sprechen zu können. Die Geschichte gewinnt einige Wahrscheinlichkeit, wenn wir die Tatsache beachten, daß der Graf von Tessin das einzige Exemplar seines Romans Faunillane für sich behalten und diesen über
haupt nicht in Verkehr gebracht hat. Die Zeichnungen von Boucher konnten bald darnach dem Acajou betitelten Roman von Duclos beigegeben werden, dem der Graf die Kupfer Bouchers an Duclos geschenkt hatte. Immerhin aber kann darin noch kein vollgiltiger Beweis gesehen werden. Es ist ja möglich, daß der Verfasser von Faunillane, nachdem er für sein litterarisches Werk die verführerischeste Würze ersonnen hatte und die Zeichnungen von dem besten Maler seiner Zeit hatte anfertigen lassen, zu der Überzeugung gekommen war, daß die Illustration seine Personen zu sehr belaste und die Schönheit der Zeichnungen nur dazu dienen könne, die Schwäche des Textes umsomehr hervortreten zu lassen, er also nachträglich eben darum Abstand nahm, seinen Roman überhaupt drucken zu lassen. Wenn der Graf v. Tessin verheimlichen wollte, warum er François Boucher den Auftrag gegeben hatte, so hätte er gewiß vermieden, dies mit der Bestellung solcher Zeichnungen zu tun, die er ja augenscheinlich gar nicht benötigte.
Wir haben aber überhaupt keinen Grund, uns über diese Anekdote besonders aufzuhalten. Befinden wir uns doch im achtzehnten Jahrhundert!
Madame Boucher ist jung, elegant und kokett und der Graf von Tessin ist ein Verehrer der Frauen. Er war immer ein bewährter Freund von Boucher; sie pflegten einander lange Briefe zu schreiben, in welchen sie eingehend über die Art und Weise verhandelten, wie die vom Grafen bei Boucher bestellten Bilder aufzufassen wären. Boucher seinerseits, wie auch sonst jedermann im achtzehnten Jahrhundert, macht sich nicht viel Gedanken wegen der Treue seiner Frau, die ihm über alle Zweifel erhaben zu sein scheint. Keinesfalls hat es im Leben von Boucher, welches ja vor aller Augen offen stand und sich vor der Öffentlichkeit und vor seinen Kollegen teilweise im Louvre abspielte, auch nur eine Spur gegeben, aus welcher auf eine Uneinigkeit zwischen den Ehegatten geschlossen werden könnte. In den zahl
reichen Lobgesängen, in welchen der Charakter Bouchers zu seinen Lebzeiten gefeiert wurde, finden wir keine einzige Andeutung, welche einen Zweifel an seinem ehelichen Glück berechtigt erscheinen ließe.
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Wenn Boucher nach getaner Arbeit sein Heim verließ, so war er gewiß kein Verächter der Unterhaltung.
Er nahm an den bei Hof gegebenen Festlichkeiten teil, war bei den kleinen Empfängen der Madame de Pompadour anwesend und durfte während einer gewissen Zeit bei keiner von der Favoritin, die er porträtiert und für die er gestochen hat, in ihren Schlössern veranstalteten Festlichkeiten fehlen. Alles dies erscheint uns ganz natürlich und ist auch sicher festgestellt. Am wohlsten fühlte er sich allerdings in der Gesellschaft von Monnet und Piron. Mit diesen epikuräisch gesinnten und nachsichtigen Genossen, die ihre Ein
nahmen, welche sie ihrer Genialität und ihrer Kunst zu verdanken hatten, nur zu leicht geneigt waren, sofort auszugeben, verbrachte er die schönsten Stunden seiner Muße.
Boucher war weder ein Bohemien noch ein Verschwender. Bei seinem Tode hinterließ er ein ziemliches Vermögen, wohl weniger in Geld, als viel
mehr in seinen schönen Sammlungen. Es verlohnt sich, bei dieser Frage etwas länger zu verweilen.
