SCHWEIZER
GRAPHISCHE MITTEILUNGEN
MONATSSCHRIFT FÜR DAS GRAPHISCHE KUNSTGEWERBE
REDAKTEUR UND HERAUSGEBER: AUG. MÜLLER - DRUCK: BUCHDRUCKEREI ZOLLIKOFER & CIE. ST. GALLEN
Die „Schweizer Graphifchen Mitteilungen“ erfcheinen monatlich einmal. — Abonnementspreis per Halbjahr bei direkter Zufiellung inklufive Porto für die Schweiz Fr. 6.— (mit Schufjkarfon Fr. 7.—), für die Länder des Weltpofivereins Fr. 7.50 (unter Kuvert mit Schufjkarfon Fr. 9.—). — Bei einem Poftbureau in Deutfchland beflellt per Halbjahr RM. 5.80 (unter Kuvert mit Schufjkarfon RM. 6.70) zuzüglich Befiellgebühr. — Durch den Buchhandel in Deutfchland Fr. 9.— per Halbjahr. — Inferate 40 Cts. die Petifzeile. Bei Wiederholungen Rabatt. Beilagen nach Übereinkunft.
AUGUST 1931 * * ACHTES HEFT * * 49. JAHRGANG
DAS PHOTO IM WERBEDIENST DES PLAKATES.
Der photographiert, hat mehr vom Leben! In diefem Werbefafe liegt neben der auf den Lefer ausübenden fuggefiiven Werbewir
kung die reine Wahrheit im tieffien Sinne
begründet. Wie viele Schönheiten in der Natur, an denen wir fonfi achtlos vorüber
gehen, werden uns erfi durch die Photo
graphie zum Bewubtfein gebracht. Das Leben in feinem wechfelvollen Spiel bietet zu viele Begeben
heiten, die uns wertvoll erfcheinen, als dab wir fie alle mit den Augen erfalfen und vor allem eindringlich im Gedächtnis fefihalten könnten. Wir bedürfen deshalb zur Unterffüfeung des Gedächtniffes der Photographie. Photographieren ifi nicht nur eine intereffante Befchäftigung, ein bequemes Mittel, um fchöne Bilder zu fchaffen, nein, durch das Photo können auch Bilddokumente von grobem Wert gefchaffen werden.
Gerade in der praktifchen Anwendung, nämlich durch die unübertreffliche bildliche Ausdruckskraft, durch die naturgetreue Imitation, ifi das Photo fo recht geeignet, ein neues Ausdrucks
element in der neuen, immerhin noch jungen typographifchen Kultur darzuffellen. Darum hat lieh innerhalb der kurzen Zeit feines Eindringens in die Inferate, Profpekte und Kataloge das Photo erklärlicherweife zu einem unentbehrlichen Faktor ent
wickelt und iff aus diefen Druck-Erzeugniflen gar nicht mehr wegzudenken. Es iff auch kein Wunder, denn die reizvollfien und intereffantefien typographifchen Löfungen können in Ver
bindung mit dem Photo gefchaffen werden. Nicht nur, dab die einwandfrei gearbeitete Photodruckfache angenehm auffällt, nein, auch die Werbewirkung wird erhöht, denn allein durch
die bildliche Darfiellung kann der Befchauer fchon fehen, was die Druckarbeit zu fagen hat.
