SCHWEIZER
GRAPHISCHE MITTEILUNGEN
MONATSSCHRIFT FÜR DAS GRAPHISCHE KUNSTGEWERBE
REDAKTEUR UND HERAUSGEBER: AUG.MÜLLER - DRUCK: BUCHDRUCKEREI ZOLLIKOFER & CIE. ST.GALLEN
Die „Schweizer Graphifchen Mitteilungen“ erfcheinen monatlich einmal. — Abonnemenfspreis per Halbjahr bei direkter Zellteilung inklufive Porto für die Schweiz Fr. 6.— (mit Schubkarton Fr. 7.—), für die Länder des Weltpoflvereins Fr. 7.50 (unter Kuvert mit Schubkarton Fr. 9.—). — Bei einem Poftbureau in Deutfchland befiellt per Halbjahr RM. 5.80 (unter Kuvert mit Schubkarton RM. 6.70) zuzüglich Beflellgebühr. — Durch den Buchhandel in Deutfchland Fr. 9.— per Halbjahr. — Inferate 40 Cts. die Petitzeile. Bei Wiederholungen Rabatt. Beilagen nach Übereinkunft.
JULI 1931 * * SIEBENTES HEFT * * 49. JAHRGANG
SKIZZIEREN - EINE NOTWENDIGKEIT!
In der zeitgemäßen Typographie, die lieh dank des gefunden Geifies im Gewerbe von den abfirakten Formen des Konfiruktivismus freigemacht hat (obwohl gewilfe „Kämpfer“ durch Böden und Wände behauptet haben, der Stil der neuen typographifchen Ausdrucksform ifi und bleibt der Konfiruktivismus), ifi die Aufteilung der Fläche und die Schriftgradwahl für die Wirkung entfeheidend. Der Sinn der neuen Typographie liegt nicht in den dicken Balken, Kreifen und Quadraten, die vieler
orts heute noch mit Vorliebe angewendet werden. Die neue Typographie will, wie die neue Architektur, der Ausdruck unferer Zeit fein. Mit einfachen Mitteln ein dem Wefen und Zweck der Druckfache entfprechendes Gepräge geben, das nicht den höchfien künfilerifchen, aber wenigffens allen praktifchen Forderungen genügt.
Das gute Ausfehen einer Gefchäftskarte oder eines Briefbogens hängt nicht davon ab, ob ein Signet oder eine Vignette dazu gefegt oder gefchnitten wurde oder ob nur Grotesk zur Anwendung kam. Man kann mit jeder Schrift zeitgemäß arbeiten und erzielt auch ohne die heute fcheinbar fo modern gewordene Bildhauerei wirkfame Druckfachen, wenn der Seßer die beiden wichtigfien Punkte in der typographifchen Gefialtung — Flächen
aufteilung und Schriftgröße — hinreichend berückfichtigt. Vorausfeßung für ein erfolgreiches typographifches Schaffen ifi die Fähigkeit, einen gegebenen Text zweckmäßig und anfprechend zu gruppieren und damit eine Fläche wirkfam zu gefialten.
Um fleh die Fähigkeit für zweckmäßige und fchöne Gruppierung anzueignen, um das Aufteilen der Fläche zu erlernen, gibt es einen ficheren Weg, der zum Ziele führt: das Skizzieren.