Als Boucher starb, war in seinem Hause nur wenig an barem Geld vorhanden. Es kam ihm nicht darauf an, das Geld sparsam zusammenzuhalten.
Wußte er doch, daß sich bei ihm fast jeden Tag irgend ein Liebhaber melden werde, und daß es zur Deckung seiner laufenden Bedürfnisse hin
reichen würde, irgend eine heißblütige Person auf den Karton hinzuwerfen oder mit seinem Stift den Eindruck festzuhalten, den er von seinem Modell oder auch von irgend einer im Theater oder bei dem Souper beobachteten reizenden Person gewonnen hatte. Wohl aber hat Boucher zahlreiche Bilder hinterlassen, sowohl eigene Schöpfungen, wie auch Werke jener Meister, die er über alles liebte. Er besaß Zeichnungen von Rembrandt und von Tiépolo, eine reiche Sammlung von Stichen, von Bronzen und Lacken, von Porzellan
gegenständen, deren Wert auf 25,000 Livres geschätzt wurde. Außerdem hatte er eine riesige Sammlung von allerlei Nippsachen aus dem fernen Orient, wie sie ihm ja auch notwendig waren, da er der Maler chinesischer Teppiche war und den Orient mit seinen bunten Farben auf die Kartons verpflanzte, welche als Vorlagen zu Gobelins dienen sollten.
Man fand ferner in seinem Nachlaß verschiedene Möbelstücke, Mineralien, kostbare Steine, Polypengehäuse und Muscheln im Werte von nahezu 12,000 Livres. Er sammelte diese Kuriositäten im Interesse seiner Kunst. So wie heute ein Jules Chéret einen Feldblumen - Strauß und die bunten Flügel eines seltenen Schmetterlings studiert, um für seine Fresken und Pastelle die blendendste und tiefste Harmonie herauszufinden, so waren die Maler des achtzehnten Jahrhunderts, und so war ganz besonders Boucher mit Eifer dabei, den Kuriositäten der Natur ihre Farbentöne abzulauschen und auf seiner
Palette mit den seltensten und oft aus dem entfernten Polynesien herbeigeholten Erzeugnissen der Natur zu wetteifern. Boucher besaß gewissermaßen eine ganze Bibliothek von rosigen und perlmutterartigen Farbentönen, die er an seltenen Muscheln beobachten konnte, und er benützte diese auch fleißig, um die Farbenharmonie des weiblichen Körpers und der galanten Feste möglichst zart und durchsichtig zur Darstellung zu bringen.
Alle diese Sammlungen wurden nach seinem Tode verkauft und lieferten ein Ergebnis von 120,000 Livres, welche zusammen mit einer königlichen Pension von anfangs 1200, später 2400 Livres jährlich das Vermögen von Madame Boucher ausmachten. Diese Summen erscheinen allerdings ziemlich
mäßig, wenn man die vielen Geschenke, die der Maler erhalten hatte, und das von ihm erworbene Vermögen in Rechnung zieht. Er führte jedoch ein
Leben von großem Zuschnitt und verschwendete bei dem fröhlichen Nachtmahl an irgend eine Nymphe den reichen Betrag, den er von einem Amateur für eine am selben Tage gemalte oder gezeichnete andere Nymphe erhalten hatte.
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Boucher liebte das Theater, wie dies aus zahlreichen Spuren seines Lebens hervorgeht. Er hat für die Oper gearbeitet, hat auch für Servandoni manches gemacht und Theatervorhänge gezeichnet. Das ganze Theaterleben hat für ihn eine große Anziehung. Gibt es doch da Arrangements, Festlichkeiten.
Licht und Toiletten! Alles hat eigentlich nur eine relative Bedeutung; es versteht sich wohl von selbst, daß die unter der Leitung von Rebel und Francoeur stehende alte Pariser Oper, in die der „Neffe von Rameau“ geht, um die Musik seines Onkels zu hören und in der eine Guimard, eine Düthe und eine Fel im Camargo glänzt, trotz ihrer großen Ballettmeister wie Vestris und Novère einen Vergleich mit unserer heutigen Oper weder in Bezug auf die Dekoration, noch hinsichtlich der Beleuchtung auszuhalten vermag. Boucher ist das Verdienst zuzusprechen, mit seinen Ratschlägen und seiner Mitarbeiter
schaft vielfach dazu beigetragen zu haben, die ganze Einrichtung des Balletts und der sonstigen Aufführungen geschmackvoller und prachtvoller zu gestalten.
