und unter den munteren hübschen Mädchen mit geistvollen Augen ewig auf der Suche war.
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Diese Tausende von Zeichnungen, alle oder doch fast alle diese Frauenbilder von Boucher, die Nymphen, Göttinnen, Blumenverkäuferinnen, gehen von demselben Typus einer fast noch kindlichen, kaum mannbar gewordenen Schönheit aus und zeigen dieselben runden Züge, den feuchten Mund und den naiven Blick, wie sie von Boucher mit Vorliebe gemalt werden. So scheint die kleine Morphi zur Zeit, da er sie rnalt, noch völlig Kind zu sein. Die „Diana aus dem Bade kommend,“ ein Bild, welches das Museum des Louvre ziert, ist eine der bezeichnendsten Darstellungen dieses weiblichen Typus. Diese kleine Diana zeigt eine vollkommene Heiterkeit, eine rührende Unschuld, die Reinheit einer kaum erblühten Blume. Das Lächeln ihres kind
lich halb offenen Mundes ist ein Zeichen ihrer Unschuld. Der zarte, so wunderbar harmonisch geformte Körper der Göttin wird von reizenden Tönen in Ambra und Rot verschönt. Wie ihre Gefährtin ist auch Diana selbst noch ein Kind, ein kleines Modell heidnischer Grazie, ein mit der ganzen Kunst der Malerei dargestelltes Bild eines der niedlichen Mädchen, von deren Reiz Boucher zu jener Zeit verfolgt wurde, als er bei dem Stecher Laurent Cars noch in der Lehre war.
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Boucher stammt aus dem Handwerk. Sein Vater Nikolaus Boucher, verheiratet mit Elisabeth Lemesle, hat allerdings keine besonderen Zeichen seines Talents hinterlassen.
In dem Katalog des Louvre von F. Villot wird Boucher als Zeichner von Stickmustern angeführt. Es war vielleicht Nikolaus Boucher, der im Mercure de France in einer Februar-Nummer aus dem Jahr 1742 folgende Anzeige veröffentlichte: „Sieur Boucher, ein Händler in Stichen, wohnt auf dem
Platz des Alten Louvre in der Nachbarschaft der Gemächer der Königin, im Hause des Herrn Capperon, verkauft alle Arten von neuen Stichen, Werke der besten Meister, in Glasrahmen oder auch uneingerahmt, verkauft ferner alle Arten der modernsten Zeichnungen für Möbel und Stickereien“.
Wir erfahren aus der Galerie française, daß Nikolaus Boucher ein armer und mittelmäßiger Künstler war. Es scheint, daß er nur zu industriellen Zwecken gezeichnet hat. Sein einziger Anspruch, genannt zu werden, liegt in seinem Sohn François Boucher, der ihm in Paris, rue de la Verrerie, im Kirchspiel Saint-Jean-en-Grève am 29. September 1703 geboren wurde.
Boucher hat es jedenfalls seinem Vater zu verdanken, daß er schon früh zur Arbeit angehalten wurde. Er hatte schon als Kind reichlich Gelegenheit, zeichnen zu sehen, und sein erstes Spielzeug waren ganz gewiß Bleistifte. Man darf wohl annehmen, daß seine ersten Versuche von dem Augenblick an, da seine Zeichnungen auf dem Papier über das Stadium der bloßen Kritzelei hinausgingen, von seinem Vater geleitet wurden. In dieser künstlerischen, eigentlich aber mehr handwerksmäßigen Umgebung hat er unbewußt jene Leichtigkeit erlangt, in deren Folge die Hand unmittelbar und sozusagen ganz automatisch der Anschauung gehorcht. Er hat alles, was zur Kunst gehört, lieben gelernt, hat die Geschmeidigkeit gewonnen, alles nachzu
zeichnen, was ihm in Bilderwerken und in dekorativen Zeichnungen unter die Augen kam, und hat sich daran gewöhnt, nichts zu verachten und wäre es auch nur das Modell irgend eines nichtssagenden Spielzeugs. Dadurch eben ist er dem Typus eines modernen Künstlers nahe gekommen, dem auch die gangbare Kunst ganz geläufig ist. In der Nähe der Straße, im Laden seines Vaters aufgewachsen, hat er Geschmack daran gewonnen, die Szenen von der Straße zu zeichnen, welche er später in seinen „Cris de Paris“ lebhaft und ganz modern darzustellen versteht.
