RÜCKBLICK AUF DAS JAHR 1930.
I.
Wenn zu Anfang des verflolfenen Jahres die Wirflchafislage der Schweiz im allgemeinen noch zufriedenffellend genannt werden konnte, fo iflichon bald ein fühlbares Abflauen der gewerblichen und indufiriellen Tätigkeit eingefrefen, das fleh im Laufe des Jahres fortfeljte und alle Zweige der Wirtfchaft zu erfaßen droht. Die Weltwirtfchaftskrife, von der einzelne unferer Nachbarländer, insbefondere Deutfchland, England, die Vereinigten Staaten ufw., in noch viel ffärkerem Make ergriffen wurden, hat auch vor den Toren der Schweiz nicht Halt gemacht. Die günfiigeren Arbeitsbedingungen in vielen der europäifchen und überfeeifchen Länder, die prohibifiv wirkende Zollpolitik der Vereinigten Staaten hat eine Schwächung der Kon
kurrenzfähigkeit der fchweizerifchen Induflrien auf dem Weltmärkte und eine teilweife oder gänzliche Unterbindung des fchweizerifchen Exportes zur Folge. Die wachfende Arbeifslofigkeit führt zudem zu einer empfindlichen Schwächung der Konfumkraft breiter Maffen der Völker und zu einer weiteren Verfchärfung der Wirtfchaftskrife.
Dak von den Folgen derfelben die graphifchen Gewerbe nicht verfchont bleiben, beweifl die wachfende Arbeifslofigkeit, die insbefondere in Deutfchland die Höhe der fchlimmfien Kriegs- und Nachkriegsjahre erreicht. Von den rund 95,000 deutfehen Buch
druckergehilfen waren in den letzten Monaten des Jahres, alfo zur Zeit der fonfi guten Gefchäftslage im Gewerbe, nahezu 20,000 arbeitslos. Dazu kommt noch eine hohe Zahl von verkürzt arbeitenden
Gehilfen. Im fchweizerifchen Buchdruckgewerbe erreichte die Arbeitslofenzahl Ende Oktober mit 248 den Höchfifiand des Jahres, ging Ende November auf 231 zurück und fland am Ende des Jahres auf 203. Eine auffallende Erfcheinung iff die unverhältnismäkig hohe Zahl der fiellenlofen Buchdruckmafchinenmeifler (am Ende des Jahres 58).
Für eine zutreffende Beurteilung der Gefchäftslage im Buchdruckgewerbe der Schweiz fehlen im allgemeinen fichere Anhaltspunkte, doch ifi aus dem fich verfdiärfenden Konkurrenz
kämpfe zu fchlieken, dak auch unfer Gewerbe von der wirtfehaftlichen Krifis ergriffen ifi. Die Klagen über Unterbietung der Preis
ordnung mehren fich, es macht zweifellos groke Mühe, Arbeit herbeizufchaffen, um den Fortgang der Betriebe zu fichern. Preis
unterbietungen find indeffen das untauglichfie Mittel, der rückläufigen Konjunktur zu begegnen, fie fchädigen nur das Gewerbe im allge
meinen und führen zu Krifen im eigenen Gefchäft. Die Möglichkeit,
fich im Wettbewerb zu behaupten, liegt einmal in der Steigerung der Arbeitsqualität und in der Zufriedenflellung der Kundfchaft hinfichtlich gewilfenhafter Erledigung der Aufträge und Einhaltung der Lieferfriffen. Es wird auch dann noch fchwer halten, den wachfenden Anfprüchen zu genügen. Die Wintermonate bedeuten für das Buchdruckgewerbe im allgemeinen die „firenge Zeit“, und wenn diefe fchon krifenhafte Erfcheinungen zeigt, fo fleht zu be
fürchten, dak der Wettbewerb in der folgenden flauen Zeit kraffe Zufiände im Konkurrenzkämpfe zeitigen dürfte. Die Einhaltung der preistariflichen Durchführungsbefiimmungen iff fomit eine der felbfiverfiändlichffen Forderungen der Zeit. In diefes Kapitel gehört auch die in der Preisordnung niedergelegte Meldepflicht, die, wie aus den Berichten der Berechnungsffellen hervorgeht, nur von einem kleinen Teil der Vertragstreuen Buchdruckereien eingehalten wird, die groke Mehrheit zählt fomit zu den Verneinern diefer in der Preisordnung niedergelegten obligatorifchen Vorfchrift. Die Meldepflicht bildet feit Jahren das Sorgenkind der beruflichen Organe, und doch ifi die Erfüllung diefer Pflicht eine der not
wendigen Vorausfetjungen für das erfolgreiche Funktionieren der Preisordnung im Buchdruckgewerbe. *
Die Zunahme der Zahl der Buchdruckereibetriebe und der Drucknafchinen läkt indeffen darauf fchlieken, dak fich die Entwicklung les Buchdruckgewerbes immer noch in aufffeigender Linie bewegt;
° iß die Zahl der Buchdruckereien der Schweiz im Jahre 1929 von 397 im Vorjahre auf 1032 angefiiegen. Der Stand des Buchdruck
Mafchinenparkes der Schweiz ergibt fleh aus nachfiehenden Ziffern (die beigefe^ten Ziffern in Klammern find diejenigen des Vorjahres): Schnellprelfen 1960 (1844), Tiefdruckprelfen 59 (46), Tiegeldruckautomafen 257 (174), Tiegeldruckpreffen 1387 (1316), Rotationsmafchinen 151 (128), Einlegeapparate 802 (725), Sekmafchinen: Linotype (inkl. Intertype und Linograph) 635 (592), Typograph 210 (212), Monotype-Tafiapparate 150 (135), -Giekinfirumenfe 112(108), Stereotypiemafchinen: Mafrizenprägepreflen 69 (70), Kalander 52 (55), Giekmafchinen 57 (51), Rund- und Flachgiekinfirumenfe 207 (195).
