grossarligsten romanischen Baulen und haben tir die deutsche
Baugeschichte dadurch eine besondere Wichligkeit, dass sie als
die friihesten Beispiele der Ueberwélbung ganzer Kirchen be-
trachtet werden kénnen. Die 4lleren Schriftsteller (Fiorillo,
Stieglitz u. A.) hatten ihre Entstehung in das elfte Jahrhundert
gesetzt, die neueren waren zwar mehr oder weniger davon
abgewichen, hatten aber doch meistens fiir den Mainzer Dom
(abgesehen von gewissen unzweifelhaft spaitern Theilen) das
elfte Jahrhundert und zwar die Frihzeit desselben festgehalten.
Dieses Datum war um deshalb auffallend, weil die mcisten Falle
durchgreifender Ueberwélbung romanischer Kirchen in Deutsch-
land nicht frither als in die zweite jHalfte des 12. Jahrhunderts
fallen, bis dahin noch viele gréssere Kirchen im Basilikenstyl
und mit der Balkendecke vorkommen, und es schwer zu erkla-
ren schien, dass eine so augenscheinlich niitzliche und schéne
Neuerung so lange Zeit hindurch gar keine oder nur seltene
Nachahmung gefunden haben sollte. Daher wichen denn auch
Einige von jener Annahme ab, jedoch ohne Anfihrung spezieller
Griinde. So namentlich Rosenthal in der Geschichte der Bau-
kunst 8.573, der mit Erwahnung des Mainzer Domes im All-
gemeinen bezweifelt, ob man frither als 1125 gréssere Gewdlbe
liber den Mittelschiffen gemacht habe, und Mertens, der in sei-
nen Tabellen (wie unser Verf.) das Jahr 1187 angiecbt. Eine
sorgfallige Untersuchung des Alters dieser Gebaude war daher
héchst wiinschenswerth und Niemand. dazu geeigneter als Herr
у. Quast, der sich in Forschungen dieser Art schon vielfach
bewahrt hat. Seine vorliegende Schrift ist denn auch in der
That ein Meisterstiick griindlicher Krilik, logischer Pricision
und sorgfalliger Berticksichligung des Urkundlichen und Facli-
schen. Sie erheischt und erméglicht durch diese Eigenschaften
eine genaue Prifung ihrer Resullale, bei der ich, nach dem
Vorgange des Verf. und der Natur der Sache, zunichst jeden
einzelnen der genannten drei Dome gesondert betrachten werde.

Im Dome zu Mainz kommt es, da der Westchor nebst sei~
nem Querschiffe unbezweifelt einen spalern Anbau bilden, haupt-
sichlich auf das Langhaus an, dessen Pfeiler von unten her auf
Gewdlbe berechnet sind. Der griindliche Geschichtschreiber des
Doms, J. Weiter, hatte es in seiner 1835 erschienenen Schrift,
mit Ausschluss erweislicher Abainderungen im nérdlichen Sei-
tenschiffe und der nach einem Brande von 1191 erneuerten Ge-
wolbe, dem Bau des Erzbischofs Willigis (978— 1009) oder
doch des Erzbischofs Bardo (10091038) zugeschrieben. Kugler
in seiner Kunstgeschichte und der Referent in einem unten na-
her zu erwihnenden Aufsatze tiber den Dom zu Speyer waren  
dieser Ansicht gefolgt. Kurz vor dem Erscheinen der gegen-
wartigen Schrift war ich eines Bessern belehrt. Aus einer
Stelle in der Vita Bardonis, die noch nicht verdffentlicht ist,
aber in dem neuesten Bande von Pertz Monumenta nachstens
erscheinen wird, geht unzweifelhaft hervor, dass der yon Bardo
yollendete Bau noch eine Felderdecke (laguearia) hatte, dass
mithin der Gewdlbebau erst nach dem Bardo’s Gebaude zersté-
renden Brande von 1081 angelegt sein kann. Herr v. Quast,
den ich die Freude hatte auf diese die Richtigkeit seines Wi-
derspruchs gegen jenes frihere Datum beweisende Stelle auf-
merksam zu machen, hat sie noch seiner bereits vollendeten
Schrift im Drucke beifigen kénnen und somit zuerst publicirt,
Seine Auffassung der Entstehung des Domschiffes wurde indes-
sen davon wenig berihrt, indem er sie in eine noch spatere
Zeit, nach einem Brande v. J. 1187, verlegt. Den Beweis da-
fiir findet er in der Geschichte eines kleinern, interessanten
Bauwerks, der an den Dom angrenzenden S. Golthardskapelle,
die, wie schon Wetter bemerkte, nach einer unzweifelhaften
Urkunde in den Jahren 1135 und 1136 erbaut ist, In den De-
tails dieser Kapelle findet nun unser Verf. eine auffallende

 
	 

Aehnlichkeit mit denen im Langhause des Doms, was er durch
Beispiele aus beiden Gebduden in den der Schrift beigefiigten
Tafeln beweist, und daraus schliesst, dass das Langhaus der
Kapelle gleichzeitig sein mtisse und folglich fiir denjenigen Bau
zu halten sei, der nach dem in der Chronik erwahnten Brande
vom J. 1137 aufgefiihrt worden.