Diese jetzt erwähnte Serie der „Cris de Paris“ (Stimmen aus Paris), die im Jahre 1737 von Ravenet und Le Bas gestochen wurde, gehört heute zu den größten Seltenheiten. Sie hat in den Augen der Liebhaber noch nicht den Wert gefunden, der heute seinen Pastoralen und den Bildern bereits entgegengebracht wird, in denen irgend ein hübsches Frauengesicht dargestellt erscheint.
Die Serie bietet uns leicht hingeworfene Zeichnungen, mit einfachen Strichen angedeutete Physiognomien, Silhouetten von Verkäufern, welche die kleinen bürgerlichen Gassen von Paris schon am frühen Morgen mit ihren Ausrufen beleben. Wir sehen da das Kleinleben des Morgens, die Ankunft in Paris nach einer langen Wanderung zu Fuß, das Schieben der Karren und das Tragen der Körbe, mit denen sich die Händler und die kleinen
Leute abmühen, die da kommen, um ihre Einkäufe zu besorgen. Diese engen Gassen, in welchen sich, den Korb auf dem Arm, die uns auch von Chardin gemalten Dienstboten und Hausbesorgerinnen drängen, sind ganz
erfüllt vom Schreien der Händler und von unartikulierten Rufen; ihren Inhalt versteht eigentlich niemand, aber ihr eigenartiger Tonfall ist jedem bekannt: In diesem langgezogenen Bruchstück einer sonderbaren Melodie deutet er die zu verkaufende Ware an.
Boucher hat diese Rufe, die ihm jeden Morgen im Ohr schwirrten, wenn er auf der Straße Jagd auf malerische Stoffe machte, gar gut verstanden. Der Eine ruft „Kohlen, Kohlen!“ der Andere „Besen, Besen!“ „Essig kauft, kauft Essig!“ „Rettiche, Rüben!“ „Milch, Butter!“ „Schornsteinfeger!“ „Hasel
nüsse!“ Zitronen!“ „Schuhflickerei!“ „Frisches Gebäck!“ In der Reihe dieser Zeichnungen hält der Gemüsehändler mit dem Kohlenmanne gute Nachbarschaft; da zeigt uns Boucher den kleinen Schornsteinfeger, den Kupfer
schmied, den Essigverkäufer, wie sie mit ihren schweren Karren die Straßen von Paris durchstreifen, lauter volkstümliche Typen, wie sie auch von Mercier in seinem Tableau de Paris dargestellt werden, um uns ein dramatisch bewegtes Bild der Straße von Paris zu geben. In den Zeichnungen Bouchers ist die Milchverkäuferin eine der größten Koketten der Straße. Da fehlen auch die kleinen Savoyarden nicht, die Hökerinnen, und noch tausend andere Bilder aus dem Frühleben von Paris, tausend Zauberspiele aus der schillernden Komödie, die sich auf dem Pflaster der Großstadt jeden Morgen abspielt.
