det ein wesentliches Hinderniss fir die Erklarung. Ein zweites
noch grdsseres liegt in der kiinstlerischen Beschaffenhcit des
ganzen Werks, in dem fast ginzlichen Mangcl aller Darstel-
lungsmillel. Denn weit entfernt, dass, wie der Verf. bei einer
der Figuren deutlich erkennen will, Ekel und Abscheu selbst
in den Gesichtsziigen ausgedriickt ist, so kennt der Verferliger
der Reliefs den Zusammenhang einer Bewegung des Kopfes, der
Hand, der Fiisse, des Kérpers mit der darzustellenden Hand-
lung nur in den allgemeinsten Andeutungen, mit Emptindungen
aber und Gedanken gar nicht, und jeder Erklérungsschluss von
irgend einer Miene oder Geste beruht auf falschen Vorausset—
zungen. Darum erscheint auch dem Verf. eine und dieselbe
hipfende Bewegung bei dem angeblichen Bacchanten bacchan-
tisch und bei dem angeblichen christlichen Helden triumphirend.
Selber die Andeulung des Geschlechis ist in den meisten Fallen
so unbestimmt, dass man mit gleichem Recht jedes wiahlen
kann,

Aus diesen vorlaufigen Bemerkungen erhellt, dass und
warum ich mit dem geehrten Herrn Verfasser in der Er-
klarung der Thiire nicht ganz dbereinstimmen kann. — Ich
iibergehe die kleineren Ornamente, die Menschen-Fralzen, die
die Thirringe im Maul haben, die Lilien, die als Thiirbinder
angebracht sind, da die etwaigen Gedanken derselben ziemlich
lose am Ganzen und unter sich nicht zusammenhangen. Dage-
gen erfreut mich die Art und Weise, wie der Verf. die Auf-
gabe der Erklarang tiberhaupt gefasst hat, indem er fir nothig
gefunden, das geistige Band zu suchen, das die cinzelnen Theile
verbindet.

Die Bildtafeln der Thiire namlich betrachtet der Verf. als
Theile einer einheillichen, poetischen Conceplion, als die orga-
nische Entwickelung eines tiefsinnigen, chrisllichen Gedankens
des Inhaltes: 1. Adam und Eva in ihrem Urzustand. 2.
Versuchung zur Stinde. 3. Die Sindeund thre Folge.
4. Die Erlésung. 5. Der zur Erlésung den Menschen
auferlegte Kampf gegen die Siinde. 6. Sieg des er-
lésten Menschen. — Da der Hr. Verf. allen denen, die ihm
diese Auffassung des Werkes bestreiten wollen, im Voraus das
Anathema ,, Odi profanum vulgus et arceo!“ enlgegenhalt, so
muss es mir besonders lieb sein, dass ich im Ganzen gegen
dieselbe nichts einzuwenden habe, ich mache dafair aber von
der gegebenen Erlaubniss Gebrauch, im Einzelnen abweichen-
der Meinung zu sein. -

In den Bilderkreis No. 1 gehért (nach dem Verf.) die Er-
schaffung der Eva und ihre ,,Belehrung und Starkung“; und
zwar beides (in Uebereinstimmung mit P. v. Stetten’s Auslegung
in seiner Kunst-, Gewerb- und Handlungsgeschichte von Augs-
burg 1727) nicht durch Gott, sondern durch die seine Weisheit
vorstellende Jungfrau Maria, als welche die unbartige Gestalt
neben den Erschaffenen genommen wird. Ein unbarliger Gott
ist ungew6éhnlich, aber eine Jungfrau Maria in der Schépfungs-
geschichte statt des Schépfers ist eine so selisame Myslik, dass
sie ohne mehrfache Belege (deren nicht einer im Kunsthereich
mir vorgekommen) nicht wohl angenommen werden kann. Und
die Erschaffang Adam s ware nicht néthig? verstiinde sich von
selbst?

Der zweite Bilderkreis (Versuchung) wird durch den Baum
der Erkenntniss und den briillenden Lowen ausgefiil}t; der dritle
(Siinde) durch den Baum mit den ,,lfisternen Thieren‘‘, durch
den Mann mit der Traube, durch den Mann mit dem Trinkge-
fass und durch den Lowen, der ein Thier zerreisst. Ware die
Deutung fiir den zweiten Bilderkreis noch zulassig (obwohl der
brillende Lowe nicht Viele in Versuchung fithren wird), so
erscheint doch diejenige fiir den dritten Bilderkreis zu willkihr-
lich, um auf Anerkennung rechnen zu kénnen. Wo so posilive
	Rede: jedes Wort hat seinen Ton, aber nicht jedes Wort darf
betont werden!

