ZEITSCHRIFT
FÜR
BÜCHERFREUNDE. Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.
Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.
6. Jahrgang 1902/1903. Heft 9: Dezember 1902.
Deutsche literarische Zeitgemälde, Parodien und Travestien.
Von
Dr. Hans Landsberg in Berlin.
I.
Luther sagt einmal: „Ich habe kein besser Werk denn Zorn und Eifer; denn wenn ich mal dichten, schreiben, beten und predigen will, so muss ich
zornig sein, da erfrischt sich mein ganz Geblüt, mein Verstand wird geschärft und alle unlustigen Gedanken und Anfechtungen weichen . . .“
Das ist der Geist, aus dem alle Satire geboren wird. Freilich, so stark ihre augenblick
liche Wirkung ist — tötet doch nichts so sicher als das Lachen: die Nachwelt bringt ihr wenig Interesse entgegen. Die Duellanten werden nur so lange mit Spannung verfolgt als der Zweikampf selbst dauert. Was sind uns heute die Southeys, gegen die sich Byrons heiliger Zorn wendet, was die fadenscheinigen Dichter der sogenannten schwäbischen Schule, die Heine geisselt, was endlich ist uns die schneidige Polemik des Aristophanes, die in einer fremden und entlegenen Kultur wurzelt? Nur wenn die Satire, wie bei Molière, bleibende Typen der Gattung Mensch trifft, setzen wir uns über das fremde Kolorit, das ihr anhaftet, leicht hinweg und empfinden sie als völlig gegenwärtig.
Besonders die literarische Satire setzt eine
so grosse Vertrautheit mit den Werken und der Persönlichkeit der streitenden Parteien voraus, dass sie notwendiger Weise nur einem beschränkten Kreise von Literaturfreunden ver
ständlich wird, und auch diese werden oft genug bedauern, welche Fülle von Geist und Witz in einem ziemlich nutzlosen Kampfe gegen Un
würdige verschwendet wird. Wir meinen, ein Epigramm hätte im Grunde dasselbe bewirkt, und der Dichter hätte besser gethan, seine Kraft der wirklichen Produktion zuzuwenden, als min
derwertige Geister zu befehden, denen die Zeit schon von selber den Garaus macht. Indes:
abgesehen davon, dass auch bei Dichtem oft das negative polemische Talent überwiegt, so folgen sie meist nur dem Triebe der Selbsterhal
tung, wenn sie unerbittlich die Schänder ihres Heiligtums bekämpfen, die geschickten Macher, die das Publikum so schlau zu ködern wissen.
Grade für den Psychologen ist das persönliche Eintreten des Dichters in diesen Schöpfungen von hohem Interesse. Literarische Satiren sind im eminenten Sinne Gelegenheitsgedichte.
Sie sind völlig bedingt durch die Stunde ihrer Entstehung, durch die literarische Konstellation, unter der sie das Licht der Welt erblicken.
Deshalb gewähren sie dem Literarhistoriker
nicht nur einen tiefen Einblick in den Charakter