Organ
der deutschen KunStvereine,
	“Zeitung
	fir bildende Kunst und Bankunst.
	Unter Mitwirkung von
	Kugler in Berlin — Passavant in Frankfur’ — Waagen in berln — Wiegmann in Disseldorf — Schnaase
in Berlin — FOrster in Miinchen — Bitelberger v. Edelberg in Wien
		herausgegeben von Dr. F. Eggers in Berlin.
	Sonnabend, den 3. December.
	Inhalt: Die neue Pinakothek in Minchen. E. Forster. (Schluss.) —
lungen aus Rom. Ernst aus’m Weerth. IV. — Kunstliteratu

~ Kunst von Dr. Albert Peip. Anton Gubitz. — Zeitung. Berlin.
Mitteln des Kunstvereins zu Leipzig auf der Ausstellung von 1853. —
	Die neue Pinakothek in Miinchen.
	Vor Dx. Ernst Forster.
(Schluss.)
	Wit treten nun in den sechsten Saal, der far die gric-
chischen Landschaften ,yvon Rottmann gebaut worden.
Die Bilder sind auf Mauergrund (in Wachs- und Oelfarben)
gemalt und in die Wand eingelassen;.sie sind durch Oberlicht
heleuchtet, der Beschauer wird aber nicht davon getroffen, in-
dem er-unter einem von Saulen getragenen Baldachin steht,
der den ganzen Saal mit dem Abstand von etwa acht Fuss von
der Mauer cinnimmt. Die Lichtwirkung, allerdings kiinstlich
hervorgebracht, wenigstens gesteigert, ist ganz tiberraschend,
so dass man manche Bilder, zumal beim Eintritt, fir Transpa-
rent-Gemalde halten méchte. Das Ungewdhnliche und ‘Kinst-
	liche dieser architektonischen Anordnung hat manchen Gegner
gefunden; und doch beruht es auf dem Prinzip der ganz ge-
wohnlichen und ganz natiirlichen Bewegung, die man, um ein
Gemilde deutlich zu sehen, macht, indem man das Auge mit
der Hand vom einfallenden Lichte abschliesst. Freilich erhalten
bei dem tieferen Sonnnenstand im Winterhalbjahr die Bilder
an der West- und der Nordwand in den Vormittagstunden viel
mehr Licht, als die an den entgegenstehenden Wanden. In den
Nachmiltagstunden aber ist die Sammlung nicht gedffnet.

- Es liegt wohl nahe, die Lésung 2weier sich sehr ahnli-
cher Aufgaben mit einander zu vergleichen. Lange vor der
Reihenfolge griechischer Landschaften hat Rottmann eine Rei-
henfolge italienischer gemalt; letzlere in Fresco, wie die er-
steren in einer der Oelmalerei ganz nah verwandten Weise.
Beide Lander haben in Vergleich mit dem unsrigen die Spar-
lichkeit der Waldung namentlich auf den Héhen gemein, deren
Formen deshalb umsomehr fir Licht- und Farbenwirkung em-
pfanglich sind, so dass der landschaftliche Charakter beider
Lander, nicht sehr verschieden von einander, bei beiden so zu
sagen das plastische Element fir die Auffassung maassgebend
zu scin scheint. Dennoch hat Rottmann, nachdem er in eben
dieser Weise die italienischen Gegenden dargestellt, fir seine

TV, dahrgang. -
	Physiognomie der Miinchner Ausstellung 1553. Q. vy. Schorn. — Mitthei-
Aesthetische Fragen von Dr. J. Frauenstédt. A. G. — Christus und die
- Kunstvereine. Verzeichniss der Ankadufe von Gemilden u.s. w. aus den
Anzeige.
	Bilder aus Griechenland vorzugsweis malerische Lifekte ge-
sucht, durch frappante Licht- und Lufterscheinungen, durch
eine scharfe Bezeichnung der Tagesstunden und des Wetters
so iiberraschende, ergreifende und entztickende Stimmungen
gewonnen, dass das Auge von den Formen ab-, zu ciner mehr
allgemeinen Naturfreude hiniibergezogen wird, Niemand wird
verkennen, dass dieser Wechsel der Auffassung in der Rich-
tnng des neuesten Kunstgeschmacks begriindet ist. Riedel’s
Sakontala mit ihrem feinen Farbenspiel im Widerschein, Gal-
lait’s Carl V mit seiner das Gemiith bewegenden Farbenstimmung
hallen den Weg zu einer Kunstmacht gezeigt, die mehr Reize
entfaltet und gréssere und lautere Huldigungen empfangt, als
die wenn auch noch so edle Form, als der wenn auch noch
so wahre und hohe Gedanke. Aber noch von einer andern
Seite wurde Rollmann zu der bezeichneten Auffassungsweise
gedringt. Nicht war es — wie bei den italienischen Land-
schaften —- die Schénheit der Gegend, die die Wahl bestimmie,
sondern ihre historische Bedeutsamkeit. Aber ein Ort kann
durch ein Ereigniss von allerhéchster Bedeutung sein, das geht
die Natur nicht viel an, und an den entztickendsten Stellen ist
die Wellgeschichte schweigend voriibergegangen, Dem Uebel~
stand glaubte Rottmann am sichersten begegnen zu kénnen mit
Hilfe solcher landschafilichen Mittel, die, unabhangig von der
Gestalt der Gegend, mit der Gewalt der Schénheit auf uns wir-
ken kénnen, namlich der Erscheinungen der Atmosphare, ja er
erkannle sehr bald darin die Gelegenheit, den Charakter und
selbst die historische Bedeutung einer Gegend in leicht fassli-
chen Zigen hervorzuheben, Dennoch hat Roltmann dieser Auf-
fassungsweise sich nicht unbedingt ergeben, sondern ist viel-
mehr, wo der Gegenstand es gestattete oder erheischte, zur
plastischen Einfachheit seiner italienischen Landschaflen zuriick~
	gekehrt.
Gleich beim Eintritt in den Saal haben wir die drei Ta-
	geszeiten Morgen, Mitlag und Abend in dret tbheraus herrlichen,
mit dem feinsten Natur- und Farbensinn ausgefiihrten Bildern
yor uns: Delos, das der dem Meer entsleigende Sonnengoit
mit dem ersten Morgenstrahl als seine Heimath begrisst; den
Meerbusen von Autis, wo ein unvergleichlicher, zauberhafter
Lichtglanz an die Flotte erinnert, die einst unter dem Atriden