zumindern und etwa den schweizerischen Kunstlichtern ein höheres Verständnis für die Poesie zuzuschreiben, als es der Leipziger Professor besass. Eine unendliche Tintenflut wurde in diesem gewaltigen Federkriege verspritzt. Nicht um
sonst. Der Sieg der Schweizer bewirkte, dass man den Dichter als solchen anerkannte und seine Kunst nicht mehr blos auf die „Nebenstunden“ des praktischen oder wissenschaft
lichen Lebens vertröstete. So ward Klopstock der erste Dichter von Beruf, der erste, der es in Deutschland wieder wagte, nur Dichter zu sein. Was Wunder, dass er die Würde des Barden allzu hoch einschätzte und dafür bald den leisen, feinen Spott Lessings erntete! Und Lessing selbst wird als Dichter von den gefühlsstarken Stürmern und Drängern und nicht zu
letzt von dem jungen Goethe wegen seiner Präcision im Denken und Fühlen etwas scheel ange
sehen. Goethe wieder erscheint der Romantik als — zu prosaisch-nüchtern. So überwindet in rascher Abfolge eine literarische Strömung die andere, und in den satirischen Denkmälern, die diesen Kämpfen gewidmet sind, spiegelt sich eine glühende, unserem Geschlechte fast unverständlich lebhafte Anteilnahme für solche Kunstfragen ab. Mit der Romantik, welche die polemische Satire zur höchsten Blüte ent
wickelt, endet das Interesse der breiteren Massen für literarische Angelegenheiten. Politik und soziale Fragen treten seither in den Vor
dergrund. So wenig sich die Parodien oder die literarischen Komödien bis heute erschöpft haben: sie existieren nur für einen engen Kreis von Liebhabern und Literaturfreunden.
Uns sollen diese literarischen Fehden wesentlich nur insoweit beschäftigen, als sie einen dramatischen Niederschlag gefunden haben. Sie sind nicht nur am ehesten an sich, auch ohne Kenntnis der travestierten Werke ver
ständlich, in ihnen tritt uns zugleich das litterarische Leben vergangener Epochen anschaulich und gegenständlich vor Augen. Eine Ab
trennung der eigentlichen Literaturkomödien, die eine ganze Richtung aufs Korn nehmen,
von den Parodien und Travestien einzelner Werke ist im Interesse des Gesamtbildes nicht rätlich.
Eine der ältesten deutschen Literaturkomödien ist die „Zweifache Poetenzunft“ des ehr
samen Zittauer Rektors Christian Weise. Sie wendet sich gegen den übertriebenen Purismus der damals altenthalben in Deutschland auf
tauchenden Sprachgesellschaften. Die vereinigte Tannenzapfen- (Anspielung auf die Strassburger „aufrichtige Tanengesellschaft“) und Narrenkol
benzunft hält eine erregte Sitzung ab. Hans Sachs, der vor seiner Ehrenrettung durch Goethe und die Romantik den deutschen gelehrten und standesbewussten Dichtern mehr als Schuhmacher denn als Poet erschien: Hans Sachs wird als erster unter ihren Heiligen ge
nannt. Zum Protektor erwählen sie den ihnen
nur par renommée bekannten Walther von der Vogelweide. Zum Schluss werden zehn Thaler für den besten Reim ausgesetzt. Darüber ent
steht eine solenne Keilerei. Der Dichter aber, der nie den Pädagogen verleugnen konnte, lässt sich also vernehmen: „Allda — weil nun die Jugend gar zu gern auf neue Händel mit Wör
tern und Buchstaben gehet, der die andern Realia noch zu wichtig scheinen, so gar, dass auch mancher in dieser lieblichen Raserei alles Studieren beiseite setzet, wenn er nur auch seinem eingebildeten Parnasso die Musen be
dienen, aber gleichwohl mit solchem Dienste keinen Heller verdienen kann, als wer die In
vention mit der Poetenzunft nicht so übel â propos . . .“
Mit Weise teilt der Ostpreusse Christian Wernicke den Hass gegen den Schwulst der zweiten schlesischen Schule, gegen die Pegnitz
schäfer, die Verachtung des Reimschmiedes Hans Sachs. Erbittert verglich der Hamburger Postei, rühmlichst bekannt in der Geschichte der deutschen Oper, den grossen Lohenstein mit dem toten Löwen, auf dem der Hase War
necke (sic) herumspringe. Der Angegriffene schrieb dawider ein
Heldengedicht Hans Sachs
in dem der Held Postei zu seinem Nachfolger erwählt. Bald hernach wurde Wernicke mit dem durch seine Lascivität berüchtigten
Christian Friedrich Hunold, dem eine Reihe scabröser,
lange Zeit Hoffmannswaldau zugeschriebener Gedichte gehören, in einen neuen literarischen Streit verwickelt. Hunold-Menantes schrieb eine Komödie gegen ihn:
Der Thbrichte Pritschmeister, Oder: Schwermende Poete, in einer lustigen Comoedie, wobey zugleich eine Critique Uber eines Anonymi