DIE ZEITUNG VON AUSSEN.
Von außen? Gewiß. Ich möchte nicht von dem Inhalt sprechen, von der Zweckmäßigkeit oder Richtigkeit diefer Einftellung oder jener Richtung, die fleh aus dem Textteile der Zeitung ergeben. Was zur Debatte fleht, ifl das Gewand der Zeitung, das fleh dem Lefer darbietet und ihm vertraut wird. So vertraut, daß er — mag er noch fo wenig Sinn für Druck und graphifche Ausführungen haben — fiu^ig wird bei einer Änderung der Blafteinteilung oder bei Verwendung anderer Schriftcharaktere.
Es ifl nur natürlich, wenn wir bei krififcher Betrachtung diefes Äußeren, welches das Gewand für mehr oder minder guten und be
gehrten Inhalt ifl, bei dem Kopf der Zeitung verweilen. Uber ihn allein ließe fleh ein Auffatj fchreiben. Von den Anfängen des Zeitungswefens an betrachtet, hat er fleh bei zunehmender Verkürzung des Namens zu dem gewandelt, als das wir ihn heute in mannig
fachen Variationen vor uns haben. Nicht immer zu feinen Gunflen, wenngleich nicht abzufireiten ifl, daß in der heutigen Zeit des Tem
pos und der Zeifverknappung gewiß Zeitungsnamen berechtigt find, welche die einfache Bezeichnung „Zeitung“ nur durch den Ortsnamen oder fonfi einen geographifchen Begriff ergänzen. Es ifl erklärlich, daß die Entwicklung der Zeiten auch an den Zeitungs
titeln nicht vorüber gehen konnte, nachdem die Sprache felbfi fo viele Wandlungen durchmachen mußte.
Es ifl ein weiter Weg von den Meßrelationen vergangener Jahrhunderte bis zu unferen heutigen Verlagserlcheinungen, die fchon aus werbepfychologifchen Gründen auf Kürze, auf Schlagkraft und Originalität des Zeitungsnamens fehen mülfen. Und fo herricht denn tatfächlich diefe Kürze vor. Sie wird immer bemerkbarer bei Neugründungen von Zeitungen und fonfiigen periodilchen Verlagserfcheinungen, welche die Vorteile eines kurzen einprägfamen Na
mens genießen wollen. Hinzu tritt nun noch das Bemühen, den Kopf auch graphifch wirken zu laffen, wobei daran gedacht werden muß, daß in immer fleigendem Maße der Straßenverkauf von Be
deutung wird. Und wie das Titelblatt einer illuflrierten Zeitfchrift von Einfluß auf die Verkaufsziffer der jeweiligen Nummer ifl, fo ifl auch bei der Tageszeitung die graphifche Schlagkraft des Titels (nicht nur immer der Artikel-Uberfchriften!) von Bedeutung. Der aufmerkfame Beobachter wird die Bemühungen vieler und nam
hafter Verlage in den lepten Jahren nicht überfehen haben, auch die Köpfe ihrer Zeitungen wirkfamer zu geflalten. Sei es nun, daß der Name ohne Veränderung des Schriftcharakters einfach auf die zur Verfügung flehende Breite vergrößert wurde oder fei es, daß
der ganze Kopf eine Umgeffaltung erfuhr, die auch eine Korrektur des Titels felbfi mit fleh brachte.
Dies von dem Zeitungsnamen felbfi. Neben dem eigentlichen Titel weil? nun aber der Kopf noch weitere Daten und Mitteilungen auf, die gut angeordnet fein mülfen. Laufende Nummer der Aus
gabe, Jahrgang, Datum, Verkaufspreis, ob Morgen-, Mittags- oder Abend-Ausgabe, das find einige der wichtigfien Daten, die man immer an derfelben Stelle fucht und die trof; dem Befireben, den Raum für den Kopf auf das Mindefte zu bemelfen, in das Auge fpringen mülfen. Mindefiraum, fagte ich. Es gibt keine Vorfchriften darüber, wie weit man — an der Höhe der ganzen Seite gemeffen
— den Kopf ausdehnen kann. Immerhin fcheint es, als ob felbfi der goldene Schnitt hier nicht das richtige trifft. Auf die Einteilung der Kopffeite angewendet, würde ein gefälliges Verhältnis eher 1
zu 4 fein, es würde auch das weitefigehende fein, weniger für den
Kopf ifl beffer. Fafi fcheint es, als ob der niedrige Kopf mehr an Boden gewinnt; befiimmt ifl dies der Fall bei den großen Zeitungs- Formaten, die fleh ausländifchen Mufiern anpalfen und niedrigere,
alfo breitlaufende Köpfe haben. Dabei denke ich vorzugsweife an die haupt- und großfiädtifchen Zeitungen, die mittleren, die Blätter der Provinz treten in diefer Beziehung weniger „ umfiürzlerifch “ hervor, wenngleich fleh auch bei ihnen ein gewiffes Befireben gel
tend macht, eine Neugeflaltung der ganzen Zeitungseinteilung (Spaltenzahl, Beilagen, Rubriken) durchzuführen. Am wenigflen ifl — leider — bei den kleinfien Blättern ein folches Bemühen fefl
zuflellen und wer — rühmliche Ausnahmen befiätigen die Regel — zufällig ein um 10 oder 20 Jahre älteres Exemplar mit einer neue
ren Ausgabe diefer Zeitungen vergleichen kann, wird wenig von Auswirkungen der fiändig fortfehreitenden Entwicklung auf das Gewand der Zeitung bei ihnen bemerken.