Eigenartigerweife fcheinen die Vorzüge, die das Photo als Bereicherung der Ausdruckskraft im typographifchen Safebild
darfiellt, nur für die obenerwähnten Druckfachen zuzutreffen und nicht für das Plakat. Warum wird neben dem Linolfchnitt und der Zeichnung nicht auch das Photo als das neueffe und vor allem wohl das eindringlichfie Ausdrucksmitfel in den Werbedienff des Plakates gefiellt ? Hie und da tauchen wohl vereinzelt Phofoplakafe auf, äuberff frappant in der Aufmachung und fehr
fchön wirkend durch die Photographie. Vorteilhaft heben fie fich an den Anfchlagfäulen und -tafeln aus ihrer Umgebung heraus. Trofedem find es ihrer verfchwindend wenig im Ver
gleich zu den technifch anders ausgeführten Plakaten. Das geldliche Moment kann doch kaum eine grobe Rolle fpielen,
denn für etwas mehr als den Preis eines gezeichneten und dann geäfeten oder gefchnittenen Buchdruckplakates hat man auch ein in Autotypie oder Kupfertiefdruck hergefielltes Photoplakat. Gerade das Plakat, das als das wuchtigfie und werbekräftigfie Element in den Dienff der Reklame gefiellt gilt, braucht das photographifche Bild. Das Photo in der Hervorfretung fchärfffer Einzelheiten, in feinem reizvollen, originellen Spiel
zwifchen Schwarz und Weib, als Photomontage mit- und ineinander verbunden, labt uns die Wirklichkeit ganz anders fehen als es das blobe Auge vermag. Durch einen gefchickt vorgenommenen Bildausfchnitt kann das Hervorzuhebende
noch kräftiger betont und plafiifcher gefialtet werden. In der ungewöhnlichen Betonung einer Anficht von der Seite, oben oder unten her, liegt ein verblüffend eigenartiger Reiz, deflen
einprägfamer Wirkung fich wohl keiner entziehen kann. Neben den reinen Schriftplakaten, den gezeichneten und Linolplakaten, die entweder durch gut in den Raum gefiellte Schrift oder in Farbe und Form einwandfrei gearbeitet, die Werbetrommel in leifen und lauteffen Tönen erfchallen laßen follen, hat das Photoplakat den Vorzug der reproduzierenden Wirklichkeit. Diefe vom Photographen erfabte und auf der Platte feffgehaltene Wirklichkeit ifi gleichbedeutend mit lebendigem Rhythmus, den das Plakat nötig hat, um im Befchauer gleichzeitig mit dem Lefen das Verlangen nach dem Befife des Angepriefenen zu erregen. Das Plakat iff vielleicht das dankbarfie Anwendungs
gebiet für die Photographie. Gleichfam als Blickfang für das an der Anfchlagfäule hängende Plakat geltend, lenkt fie die Blicke des Vorübergehenden auf fich und bewegt ihn dazu, das Plakat zu lefen. Je deutlicher fich die bildliche Darfiellung uns offenbart und je origineller das Motiv, defio weniger erläuternden Text braucht das Plakat, und das iff heute von Vorteil.
Bei zu arbeitenden Photoplakaten, wo vorhandener reichlicher Text unentbehrlich ifi und mit auf das Plakat gebracht werden foll, hängt es immer von der Gefchicklichkeit des Sefeers ab, den Text unaufdringlich eindrucksvoll zu gruppieren. Vollfiändig verfehlt wäre es, trofe des Photos mehrere Schlagzeilen fich gegenfeitig überfchreiend anzubringen. Ausgefchloffen kann die Photographie auf derartig gefialteten Plakaten wirken. Auch wird das Gefamtbild in feiner Wirkung im höchfien Mabe be
einträchtigt werden. Ifi beifpielsweife auf einem Plakat fchon das Photo in Autotypie- oder Tiefdruck vorgedruckt und der Text foll in Buchdruck nachgedruckt werden, dann ifi es für den Sefeer weniger fchwierig, eine gute Textverteilung vorzunehmen. Sehr leicht kann er auf vorgedruckte Makulaturbogen mit Kohle und farbiger Pafiellkreide entfprechend flüchtige Safefkizzen machen. Von einiger Entfernung aus gefehen, geben diefe proviforifchen Plakatentwürfe fchon ein anfchauliches Bild über das
Gefamtausfehen. Es fällt nun nicht fchwer, den beffen Entwurf herauszufuchen und von diefem ausgehend in verhältnismäßig kurzer Zeit den Text fertigzufiellen. Es ifi irrig, zu glauben, dab das Photoplakat nur in fetter Schrift ausgeführt fein mub, um feinem Reklamezweck gerecht zu werden. Auch durch edel
gefchnittene Schriften, die fich gut in das Gefamtbild einfügen, kann werbender Eindruck erweckt werden. Die Photographie allein bürgt noch nicht für die Qualität des Plakates. Nur die abfolute Beherrfchung des typographifchen Geffaltens vereint mit dem Willen zur Qualitätsleiffung gibt die Gewähr für das gut wirkende, zeitgemäße Photoplakat. Rud. Franke.