Er stellte in dieser Hinsicht gar hohe Anforderungen, weil er ganz erpicht auf den Fortschritt war. Wahrscheinlich ist er es gewesen, auf dessen Rat sein Freund Monnet den Glanz der Vorstellungen im Jahrmarktstheater Saint-Germain erhöht hat.
Es gibt heutzutage gar viele Theater in der Welt, deren Bühnenvorhang von irgend einem Künstler gemalt worden ist. Im achtzehnten Jahrhundert hat es einen solchen Vorhang noch nirgends gegeben. Die erste schöne Schöpfung auf diesem Gebiet war der Bühnenvorhang, welcher von Boucher für das Theater seines Freundes Monnet gemalt worden ist. Wir wollen ein wenig genauer untersuchen, wie das Jahrmarktstheater Saint-Germain beschaffen war, für welches Boucher nicht nur einen Vorhang, sondern auch andere Dekorationsstücke gemalt hat und in welchem er im Verein mit Monnet eifrig bestrebt war, einen größeren Luxus und eine schönere Ausstattung zur Geltung zu bringen.
Der Marktplatz Saint-Germain war ein großer, mit Baumreihen eingeteilter und mit den verschiedensten Buden besäter Platz, auf welchem jährlich während einiger Wochen ein großer Jahrmarkt abgehalten wurde. Da gab es allerlei Stoffe und Schmucksachen zu kaufen und ein Theater fehlte auch nicht.
In einigen größeren und geräumigeren Buden wurden allerlei Schaustellungen vorgeführt. Man nannte diese Räume Logen und der Unternehmer bezeichnete seine Schaustellung als Theater. Eine der ersten Reformen, welche von Monnet eingeführt worden sind, bestand darin, daß er den im Parterre ge
zogenen Strick entfernen ließ. Vor ihm war nämlich hinter einigen Reihen von Stühlen, welche für die vornehmeren Gäste bestimmt waren, ein Strick gezogen, hinter welchem bis zur Rückwand sich die Zuschauer aus der Volks
masse zusammendrängten. Diese Zuschauer hatten nur Stehplätze ; man stopfte ihrer so viele in den zur Verfügung stehenden Raum, als nur irgend Platz haben konnten. Der Erfolg eines Stückes zeigte sich besonders darin,
daß die große Masse der Zuschauer den Strick zum Reißen brachte und sich in die Sitzreihen drängte. Die Ausstattung der in diesen Jahrmarkts
theatern aufgeführten Stücke war im Anfang eine recht plumpe, denn die Unternehmer wurden in ihren Absichten durch den ewigen Kampf mit den
privilegierten Komödianten, den Schauspielern des Königs, den Vorläufern des heutigen Théâtre français stark behindert. Diese legten ihnen nämlich allerlei Schwierigkeiten in den Weg, bestimmten die Zahl der Schauspieler, welche in diesen Theatern auftreten durften, und schrieben den Unternehmern auch die Dimensionen der Bühne vor. Da geschah es, daß Monnet die Leitung eines solchen, man möchte sagen: Puppentheaters in die Hand nahm und schon dadurch den Beweis eines besseren Kunstgeschmacks erbrachte,
daß er Boucher in der Eigenschaft eines Dekorationsmalers anstellte. Wir erfahren aus einigen zeitgenössischen Berichten, daß sich Boucher in dieser Stellung gar gut gefiel ; waren doch in der Umgebung Monnets geistreiche Leute wie Piron und später Vadé anzutreffen. Diese Leute führten in Paris das lebhafte abendliche Treiben ein, welches dieser Stadt bis auf den heutigen