Von W. Luhbke.
(Schluss.)
	schienen ihnen gering gegen dies Werk. Die Wasserleilung,
so sagen sie, ist von den Juden erbauet worden.
	Die Juden уоп Като waren den dortigen Christen bitter  
	feind. Sie neidelen ihnen ihre heiligen Oerter und den Gna-
denschulz, den die Christen von diesen empfingen: — die Quelle
des siissesten Wassers, die das Christkindlein hervorsprudeln
liess, als es unter der Obhut von Maria und Joseph nach Ae-
gypten entflohen war und alle schicr vor Durst verschmachlen
wollten; und den Sykomorenbaum, dessen Stamm sich aulthat
und in dem das Kindlein sich mit Maria und Joseph verbarg,
als die von Herodes entsandten Verfolger des Weges zogen, —
es hatte aber, noch ehe die Verfolger heran kamen, eine schnelle
Spinne ihr dichtes Gewebe vor die Oeffnung des Stammes ge-
hangt; und den Oelbaum, der aus des heiligen Josephs Stabe
erwuchs, welchen das Chrisikind in die Erde gepflanzt hatte,
und der bis zum jiingsten Tage forlgriinen wird; und alle die
andern theuren Reliquien und die wunderthatigen Bilder. Und
die Juden gingen zu Moez, dem Kalifen, der dazumal tiber
Aegypten herrschte und viele Arbeiter hatle entbieten lassen,
den Fuss des Mokatlamgebirges, welches bis an Kairo heran-
streicht, wegzubrechen, damit sein Schloss gegen allen Angriff
von der Hohe des Mokatlam gesichert sei. Lichelnden Mundes
und Arglist im Herzen sprachen sie zum Kalifen also: ,,Herr
der Glaéubigen, was mihest du dich mit schweren Kosten an
dicsem Werke? Siche, die Christen haingen an dem Winke
deines Auges, und bedarf es nur eines Wortes aus dem Munde
des Ephraim, ihres Patriarchen, und alle die Arbeit ist sonder
Mihe vollbracht. Denn es steht geschrieben in ihren heiligen
Schriften: So ihr Glauben habet als ein Senfkorn, so méget
ihr sagen zu diesem Berge: hebe dich von hinnen dorthin; so
wird er sich heben, und euch wird nichts unmdglich sein.
Darum priife sie, ob ihr Glaube also schwer ins Gewicht {allt
wie ein Senfkorn, und lass sie das Wort sprechen. Aber wenn
sie es nicht vermégen und ihr Glaube gar ohne Gewicht ist,
so wird Jedermann dich preisen, wenn du sie diesen falschen
Glauben abschwéren heissest. Dem Kalifen gefiel die Rede,
und er berief den Patriarchen vor sich, dass er thue nach den
Worten der Juden. Der Patriarch aber warf sich nieder vor
dem Bilde der allerseligsten Jungfrau, welches in der allen
heiligen Kirche der Maallaca hing, und klagte der Heiligen dic
Versuchung, die ihm und seinem Volke von den Juden ‘bereitet
war. Und das Bild éffnete seine Lippen und sprach Trostes-
worte zu ihm und hiess ihn nicht ablassen im eifrigen Gebete.
Und plotzlich erscholl es wie ein ungeheurer Donnerschlag, und
der Pallast des Kalifen erbebte in seinen Grundfesten, und die
Luft ward finster von aufwirbelndem Staube. Als aber der
Staub sich verzogen hatle, da sahe Jedermann, dass der Fuss
des Mokattamgebirges hinweggethan war, gleich als halten Tau-
sende von Arbeitern viele Jahre lang die Steine gesprengt und
abgekliiftet. Da ward der Kalif von verwunderungsvollem Stau-
nen tiber die Macht des christlichen Glaubens ergriffen; und er
erkannte die Falschheit der Juden und legte ihnen zur Strafe
schwere Schatzung auf, und sie mussten die Wasserleitung er-
bauen, welche dem Schlosse und der Stadt von Kairo das Was-
ser zufihrt. Den Christen aber erbaute er die Kirche Mari
Moncure, die ihnen von den Muselmannern genommen und zu
schlechtem Gebrauche verwandt war, mit grosser Pracht aufs
Neue. Und das Gebirge fihrt seit jenem Tage den Namen
	Gebel El Mokattam, das heisst: der gesprengte Berg.
(Fortsetzung folgt.)
	Die Technik dieser umfangreichen Malercien ist dic uns
bereits an den Soester Werken bekannt gewordene. Die Far-
ben sind ziemlich diinn auf einen gut bereileten Verputz auf-
getragen; fiir die Gesichter ist ein besonders feiner, weisser,
gipsartiger Grund gewahlt. Nur an den Theilen, wo sich die
glatt gearbeiteten Werkstiicke boten, wie an den Einfassungen der
Fenster, den Saulen, Gesimsen, Gewdlbrippen und Gurtungen ist
die Farbe auf den blossen Stein aufgetragen. Deshalb blattert sie
an diesen Stellen um so leichter ab, da sie sich mehr mit den
verschiedenen sie bedeckenden Lagen von Kalk als mit dem Steine
verbunden hat. An solchen Stellen bedarf es beim Losdecken
doppelter Vorsicht. Im Uebrigen hat die hellrothe Farbe sich am
wenigsten gchalten, indem sie theils durch die atzende Wirkung
des Kalks zerstért, theils mit diesem fest verbunden worden ist.
Der allgemeine Grund der Malereien ist gelb; die Architeklur~
baldachine sind in blauer, rother und brauner Farbe ausgefihrt.
Die von ihnen eingeschlossenen Nischen, aus welchen sich die
figtirlichen Darstellungen erheben, sind (nach Analogie der Niko-
lai-Kapelle) blau mit griinem Rande, jedoch nicht wechselnd.
Das Gelb, welches unter dem Blau manchmal zum Vorschein
kommt, ist die allgemeine Grundirung, die man, wie oben be-
merkt, der ganzen Flache vorher gegeben zu haben scheint.
Die Figuren am Gewélbe stehen in blauem, mit goldnen Slernen
durchsetztem Grunde, der offenbar den Himmel darstellen soll.