Die zweite Frage: Sind die christlichen Kunstfor-  
men eine Darstellung christlicher Gedanken, wie
lasst sich die Mischung heidnischer und christlicher
Figurenauf denchristlichen Denkmalern und insbe-
sondere auf unserer Thiire erklaren? beantworlet der
Verf. mit der Ueberzeugung, dass das Heidenthum als eine um-
dunkelle oder zerstérte Offenbarung bereits christliche Wahr-
heiten enthalte. Wenn wir nun diese Schelling’sche Lehre  )
so fassen wiirden, dass in die christliche Kirche bei dem Ueber-
gang der Menschleit aus dem Polytheismus (und dem Juden-
thum) in die neue Lehre und Gottesyerehrung einige Vorstel-
lungen und Gebrauche der Vorzcit in die Neuzeit itbergegan-
gen, ungefihr wie die Sprache, die man ganz beibehielt, so
ist das zwar weniger wunderbar, aber die Thatsache ist die~
selbe: bis weit in’s Mittelalter herein bedient sich die christ-
liche Kunst polytheistischer Symbole, und zwar so unbefangen
und unbewusst, wie noch heute die Aslronomen, die bei Ju-
piter und Venus nichts weiter denken, als was die Namen in
ihren astronomischen Regislern bedeuten, und am allerwenig-
sten einen heiligen Schauer dabei empfinden. Der Verf. zeigt
sich an dieser Stelle wie durchaus als ein Mann von freier
Bildung, ohne welche wissenschafltliche Aufgaben nicht in die
Hand zu nehmen sind.

Die dritle Frage, ob die auf der Bronzethtre be-
findlichen Figuren in irgend einem Zusammenhang
unter einander stehen? beantwortet der Verf. natirtich mit
Ja und lasst sich auch in seiner Annahme nicht durch die of-
fenbare Verbindungslosigkeit der nebeneinanderstehenden Ta-
feln, noch durch die von ebenso offenbarer Gleichgiiltigkeit
zeugende Wiederholung einzelner Tafeln irren, sondern meint:
ein 6rulicher Zusammenhang sei bei vorhandenem geistigem nicht
nélhig und Wiederholungen kénnten auch als Naehdruck oder
hesondere Betonung einzelner Gedanken angesehen werden.
Diese Ansicht muss bei einem Bewunderer der Thire und der
Tiefsinnigkeit ihrer Darstellungen tiberraschen, um so mehr,
da keinerlei Nothwendigkeit dazu drangt, weil nach beglaubig-
ten, vom Verf. mitgetheilten Nachrichten die Thiire bei mehr-
facher Versetzung und selbst durch Rohheit und Muthwillen
grosse Unbilden erlitten hat, so dass ihre Theile wahrschein—
lich 6fter auseinandergenommen und beschidigte Tafeln durch
Abgiisse von erhaltenen ersetzt worden sind. Ein loser Zu-
sammung bei symbolischen Bildwerken alter Zeit kommt schwer-
lich vor und urspriingliche Wiederholungen in demselben Kunst-
werk sind mir nicht bekannt; es sei denn, dass ein bestimmter
Gedanke damit ausgesprochen sein soll, Wenn nun einer der
ailteren Bisthums-Historiographen Placidus Braun oben drei
Bildwerke nennt von der Thire, die ganz in den Zusammen-
hang passen, wie ,Gott und der erste Mensch*, dann ,, wie
Eva dem Adain die verbotene Frucht reicht“, ferner ,,wie die-
ser sie kostet“, Tafeln, die nicht mehr zu sehen sind, so liegt
die Annahme auf der Hand, dass einzelne Platten zerstért und
durch Wiederholungen von unbeschddigten ersetzt worden;
ebenso, dass die einzelnen Stiicke bei der Versetzung der Thtre,
da man ihren geistigen Zusammenhang nicht mehr verstand, in
Unordnung gekommen sind. Zehn Platten sind auf diese Weise
durch andere ersetzt worden und haben wir auch von dreien
den oben angegebenen Inhalt, so bleiben doch noch immer sie-
ben Tafeln, von denen wir nichts wissen. Dieser Umstand bil-
	1) Sie ist freilich alter. Die Kirchenyiter haben sie schon, nur sind
sie der Meinung, der Teufel habe den Heiden die Geheimnisse der Kirche
	im VYoraus verrathen.