Dieses realistische Schaffen von François Boucher und sein künstlerisches Eingehen auf das Leben des Alltags unterscheidet sich von seinen historischen und mythologischen Arbeiten, denen er sich, wenn ihm sein Stecher-Handwerk dazu Muße ließ, so gern widmete; es hebt sich auch von der dekorativen
Malerei ab, mit der er sich später beschäftigte und fällt sozusagen als sein malerisches Erwachen in die Zeit seiner Heirat. Wir wollen damit keines
wegs gesagt haben, daß Frau Boucher auf die künstlerischen Neigungen ihres Gemahls irgendwelchen Einfluß ausgeübt, daß sie ihn veranlaßt hätte,
diese Szenen aus dem täglichen Leben zu malen. Wohl aber scheint es ganz natürlich, daß die Aufmerksamkeit von Boucher um diese Zeit auf jene Dinge und Einzelheiten des Alltagslebens hingelenkt wurde, mit welchen er seine junge Frau fortwährend beschäftigt sah, und auf welche eben durch sie ein Reiz der Jugend und der Liebe gefallen war. Boucher hat seine Frau oft gemalt- Schon in seinem Bilde mit dem Titel „Reinhold und Armida“ aus dem Jahre 1734 hat die Zauberin Armida die Züge seiner Frau. Wir werden ihr in den Werken ihres Gatten auch sonst noch oft genug begegnen. Sie ist ihm eine Quelle von Tausenden von Zeichnungen, sie er
scheint bei ihm in zahlreichen Gestalten, sie, die Blonde mit den blauen Augen und mit dem geistvollen Lächeln, ist ihm die Inkarnation des Ideals der Frauenschönheit.
Es geschah übrigens aus wahrer Neigung und inniger Liebe, daß Boucher am 21. April 1733 die damals siebzehnjährige Pariserin Maria Johanna Buzot zum Traualtar führte. Sie war es wohl, die ihm in ihrer eigenartig wider
spenstigen Schönheit und mit den jugendlichen Reizen ihres Körpers wie jene Diana erschien, die er später so herrlich gemalt hat. Wir wissen nicht sicher, ob sie schon zur Zeit ihrer Heirat gezeichnet und sich mit der Stech
kunst beschäftigt hat, oder ob sich erst Boucher im zärtlichen Taumel der ersten Jahre ihrer Ehe sie zu seiner Schülerin gemacht und in seine Kunst eingeweiht hat. Nur so viel steht fest, daß die hübsche junge Frau so manches Bild ihres Gatten durch den Stich vervielfältigt hat. Auch einige Miniaturbilder stammen von ihrer Hand. Vor allem aber diente sie Boucher zum Modell. Man hat Boucher mit l’Albane verglichen, nicht nur weil es im achtzehnten Jahrhundert gebräuchlich war, die Maler mit l’Albane zu ver
gleichen, sondern auch weil beide die Schönheit des eigenen Weibes zum Schaffen ihrer Göttinnen und Nymphen begeistert hat.
Jüngst wurde ein Brief von Petit de Bachaumont, dem Verfasser der Mémoires secrets pour servir à l’histoire de la République des Lettres (Geheime Erinnerungen zur Geschichte der literarischen Republik), veröffentlicht, in welchem er eine Anfrage Bouchers beantwortet, der ihn um Rat gefragt hatte, welche Motive er zur Fabel der Psyche wählen sollte. „Lesen Sie La Fontaine von neuem durch“, so heißt es in diesem Briefe, „besonders aber sehen Sie sich Madame Boucher recht fleißig an.“ Dies beweist, daß sie in reichem Maß die Offenheit, den Ausdruck des Kopfes, die schelmische Naivität, die Schönheit, die Zurückhaltung, die ehrliche und gewinnende Art und die entzückende Lebhaftigkeit besessen hat, welche vom achtzehnten Jahrhundert von einer Heldin gefordert wurden, die dem Gott Amor selbst als liebenswert erscheinen sollte. Sie wurde aber auch allgemein bewundert und angebetet. Sie gebar ihm drei Kinder. •
Eine Anekdote, wie sie im achtzehnten Jahrhundert so vielfach erzählt worden sind, bezeichnet einigermaßen den guten Ruf von Madame Boucher. Es wird nämlich erzählt, daß der Graf von Tessin, der spätere Gesandte Frankreichs am schwedischen Hof, so sehr in sie verliebt gewesen sein soll, daß dieser vornehme Herr, um nur recht oft in ihre Nähe kommen zu können, ihrem Mann den Auftrag gegeben habe, die Zeichnungen zu seinen Romanen anzufertigen. Ja, er soll seinen unbedeutenden und leichten Roman Faunillane eigentlich nur geschrieben haben, um Boucher besuchen und mit ihm die zur Ausschmückung des Romans notwendigen Kompositionen