François Boucher Frangois Boucher ist der Maler der lächelnden Schönheit,


der Maler des Zierlichen und Niedlichen.
Jugendliche Nymphen, die ihre zarten Füßchen in
den perlenden Wellen der kleinen Wasserfälle baden; junge Schäferinnen, welche halb furchtsam, halb erschrocken den stürmischen Liebesschwüren des Schäfers lauschen,
die, obwohl bereit, sich in seine Arme zu werfen, mehr Siegerinnen als Besiegte sind; zerstreut sich gebende junge Mädchen, welche die letzte Bewegung bereits vergessen zu haben scheinen, mit der der Liebhaber ihre Brust berührt und ihre Lippen geküsst hat; die in Mars verliebte Venus, die aber auch gern geneigt ist, ihren perlmutterartig schimmernden Leib dem schwer arbeitenden Vulkan zu zeigen und ihn mit verschmitztem Mundwinkel verführerisch anzulächeln; kleine Blumen
verkäuferinnen aus der Oper, kleine Händlerinnen von der Straße, niedliche Kinder und aufgeblühte Frauen, kleine Amoretten, welche auf dem blauen, mit weißer Watte herausgeputzten Himmel ihre Purzelbäume schlagen: so sind die Figuren beschaffen, in denen sich das Weib des achtzehnten Jahrhunderts verkörpert hat, wie es von Boucher bei Hof, in der Umgebung der Maitressen des Königs, auf dem Boulevard, auf dem Markt von Saint-Germain, im Boudoir, der Oper gesehen wurde, während er sich aus dem sorglos dahin lebenden Pariser Gamin in harter Arbeit zum glänzend begabten großen Maler entwickelt hat.
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Das liebenswürdige, galante, tiefe, ironische und veränderliche achtzehnte Jahrhundert hat sich in seinen Bildern selbst erkannt, hat ihn mehr als irgend einen anderen Maler geliebt und war für ihn fieberhaft begeistert. Wem es unmöglich war, ein Originalgemälde von seiner Hand zu erlangen, der wollte wenigstens eine Kopie besitzen, die in seinem Atelier und unter seiner Leitung von seinen jungen Schülern angefertigt wurde. Darum haben wir so viele Bilder von Boucher, welche zwar von ihm entworfen, jedoch vom jungen Fragonard ausgeführt worden sind.
Dazu kommt, daß Boucher die neue Mode eingeführt hat, die Zeichnungen seiner Bilder, dieser Kopien und dekorativen Arbeiten zu verkaufen. Vor ihm pflegten die Maler ihre Zeichnungen niemandem zu zeigen, am aller
wenigsten aber sie zu verkaufen. Er war der erste, der seine Bilder durch ein besonderes Verfahren des Stiches, welches von seinem Freund Demarteau erfunden wurde, in einer Weise vervielfältigen ließ, in welcher die Flüchtigkeit der Skizze und die Vertraulichkeit der Studie besonders zart und sinnfällig zur Anschauung gebracht wurden. Ohne Zweifel haben diese treuen Kopien die Neigung der Liebhaber hervorgerufen, die Zeichnungen des Meisters gleich Bildern bei sich aufzuhängen. Boucher wurde am Schluß seines Lebens der große und allgemein beliebte Maler.
Im Ausland wird viel über seine Art, im Atelier zu arbeiten, über seine Methode und sein Verfahren gesprochen. Der englische Maler Reynolds, der bei ihm eines Tages seine Aufwartung machte, fand ihn in voller Tätigkeit. Boucher ist gerade dabei, ein Schäferspiel zu malen, und Reynolds ist nicht wenig erstaunt zu sehen, daß der Meister keine lebenden Modelle benützt,
um seine Schäferinnen danach zu malen. Boucher malt überhaupt nicht nach der Natur, sondern verläßt sich ganz auf sein Erinnerungsvermögen. Reynolds macht Mitteilungen darüber und die Künstler sind mit großem Eifer dabei, die Tatsache zum Gegenstand ihrer Diskussion zu machen.
Von Diderot wurde Boucher mit besonderer Heftigkeit, man könnte fast sagen, mit Raserei angegriffen. Das sonst so klar sehende Auge des großen Kritikers wurde förmlich getrübt, sobald es sich um Boucher handelte. Denn Diderot, der die Empfindsamkeit und die sentimentale Anekdote eines Greuze ganz besonders liebt, empfindet stets das Bedürfnis, das Zukünftige zu preisen, ihm Raum zu schaffen, das Vorhandene zurückzuweisen, denn Diderot, der Geist der Zukunft, bekämpft immer das, was ist. Boucher, der unverschämte Bejaher der schönen Gesundheit und des schönen Humors des Jahrhunderts, ist ihm ganz besonders ein Dorn im Auge. Weiß doch Diderot nur zu gut, daß es in der Welt nichts Vollkommenes gibt, daß die Natur nicht aus gött
lichen Aufzügen, aus verzauberten Gärten und nicht aus reizenden Lichtungen zusammengesetzt ist, in welchen die Schäfer ihre Spiele treiben, nicht aus Himmeln der Lust und der Unschuld, in denen sich die Nymphen zwischen Amoretten herumtreiben. Jedoch gerade diese Angriffe beweisen am besten, wie sehr Boucher dieses liebenswürdige, begeisterte und galante achtzehnte Jahrhundert verkörpert, ein Jahrhundert, welches von Boucher über alles geliebt wird und welches Diderot um jeden Preis umgestalten möchte. Diderot hat nicht genügend eingesehen, wie viel Wirklichkeit in Bouchers Werken steckt.
