gen, wenn auch minder roh und unbeholfen wie in Mainz,
doch noch, wie der Verf. selbst bemerkt, Harten und sehr
primitive Formen, die sich wesentlich von denen unterschei-
den, die wir anderwarts nach der Mitte des zwdlften Jahrhun-
derts finden.

In Beziehung auf den Dom zu Worms kann ich mich kiir-
zer fassen, und auf die nahern Ausfiihrungen der vorliegenden
Schrift verweisen. Er ist, wie der Herr Verf. sehr anschaulich
und richtig entwickelt, eine Reproduction des in Maing und
Speyer ausgebildeten Systems, aber mit so willkirlichen und
wechselnden Formen, dass wir nur an eine erheblich spatere
Zeit denken kénnen. Die blinden Arcaden unter den Oberlich-
tern scheinen sogar schon von dem Gedanken an Triforien her-
zustammen, der jenen andern Domen fremd ist. Ich stimme
daher hier der Ansicht des Verf., dass der vorhandene Bau
nicht der im J. 1110, sondern der im J. 1181 geweihete sei,
véllig bei. Noch bedeutend spater wird die Stifiskirche S. Martin
zu Worms sein, die, obgleich wiederum eine Reproduction des
dortigen Domes, nach der tiberzeugenden Ausfihrung der vor-
liegenden Schrift zum Theil wirklich gothisirende Formen zeigt.
Der Verf. bezieht auf diesen Bau eine Weihe vom J. 1265, die
in Folge eines Brandes von 1242 eingetreten sein kénne, und
dies ist, besonders wenn man erwigt, dass man bei dieser
Herstellung wie gewohnlich entweder alte Theile benutzt, oder
doch sich der alten Form aus Pietit einigermassen angeschlossen
haben wird, sehr wahrscheinlich. Dasselbe gilt denn auch von
der durch Moller publicirten 5. Paulskirche, die den Ueber-
gangsstyl in naher Beziehung zum Gothischen zeigt, und bei
der denn wiederum nach einer vom Verf. beigebrachten Stelle
ein bedeutender Herstellungsbau in Folge des Brandes vom
J. 1242 néthig geworden, der noch im J. 1261 Anstrengungen
des Stiftes erforderte. Und so haben wir denn allerdings hier
noch die Ausfiihrung romanischer oder doch nicht gothischer
Bauten, zu einer Zeit, wo nicht bloss der Kélner Dom schon
in Angriff genommen, sondern auch (1260) in dem benachbar-
ten Mainz die Barbarakapelle des Domes in ausschliesslich gothi-
schem Style ausgefiihrt wurde.

Der Verf. erwahnt ausser den ebengenannten Kirchen noch
einiger andern benachbarten Bauten, von denen er Profile bei-
bringt, die denen des Mainzer Domes mehr oder weniger ahn-
lich sind. So die Profile der Kampfergesimse aus der Justinus-
kirche zu Héchst, die er dem Jahre 1090, aus der Kirche des
Klosters Lorseh, die er einer nach dem Brande von 1090 bis
zum J. 1130 durch den obengenannten Erzbischof Adalbert von
Mainz bewirkten Herstellung zuschreibt, endlich aus der ehe-
maligen Palastkirche zu Ingelheim, bei welcher er vermuthet,
dass sie unter den Herstellungen (des Palastes) vom J. 1154
hegriffen gewesen. Allein alles dies zugegeben, scheint mir
daraus fiir die Frage nach dem Alter unserer Dome noch nichts
zu folgen. Es zeigt nur, dass diese Profile, welche wir am
Mainzer Dome und an der Gotthardskapelle finden, lange Zeit,
schon im 11. und noch im 12. Jahrh. im Gebrauche waren (wo-
bei denn itbrigens das Jahr 1154 noch einigem Zweifel unter-
liegen méchte), wodurch denn, da die Vermuthung des frithern
Gebrauchs immer ftir die Hauptkirche spricht, keinesweges er-
wiesen wird, dass diese dem zwélften und nicht schon dem
elften Jahrh. angehére. Man kann aber daraus, dass die er-
wabnten Kirchen nicht iberwélbt, sondern flach gedeckt waren,
nicht entnehmen, dass die Gewdlbanlage tberhaupt und auch
an den Domen zu Mainz und Speyer erst spatcr, namentlich
nach 1137 und 1159 angewendet sei. Bekanntlich kommen selbst
im gothischen Style ungewélbte Kirchen vor, und es ist sehr
begreiflich, dass man anfangs, wo man den Gewdlben eine
iibermassige Starke geben zu miissen glaubte, wo sie daher
	sehr mtihsam, kostspielig und zeitraubend waren, sich nur bei
hedeutenden Gebduden und grossen Milteln dazu entschloss.

