. In dem benachbarten Sterbehause Lessings war eine Sammlung hochst interessanter, sich auf ihn beziehender 1) Seine Worte unter dem Umlaufschrethen sind: , Dass emem Theater- dichter mit Kirchenglocken geldutct werde, finde ich unpassend, besser wirde er durch Billerschiisse geehrt.“