Dies ist mit kurzen Worten der Gang der Beweisfiihrung,
deren Zuverlassigkeit denn freilich von der Richtigkeit ihrer
einzelnen Positionen abhangt.

Erstens also das sichere Datum der Gotthardskapelle be~
ruht auf einer bei Wirdtwein (Diplomatoria Mogunt. I. 541)
abgedruckten Urkunde vom 7. Marz 1136, in welcher der Frz-
bischof Adalbert I. eine Stiftung fiir die Beleuchtung dieser Ka-
pelle macht, und sie als Capella curtis nostrae in Moguncia,
parieti ecclesiae b. Martini contigua et a nobis a fun-
damento constructa bezeichnet. Ueber die Identitat der
Kapelle kann kein Zweifel sein; die Nahe der Kirche, die Be-
ziehung auf den erzbischdflichen Palast begrinden sie vdllig;
dass sie in der Urkunde nicht Gotthardskapelle genannt ist, er-
klart sich daraus, dass die Weihe (wie Wirdiwein aus einer
von ihm gesehenen, in der Kapelle unter Glas bewahrien Ur-
kunde bezeugt) erst im Jahr 1138 durch den Nachfolger des
inzwischen verstorbenen Adalberts I ertheilt wurde, Es geht
also daraus hervor, dass sie von Adalbert 1 von Grund aus und
als seine Schlosskapelle, aber nicht grade, dass sie, wie Wetter
sagt, in den Jahren 1135 und 1136 erbaut worden, Sie wurde
zwar erst 1138 geweiht, war also wahrscheinlich 1136 noch
nicht vollendet (obgleich sie der Erzbischof doch schon: con-
structam nennt), konnte auch ihrem Umfange nach wohl in we-
nigen Jahren vollendet sein; allein ebensowohl waren, nament-
lich in jenen unruhigen Tagen, langere Unterbrechungen mig-
lich. Wir sind, daher riicksichts des Bauanfangs nur durch den
Regierungsantritt des Erzbischofs (1111) oder allenfalls durch
scine Befreiung aus der Gefangenschaft Heinrichs V (1115) be-
schrankt.

Zweitens die Uebereinstimmung der Details. Eine ge-
wisse Aehnlichkeit ist vorhanden; ob diese aber so gross sci,
dass man auf eine vollige Gleichzeitigkeit schliessen diirfe, ist
doch die Frage. Ich meinerseits kann nach eigener Verglei-
chung an Ort und Stelle diese Uebereinstimmnng nicht so gross
finden. Allerdings haben die Wiirfelkapitale (mit Ausnahme
desjenigen an der Golthardskapelle, welches Herr v. Quast S. 19
Note 1. gewiss mit Recht fir eine spitere Einschaltung halt)
im Ganzen denselben Charakter wie die des Doms, aber sie
scheinen schlanker. Ebenso findet sich die steile atlische Basis
in beiden Baulen, aber doch auch mit wesentlichen Abweichun-
gen, indem, wie auch die Zeichnung in unserer Schrift ergiebt,
die Basis der Kapelle steiler und minder voll und kraftig ge-
bildet ist als die des Doms. Neben diesen Aehnlichkeiten kom-
men aber auch sehr auffallende Verschiedenheiten vor. Zunichst
haben die Deckgesimse des untern Stockwerks der Kapelle eine
zwar allerdings harte und unorganische, aber doch auch rei-
chere Gliederung als die des Doms. Dann aber ist besonders
bemerkenswerth, dass die Kapitile der Siulen des dussern Um-
gangs am obern Stockwerke der Kapelle (Taf. I Nr. 10) keine
ausladenden Deckplatten, sondern einen schmaleren ausgedehn-
ten Architray tragen, der dann erst wieder durch ein ausla-
dendes Gesims gedeckt wird; еше ungewdhnliche Form, fiir
die sich kein Analogon am Dome findet. Allein auch soweit
die Uebereinstimmung reicht, ist es zweifelhaft, ob man daraus
auf eine Gleichzeitigkeit des ganzen Langhauses des Doms
schliessen kinne. Wenn ich mich nicht tausche, sind im Mit-
telschiffe desselben Veranderungen ersichtlich, welche auf ein
frither bestehendes Mauerwerk und spatere Reparaturen hin-