Es wire vielleicht wiinschenswerth gewesen, unter den
zur Vergleichung herangezogenen Bauwerken auch der Abtei-
kirche zu Laach zu erw&hnen, da auch sie friihromanische
Formen mit vollstandiger Ueberwélbung zeigt, und ihre Bauzeit
nach der gewdhnlichen und auch von den neuesten Heraus~
gebern (Geier und Gérz) nicht bezweifelten Annahme in die
Jahre 1093 bis 1156 fallt. Zwar gehdrt sie nicht zur Didcese
oder zur nahen Umgegend von Mainz, aber sie liegt doch nicht
so weit entfernt, dass sie hier ganz ausser Acht zu lassen wire.
Vielleicht hat der Verf. sie nicht’ beriihrt, weil er nicht die
Zeit gewonnen hat, sie so griindlich zu untersuchen, wie er es
vor 6ffentlicher Aeusserung zu thun pflegt. Zwar erregen die
Details des Langhauses, namentlich die Art der Ueberwélbung
und die Stellung der Pfeiler, Bedenken, ob auch dieses aus so
friiher Zeit stamme, indessen bei Vergleichung mancher andern
niederrheinischen Bauten doch nicht so dringende, um ohne
nahere Untersuchung dies Gebiéude von den hier zu bertick-
sichtigenden auszuschliessen. Nimmt man nach den bisherigen
Ermiltelungen an, dass Langhaus und Chor bei ununterbroche-
nem aber langsamen Fortschreiten des erst scit 1112 eilriger
betriebenen Baues bis 1156 entstanden sind, so wiirde daraus—
eine Bestiligung hervorgehen, dass die in einfacheren und pri-
miliveren Formen tiberwélbten Dome von Mainz und Speier
schon einer fritheren Zeit, namentlich dem Ende des 11. Jahrh.
angehéren.

Lassen wir aber auch dies dahingestellt sein und bleiben
wir nur bei dem stehen, was dér Verf. einer Priifung unter-
worfen hat, so ergiebt sich aus den vorher angefiihrten Grtin-
den, dass wir auf die festern Daten, welche cr annimmt, und
auf die einfachere Gestaltung der deutschen Baugeschichte,
welche dadurch entstehen wiirde, wenn wir die Dome von
Mainz und Speyer den andern gewdlbten Kirchen des 12. Jahrh.
naiher riicken kénnten, vor der Hand noch verzichten miissen;
dass uns vielmehr nur tbrig bleibt, diese beiden ersten grossen
Gewilbanlagen unbestimmter dem Ende des 11. oder dem An-
fange des 12. Jahrhunderts zuzuschreiben. Der Dom und die
Martinskirche zu Worms dienen dann nur zum Beweise, dass
diese Formen des romanischen Baues in diesen Gegenden sehr
lange maassgebend gewesen sind, und sich nur sehr allmélig
mit den Formen des anderweitig schon weiter fortgeschrittenen
Uebergangsstyles gemischt haben. ,

Zur volligen Erledigung der Frage wtirde endlich aber
auch der Blick auf die andern Lander Europa’s zu richten sein.
Und da ist es denn sehr bemerkenswerth, dass auch da die
ersten Falle der Bedeckung des Mittelschiffes mit Kreuzgew6l-
ben (denn die Bedeckung mit Tonnengewélben im  siidlichen
Frankreich diirfte in noch friiherer Zeit vorgekommen sein) auf
dieselbe Zeit hinweisen, und zum Theil in ahnlicher Weise
streitig sind. In Italien ist der Dom zu Modena, der im Jahre
1099 begonnen und dessen Langhaus wahrscheinlich bald nach
1106 angelegt wurde, das erste Beispicl, dem aber bald meh-
rere folgten. Im nérdlichen Frankreich zeigen die im J. 1066
gegriindeten Abteikirchen St. Elicnne und St, Trinilé, die erste
schon 1077 geweiht, die iiltesten Gewdlbe. Gally Knight aus~
sert sich bei Erwahnung dieser Kirchen zwar kurz dahin, dass
die Steingewélbe wohl spaler sein méchten, da man in der Zeit
des Eroberers so grosse Réume noch nicht tiberwélbt habe, und
Mertens (die Baukunst des M.- A. 1850. S. 105) verweist beide
Kirchen in die Zeit gegen 1140. In der That scheint bei bei~
den die Fensteranlage nicht, oder doch nicht gut auf Gewélbe
berechnet, und in der zweiten beider Kirchen stehen sogar,
wie mir schien, die Gewdlbdienste des Mittelschiffs nicht im