ZEITSCHRIFT


FÜR


BÜCHERFREUNDE. Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.


Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.


7. Jahrgang 1903/1904. Heft 7: Oktober 1903. Die Wiedergeburt des Holzschnitts.


Von
Dr. Max Osborn in Berlin.
I.
Man findet übereinstimmend in allen Ländern um die Wende des XVI. Jahrhunderts in der Xylographie denselben Zug: die Holzschnitte nehmen immer mehr den Charakter des Kupferstichs an. Das ist bezeichnend für die be
ginnende Epoche des Verfalls. Das Gefühl
für die echte Manier des Holzschnitts, für den eigentümlichen Ausdruck seiner Linien, für die besonderen Bedingungen seiner Technik schwindet nach und nach, und man versucht mit den untauglichen Mitteln des billigeren Holzstockes die teurere Kupferplatte zu er
setzen. Nur aus diesem Grunde wendet man sich im allgemeinen jetzt noch an die Xylographie. Denn das Bedürfnis, in der urwüch
sigen Sprache des Holzschnitts um ihrer selbst willen zu sprechen, geht allgemach verloren. Auf das tiefste hängt diese Wandlung des Geschmacks mit den allgemeinen Kulturverhält
nissen zusammen. Der Holzschnitt ist eine echt deutsche Kunst. Wenn es noch eines Beweises für diese Behauptung bedarf, so wird sie dadurch erbracht, daß mit dem Augenblick, wo Deutschland von der führenden Stellung im europäischen Völkerkonzert abtritt, auch der Holzschnitt seinen Sturz erlebt. Deutschland stand
im XVI. Jahrhundert geistig wie materiell, politisch wie wirtschaftlich auf einer Höhe, die wir erst in der allerjüngsten Zeit annähernd
wieder erreicht haben. Die Reformation findet Deutschland auf dem Gipfelpunkt jener Höhe.
Die unselige Zerrissenheit aber, die sich immer deutlicher als die Folge der kirchlichen Bewe
gung herausstellt, bricht seine Macht. In der Mitte des XVI. Jahrhunderts beginnen mit dem schmalkaldischen Kriege dieReligionskämpfe und inneren Zwistigkeiten, die dann im XVII. Jahr
hundert zu den alles verheerenden Stürmen des 30jährigen Krieges führen. Das deutsche
Volk beraubt sich durch diese Wirren selbst seiner Machtstellung, und die anderen Völker, die sich einer strafferen nationalen Konzentra
tion und religiöser Einigkeit erfreuten, rücken vor. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wo die Sonne Frankreichs auf Kosten des Nach
barn immer höher steigt; von dort her bezieht allgemach ganz Deutschland, ja ganz Europa seine Kultur. Deutschland aber wird von französischem Einfluß um so mehr überschwemmt,
als es in seiner geistigen Ohnmacht sich nicht dagegen wehren kann. Wir sehen schon bei Fischart den Beginn dieses Einflusses, der im XVII. Jahrhundert immer übermächtiger hereinbricht. Was man an literarischen und