Gehen wir weiter bei unferer Befrachtung des Zeitungsgewandes, fo kommen wir an den Texfteil. Wir fehen feine Einteilung, die gegenüber der Vorkriegszeit infofern eine Umgeflaltung erfahren
hat, als die Hervorhebung der Uberfchriften und die Benupung fetterer und größerer Schriftgrade zugenommen haben. Dabei fpielt auch die Verwendung der fog. „ Käfichen “ eine Rolle und das Beflreben, die ganze erfle Seite nicht mit einem langen Artikel völlig auszufüllen, fondern in einer beflimmten Spalte nur den Anfang zu geben und auf die Fortfetjung in weiteren Teilen der Zeitung zu verweifen. Damit wird gleich ein Übergang gegeben, welcher einer aufmerkfameren Durchfichf des übrigen Teiles der Zeitung förder
lich ifl. Die erfle Seite — das „Schaufenfier“ — weif? durch diefe Handhabung eine Vielgeflaltigkeit an Artikeln auf. Es drängt fleh hier eine größere Zahl an Nachrichten zufammen, welche dem Lefer bzw. Käufer den Inhalt lebendiger erfcheinen lalfen. Was die Käfichen-Verwendung betrifft, fo muß dabei auch gleich der Eintei
lung der Seifen in eine beflimmte Spaltenzahl gedacht werden. Es ifl verfländlich, daß Seiten mit vielleicht nur drei Textfpalten weniger Gelegenheit zu einem folchen Aufbau geben. Vier Spalten find fchon beffer, denn dann hat man bei den innen liegenden zwei Spal
ten gute Gelegenheit zum Bauen. Am beflen wirken meiner Anficht nach Seifen mit einer noch größeren Anzahl Spalten, die — last not least — wegen ihrer nicht zu breiten Zeilen auch viel leichter gelefen werden; man findet den Anfang der nächflen Zeile fchneller. Der Lefer wird fleh bei breiten Spalten — befonders komprelfen Satzes — viel eher ermüden.
Etwas, was früher nicht fo flark hervorgetreten ifl, find die Beilagen. Nicht, als ob über die meifien darin behandelten verfchiedenen Gebiete nicht auch fchon früher gefchrieben und berichtet worden wäre, nein, die Einteilung ifl eben durch die mehr oder minder periodifch erfcheinenden Beilagen betonter geworden. Die Frage ifl nur die, ob diefe oftmals allzu fiarke Betonung richtig ifl. Ob es nicht oft beffer fein dürfte, durch Befchränkung auf wirkliche Spezialgebiete (z. B. Handel, Sport, Radio etc.) einen vielgeflalfigeren und fomif kurzweiligeren Inhalt im Haupfblaff felbfi zu bieten. Hier wird eine fcharfe Grenze zu ziehen natürlich unmöglich fein. In diefem Zufammenhang fei gleich der „Sonder“-Beilagen gedacht, die man in zunehmender Fülle findet, wobei fehr oft Anläffe der unmöglichfien Art als Vorwand dienen mülfen. Kein einfichtiger Lefer oder Inferent wird etwas finden gegen das Befireben, eine textliche Behandlung wirklich intereffierender oder aktueller Dinge und Pro
bleme mit einer gefchickten Auswertung des Anzeigengefchäftes zu verbinden. Der fpringende Punkt aber ifl: Maß für Maß. Sieht eine Sonderausgabe oder -beilage allzufehr danach aus, als ob fie an den Haaren herbeigezogen wurde, fo fchadet diefer Eindruck der Zeitung und eine öftere Wiederholung folch wenig begründeter Beilagen flumpft ihre Wirkung ab, in propagandifiifcher und finanzi
eller Hinfichf. Der Inferent merkt die Abfichf und — ifl verfiimmt, eine Verfiimmung, die fich in einer fparfameren Vergebung der Aufträge auswirkt.
Uber das Problem, ob für den Textteil beffer Fraktur oder Antiqua zu verwenden fei, ifl fpeziell in den letzten Jahren fehr viel
debattiert worden. So oft und viel, als daß es vorteilhaft wäre, diefes wichtige Problem im Rahmen diefer Ausführungen nur mit wenigen Worten zu unterfuchen. Das „Dawider“ und das „Dafür“ werden beide manches ins Feld führen können, das Berechtigung hat und gewiß ifl diefes Problem bei der Vielgeflaltigkeit der Prelfe, bei der Eigenart und Zufammenfepung ihrer Lefer und bei der Spezialifierung vieler Blätter nicht mit einem Schlage zu löfen. Ein Befchluß oder eine Verfügung, bei allen Zeitungen — großen und kleinen — fofort alles auf Antiqua umzuffellen, würde ein Ubergehen alles deffen bedeuten, was fich heute im geiffigen und künfilerilchen