Die Zahl der Druckmafchinen in Deutfchland ifi nach dem letjfen Berichte der Deutfehen Buchdrucker-Berufsgenoffenfchaft von 41,449 im Jahre 1928 auf 43,377 im Jahre 1929 angefiiegen. Aus der Statifiik ergibt fich, dak die Zahl der Schnellprelfen nicht im gleichen Make gewachfen ifi wie die der Rotationsmafchinen und der Tiegeldruckpreflen. Bei den Rotationsmafchinen betrug die Steigerung von 1913 auf 1929 46,9 °/o, bei den Tiegeldruckpreffen 74,6°/» und bei den Schnellpreffen nur 27,8 °/o. In welcher Weife die Produktion mit der Vermehrung des Mafchinenparkes Schrift gehalten hat, läkt fich allerdings nur fchwer erfaffen, doch wird man nicht fehl gehen in der Annahme, dak dies in bedeutendem Make der Fall fein muk, wenn man berückfichtigf, dak ein groker Prozentfab der neuen Mafchinen auf die fchnellaufenden und automatifchen Preffen entfällt, womit eine Produkfionsvermehrung fich von felbfi ergibt.
Im Jahre 1929 führte die Schweiz 12,858 q Buchdruckereiund Buchbindereimafchinen im Werte von Fr. 5,995,000.— ein, die Ausfuhr belief fich auf 13,777 q im Werfe von Fr. 4,866,000.—. (Im Jahre 1928 waren es 13,080 und im Jahre 1913 10,476 q.) Aukerdem wurden 1929 19,708 q Papiermafchinen ufw. eingeführt (im Jahre 1928 waren es 13,707 und im Jahre 1913 12,901 q).
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Auf lohntariflichem Gebiete nahm im verfloffenen Jahre die Revifion des Gefamtarbeitsvertrages für das fchweizerifche Buchdruckgewerbe das Intereffe der Fachkreife in Anfpruch, nachdem feitens des Schweizerifchen Typographenbundes der Gefamtarbeitsvertrag am 22. Februar 1930 gekündigt worden war. Die erfie Seffion der Verhandlungen zwifchen dem Schweizerifchen
Buchdruckerverein und dem Typographenbund dauerte vom 20. Juni bis 5. Juli und fie wurden in einer zweiten Seffion in den Tagen vom 18.—22. Augufi auf dem Bürgenfiock zu Ende geführt. Die Ver
handlungen für die Erneuerung des Gefamtarbeitsvertrages fianden im Zeichen der rückläufigen Konjunktur, von der auch das Buch
druckgewerbe bereits ergriffen war, und es iff in Anbetracht der Zeitumfiände nur natürlich, dak die Verhandlungen mit einem Kompromik endeten. Ueber den Rahmen des abgelaufenen Vertrages hinausgehende materielle Forderungen konnten in An
betracht der prekären Wirtfchaftslage keine Verwirklichung finden, andrerfeits iff der Gehilfenfchaft der bisherige Stand in der Lebenshaltung erhalten geblieben.
Der „Gefamtarbeitsvertrag zwifchen dem Schweizerifchen Buchdruckerverein und dem Schweizerifchen Typographenbund“ hat eine vor
läufige Gültigkeitsdauer bis 31. Augufi 1933. Die Vertragsparteien haften für die Einhaltung des Gefamtarbeitsvertrages innerhalb ihrer Organifationen. Vertragsverlehungen berechtigen den verlebten Teil, je nach der Schwere des Falles, beim Schiedsgericht die fofortige Auflöfung des Ver
trages aus wichtigen Gründen oder die Ausfällung einer Konventionalfirafe anzubegehren. (Als Sicherheit für richtige Vertragserfüllung hinterlegt jede Vertragspartei bei der Schweizerifchen Nationalbank eine Garantiefumme von 25,000 Franken.)
Die vom Buchdruckerverein angefirebte Friedenspflicht hat in nachfiehendem Paifus ihren Ausdruck gefunden: „Die Vertragsparteien unter
ließen fich hinfichtlich aller durch den Vertrag fowie der weiteren, zwifchen ihnen getroffenen Vereinbarungen der vollfiändigen Friedenspflicht. Es find demgemäk alle einfeitigen Gefamt- oder Teilmaknahmen vertragswidrig, die fich gegen denBefiand oder die Anwendung des Vertrages oder weiteren Vereinbarungen richten. Es foll aber beiden Parteien nicht verunmöglicht fein, ihre Standesfolidarifät zu erfüllen. Sie verpflichten fich jedoch, in allen Fällen dahin zu wirken, dak die Ausgabe von Zeitungen aller Richtungen aufrechterhalten werden kann.“