mittelalterliche Gelehrsamkeit schuf in Sprache und Schrift ein internationales Band, das bei Erfindung der Buchdruckerkunst der Ver
breitung derselben höchst förderlich war (Abb.5). Die Buchdruckerkunst popularisierte die Wissenschaft, zerriss aber auch das einheitliche Schrift
system der Völker, und so konnte es geschehen,
dass sich in Deutschland die gotischen Züge erhielten, nachdem sie von den umwohnenden Völkern nach und nach gänzlich aufgegeben waren oder wenigstens nur noch teilweise als Zierschriften angewendet wurden.
Aus den mittelalterlichen Schreib typen haben sich verschiedene Gattungen entwickelt, die nach dem Sprachgebrauch der Drucker als Gotisch, Fraktur, Kanzlei, Schwabacher, Midolline benannt werden. In neuester Zeit hat das Streben nach Neubildungen eine Gruppe von
Schriften erzeugt, welche die Kennzeichen der anderen vermischen, sich teilweise auch den Antiquaformen nähern und passend als neu
deutsche Schriften bezeichnet werden können. Wenn wir im Nachfolgenden die Haupttypen der gegenwärtig gebräuchlichen Schriften des Pennalduktus zusammenstellen, so ist es billig, die Betrachtung mit der Gattung zu beginnen, die im engeren Sinne als „gotisch“ bezeichnet wird.
I. Gotisch. Abb. No. 9—34.1
Unter diesem Namen begreift man heute eine Anzahl von Schriften, die in ihren Formen sehr weit von einander abweichen und zum Teil die Urbilder, von denen sie den Namen führen, gar nicht mehr erkennen lassen. Das halbe Jahrhundert nach der letzten Säkularfeier
der Erfindung der Buchdruckerkunst ist auf den meisten Gebieten des Kunstgewerbes von wenig erfreulicher Erscheinung. Überall wird die Handarbeit durch die scheinbar allmächtige Maschine verdrängt; die Künstler verlieren das
Interesse an einer Technik, die den Reiz unmittelbarer menschlicher Arbeit vernichtet und entbehren zu können glaubt. Die allgemeine Verflachung des künstlerischen Empfindens hatte auch die Schrifterzeugung beeinflusst. Die Stempel
schneider waren wohl technisch vorzüglich durchgebildet, bei ihren Arbeiten verstanden sie es aber besser, dem nüchternen Geschmack der Zeit entgegen zu kommen als durch eigene Erfindung ihn zu verbessern. Das zeigt sich auch an den gotischen Schriften, die zu jener Zeit entstanden. Als charakteristisches Beispiel geben wir die von dem wohlbekannten Schriftgiesser Hänel, dessen Offizin heute unter dem Namen W. Gronau in Berlin floriert, in den 50er Jahren des XIX. Jahrhunderts ge
schnittene „Moderne Gotisch“ (No. 9) an. In gleichem Geiste arbeitete der in seinem Fach ebenfalls berühmte Johann Christian Bauer in Frankfurt a. M. in den 60er Jahren und sein Sohn Friedrich Wilhelm Bauer. Unter ihrem Namen blüht ihre Giesserei noch heute in an
derem Besitze. Von letzterem stammen die
unter No. 10 und 11 dargestellten „Accidenz- Gotisch“ und „Kourante Gotisch“, die in den 70 er Jahren geschaffen wurden. Diese viel verbreiteten und nach verschiedenen Richtungen variierten Schriftarten geben zwei abweichende Grundformen an. Zwar in den kleinen Buch
staben unterscheiden sie sich nur hinsichtlich der Breite und Fette, nicht aber hinsichtlich des Gerippes der Zeichnung. In den Majuskeln jedoch zeigt die Hänelsche Schrift eine reine Durchführung des Federduktus; in Ansatz, Druck und Absatz bleibt die Führung der Feder
Abb. 4. Irische (oder angelsächsische) Handschrift. IX. Jahrhundert. 1 Vergleiche die Schriftentafeln am Ende des Aufsatzes.