Nicht durch Überlegen, auch nicht durch Lefen einfehlägiger Fachliteratur kann man fich die nötige Routine aneignen, fondern nur durch fietes üben und viele Verbuche wird das Auge fo gefchult, daß man von Anbeginn der Arbeit deutlich erkennt, wie die Fläche des Papiers geflaltet werden muß, um dem ge
gebenen Text die eindringlichfie und nachhaltigfie Wirkung zu verfchaffen. Dann wird man auch fofort erkennen, welche Form
die befie ifi. Daß für die Gefialtung die Art der Arbeit und der
Umfang des Wortlautes befiimmend ifi, daß man eigene Ideen haben muß und nicht nur Vorlagen aus Fachzeitfchriften und Schriftgießereiproben nachgebaut werden dürfen, wenn die Aufgabe gut gelöfi werden foll. Nur wer über eigenes Können verfügt, wird imfiande fein, diejenige Druckfache zu fchaffen,
die für den jeweiligen Zweck benötigt wird. Es ifi falfch, für jeden Text ein und diefelbe Saßanordnung zu wählen und durch Abkürzungen, fchlechte Trennungen und dergleichen eine befiimmte Form zu erzwingen. Der Seßer muß erkennen, ob fich für den vorliegenden Text die Anordnung in die Mitte eignet oder ob fich diefer beffer in verfchränkter Form feßen läßt. Nicht jeder Text eignet fich für die heute fo häufig angewendete afymmetrifche Form. Noch lange nicht alle Druckfachen
in diefer Art find zweckmäßig und fchön. Die Placierung der Zeilen und Gruppen an den äußerfien Papierrand gibt oft der Druckfache ein nüchternes und ödes Ausfehen. Für Reklame
druckfachen wird fich die afymmetrifche Anordnung, unter Berückfichtigung der gegenfäßlichen Wirkung von Schwarz und Weiß, gut eignen. Dagegen wird auf Familien- und Fefldruckfachen, wo man eine gewiffe Stimmung nicht entbehren will, eine ungezwungene und lockere Saßanordnung dem Zwecke beffer entfprechen. Deshalb ifi es notwendig, daß der Seßer bei jeder Arbeit fein eigenes Können zeigt, fich nicht an befiimmte Vorlagen hält und fowohl die ältere wie die neue Saßart beherrfcht. Um dies zu erreichen, ifi befiändige Übung im Entwerfen unerläßlich.
Man entwerfe mit Kohle oder mit dem Bleifiift auf einfachem Papier, das auf die richtige Größe zugefchniften ifi, und benüße
nicht ein beliebiges Format. Auf demfelben ifi die Gruppierung fowie die Gliederung in die verfchiedenen Grade anzudeuten und zu verfuchen, den gegebenen Text in eine zweckmäßige und fchöne Form zu bringen. Dabei ifi auf die vorteilhafte Verwertung der Leerräume zu achten, um eine ausdrucksvolle Flächenwirkung zu erhalten. Der oft erhobene Einwand, das Skizzieren fei zwecklos, weil das Saßbild doch nicht der Skizze entfprechend ausfalle, ifi unangebracht. Der erfahrene Akzidenzfeßer hat längfi erkannt, daß der Erfolg der guten Arbeit in der vorherigen Raumaufteilung liegt. Er arbeitet an Hand einer Skizze rafcher und ficherer. Mit Recht fagt man von einem nicht befriedigenden Saßbild, dem keine Skizze zugrunde lag, es fei planlos gefeßt. Das Skizzieren ifi außerdem die befie Schulung, um fich ein feines Empfinden für Formgefialtung anzueignen, auf Grund deffen die Herfiellung infereffant wirkender Druckfachen keine Schwierigkeiten bereifet.
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Auf einer Beilage geben wir zwei Gefchäftskarten mit gleichem Text in verfchiedener Ausführung. Während der Seßer des erfien Beifpiels ohne Skizze arbeitete, wurde beim zweiten Beifpiel die Raumaufteilung und die Gliederung des Textes zuerfi auf dem Papier vorgenommen. Dadurch wurde denn auch eine wefentlich beffere Wirkung und ein gefälliges Arrange
ment erzielt gegenüber der erfien Löfung, wo die Klarheit in der Anordnung fehlt, die Schrift in dem durch die Einfaffung unnötig begrenzten Raum zu groß ifi und zu nahe am Orna
ment fiehf. Die verfchieden breiten Zeilen geben der Karte ein unruhiges Ausfehen, und die zwei Cicero breite Linie unterhalb „St. Gallen“ wirkt unfehön. Das zweite Beifpiel da
gegen zeigt eine zweckmäßige und fchöne Gruppierung des Textes und wirkt durch gefchickte Aufteilung der Fläche. Die richtige Schriftgradwahl trägt viel zum guten Ausfehen bei. Statt der Grotesk hätte ohne Nachteil für die Gefamtwirkung auch eine Antiqua verwendet werden können. Außerdem enthält auch diefe Nummer einige effektvolle Reklamedruckfachen. E. P.