Im Allgemeinen herrschen wie auch in der Nikolai-Kapelle
einfache, ungebrochene Farben vor; besonders begtinstigt er-
scheinen Roth und Blau, doch auch Griin, Braun und andere
Farben sind in Anwendung. In dieser Beziehung bieten beide
Werke cinen beachtenswerthen Fortschritt gegen die alten Ge-
malde der Chornische in S. Patrocli zu Soest, wo Roth fast al-
lein herrschte. Die Gesichter sind in einer einzigen etwas gelb-
lichen Fleischfarbe gehalten, die Zige mit kraftigen braunen
Strichen hineingesetzt. Doch zeigen die Gesichter der kolos-
salen Gewdlbgestalten, mit Ausnahme des Johannes, cine durch-
gefiihrte Schatlirung mit braunen, ja selbst jenen in byzantini-
schen Werken vorkommenden griinen Ténen. Wohl mochte
man, um die Wirkung zu verstaérken, zu diesem Mittel greifen,

welches die Miniaturen bereits an die Hand gaben. Auch die
Gewander dieser Figuren, so wie der Figuren an der dstlichen
und nérdlichen Chorwand und Johannes des Taufers in der
-nérdlichen Apsis sind mit dunkleren Tonen schattirt. Die ge-
nannten Arbeiten erfreuen sich auch einer tichtigeren Behand-
lung, —- obwohl auch das Beste an Feinheit den Werken der Ni-
kolai-Kapelle nicht gleichkommt —, wahrend die Malereien der
Siidseite betrachtlich roher sind. Offenbar haben mehrere Mei-
ster sich in die Ausfiihrung des umfangreichen Werkes ge-
theilt*). Mit welch verschwenderischer Pracht man bei der
Ausstaltlung dieser Kirche verfuhr, beweist vorziiglich die in
unglaublichem Maasse angewandte héchst kostbare Vergoldung.
Die runden Nimben enthalten fast alle reiche Verzierungen, die
verlieft in den noch weichen Verpulz hineingedriickt und ganz
mit Vergoldung gefillt sind. Aehnlich sind die Diademe, die
Siume und Verzierungen der Kleider, letztere aus Vierblattern
bestehend, ausgefiihrt. Wie glainzend der Schimmer dieser Orna-
mente war, so muss er doch noch tiberboten worden sein durch
die in Stucco-Relief aufgetragenen Vergoldungen des Nimbus und
des Medaillons, in welchem Christus am hohen Gewdlbe thront,

 
	1) Meine friiher (Deutsches Kunstblatt 1591, S. 310) ausgesprochene Ver-
muthung, dass manche Theile spater tibermalt sein méchten, kann ich nach
	nochmaliger genauer Untersuchung nicht aufrecht halten.