Abb. 5. Gotische Mönchsschrift vor Gutenberg.
breitung derselben höchst förderlich war (Abb.5). Die Buchdruckerkunst popularisierte die Wissenschaft, zerriss aber auch das einheitliche Schrift
system der Völker, und so konnte es geschehen,
dass sich in Deutschland die gotischen Züge erhielten, nachdem sie von den umwohnenden Völkern nach und nach gänzlich aufgegeben waren oder wenigstens nur noch teilweise als Zierschriften angewendet wurden.
Aus den mittelalterlichen Schreib typen haben sich verschiedene Gattungen entwickelt, die nach dem Sprachgebrauch der Drucker als Gotisch, Fraktur, Kanzlei, Schwabacher, Midolline benannt werden. In neuester Zeit hat das Streben nach Neubildungen eine Gruppe von
Schriften erzeugt, welche die Kennzeichen der anderen vermischen, sich teilweise auch den Antiquaformen nähern und passend als neu
deutsche Schriften bezeichnet werden können. Wenn wir im Nachfolgenden die Haupttypen der gegenwärtig gebräuchlichen Schriften des Pennalduktus zusammenstellen, so ist es billig, die Betrachtung mit der Gattung zu beginnen, die im engeren Sinne als „gotisch“ bezeichnet wird.
I. Gotisch. Abb. No. 9—34.1
Unter diesem Namen begreift man heute eine Anzahl von Schriften, die in ihren Formen sehr weit von einander abweichen und zum Teil die Urbilder, von denen sie den Namen führen, gar nicht mehr erkennen lassen. Das halbe Jahrhundert nach der letzten Säkularfeier
der Erfindung der Buchdruckerkunst ist auf den meisten Gebieten des Kunstgewerbes von wenig erfreulicher Erscheinung. Überall wird die Handarbeit durch die scheinbar allmächtige Maschine verdrängt; die Künstler verlieren das
Interesse an einer Technik, die den Reiz unmittelbarer menschlicher Arbeit vernichtet und entbehren zu können glaubt. Die allgemeine Verflachung des künstlerischen Empfindens hatte auch die Schrifterzeugung beeinflusst. Die Stempel
schneider waren wohl technisch vorzüglich durchgebildet, bei ihren Arbeiten verstanden sie es aber besser, dem nüchternen Geschmack der Zeit entgegen zu kommen als durch eigene Erfindung ihn zu verbessern. Das zeigt sich auch an den gotischen Schriften, die zu jener Zeit entstanden. Als charakteristisches Beispiel geben wir die von dem wohlbekannten Schriftgiesser Hänel, dessen Offizin heute unter dem Namen W. Gronau in Berlin floriert, in den 50er Jahren des XIX. Jahrhunderts ge
schnittene „Moderne Gotisch“ (No. 9) an. In gleichem Geiste arbeitete der in seinem Fach ebenfalls berühmte Johann Christian Bauer in Frankfurt a. M. in den 60er Jahren und sein Sohn Friedrich Wilhelm Bauer. Unter ihrem Namen blüht ihre Giesserei noch heute in an
derem Besitze. Von letzterem stammen die
unter No. 10 und 11 dargestellten „Accidenz- Gotisch“ und „Kourante Gotisch“, die in den 70 er Jahren geschaffen wurden. Diese viel verbreiteten und nach verschiedenen Richtungen variierten Schriftarten geben zwei abweichende Grundformen an. Zwar in den kleinen Buch
staben unterscheiden sie sich nur hinsichtlich der Breite und Fette, nicht aber hinsichtlich des Gerippes der Zeichnung. In den Majuskeln jedoch zeigt die Hänelsche Schrift eine reine Durchführung des Federduktus; in Ansatz, Druck und Absatz bleibt die Führung der Feder
Abb. 4. Irische (oder angelsächsische) Handschrift. IX. Jahrhundert. 1 Vergleiche die Schriftentafeln am Ende des Aufsatzes.
Abb. 5. Gotische Mönchsschrift vor Gutenberg.