Hätte er den in Paris herrschenden Ton mehr beachtet, so hätte er vor der ganz außerordentlichen Heiterkeit einzelner Schäferspiele gewiß die Waffen gestreckt.
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Der beste Beweis dafür, dass das achtzehnte Jahrhundert in den Schöpfungen Bouchers am treuesten zum malerischen Ausdruck kommt, liegt wohl darin, daß gerade er die stärkste Reaktion hervorruft und daß gerade seine Reha
bilitation sich am schwersten durchzusetzen vermag. Er war kaum gestorben, da wurde man schon stutzig über ihn und fing an, ihn zu verkennen. Nach der großen revolutionären Bewegung aber hatte man ihn bereits ganz vergessen.
Und doch hatte er ebenso wie Chardin, wenn auch mit einer weniger bewegten, aber gleich intuitiven Seele neben der Schönheit der Töchter des Volks
und der Pariserinnen die strenge und freie Mode vorausgeahnt, welche in der Revolution zur Geltung kommen sollte, die volkstümliche Mode, welche den
nüchternen Aufputz der Arbeiterin andeutet. Jedoch findet die Nachwelt nicht sofort heraus, welcher Rang dem Maler einer umschriebenen und idealisierten Wirklichkeit, wie wir ihn in Boucher vor uns haben, gebührt; steht er doch im Wettstreit mit den Malern des wirklich gegebenen Lebens, mit denen der Geschichte und der Mythologie, mit den Malern der Genrebilder, welche das wahre Leben darzustellen glauben, und endlich mit denen, welche die in der
Akademie erhaltenen Lehren noch zu sehr im Kopfe haben. Watteau und Fragonard hatten bereits ihren vollen Ruhm wieder erlangt, als die neuerliche Anerkennung unserem Boucher noch versagt blieb. Er blieb wohl nicht mehr in der Vergessenheit, wurde aber noch lange nicht nach Gebühr gewürdigt. Heute freilich steht die Sache anders; unsere Zeit hat ihn besser verstanden, und der Ruhm Bouchers erstrahlt wieder in vollem Glanze.
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Boucher verbringt sein Leben in der Gesellschaft von Malern und Schriftstellern. Am liebsten und häufigsten sucht er die Schriftsteller auf, allerdings nicht in der Akademie, sondern auf dem Marktplatz Saint-Germain und neben der Oper. Er, der offizielle Maler, hat die meisten Beziehungen mit den Un
regelmäßigen, nicht gerade den Bohemiens, wohl aber den Leuten von freiem Geist und von abenteuerlichen Bestrebungen. In seiner Jugend frei
lich, zur Zeit, da er bei Cars die Stechkunst übte, waren Laurent Cars, der Sohn seines Meisters, und die jungen Stechkünstler seine besten Freunde, die in der Rue Saint-Jacques, damals noch Strasse der Stecher genannt, in der „Goldenen Säule“ des Gérard Audran, im „Quis major Carolo“ des Charlemagne, im „Maecenas“ des Tardieu und im „Schönen Bild“ des Poilly zu verkehren pflegten. Es ist nur natürlich, daß sich die Gesell
schaft Bouchers zur Zeit seines ersten Auftretens, da er mit so vielen anderen jungen Künstlern der Nadel und des Stichels erst am Anfang seiner Laufbahn stand, aus den lustigen armen Kerlen zusammengesetzt hat, deren hauptsächlichste Beschäftigung im Aufspüren geeigneter Modelle bestand.
Der spätere Boucher, der bereits vom Erfolg gekrönte Maler, der erste Maler des Königs, sucht schon den Verkehr eines Monnet, Tocque, Favart und Piron. Piron ist sein bester Freund. Sie alle treiben sich gern in den Theatern herum, welche unter der Leitung Monnets stehen. Boucher suchte
nun seine Modelle, die er früher auf der Straße und oft genug unter dem Personal der lustigen Budiken gefunden hatte, jetzt unter den schönen Mädchen, welche als Sängerinnen oder Tänzerinnen auftraten. Er findet sie aber nicht nur in den Theatern Monnets und nicht nur in der Oper, sondern auch bei Hof. Seine Galerie schöner Frauen beginnt mit der kleinen Blumenverkäuferin, die vom Dorfe kommend furchtsam die große Stadt betritt, um da den Inhalt ihres Körbchens an den Mann zu bringen, und schließt mit Madame Pompadour, deren Bild er gemalt hat. Dabei fand er auch noch Zeit, die Musen zu malen, hatte aber damit weniger Glück.
Es war zur Zeit, da Boucher in der Gunst des Hofes am höchsten stand, und da sein Talent sich voll entfaltet hatte als er den Auftrag erhielt, Madame Pompadour zu porträtieren. Sein Pinsel war jedoch nicht ausschließlich der
Favoritin gewidmet, denn wir finden unter seinen Arbeiten auch ein Porträt der kleinen Morphi.
Wer mag wohl die Kleine, aus der jeder seine Favoritin machen zu können hoffte, aus dem Wildpark in das Atelier Boucher geführt haben? Die Memoiren Casanovas berichten uns darüber, wie viele Menschen sich für die kleine Morphi interessierten, Boucher mag davon Kenntnis gehabt haben, vielleicht aber hat er auch in der kleinen Morphi nichts weiter als eines der Tausende von Modellen gesehen, nach denen er in den Straßen von Paris