Tag das Aussehen eines Festes mit tausend Lichtern gegeben hat. In dieser stets lustigen Umgebung des Theaters ist Boucher den Dichtern begegnet, welche seine Lobsänger und die Kritiker ihrer Zeit wurden, welche seine Ver
herrlichung des Fleisches und die festliche Pracht seiner Kunst gar sehr zu würdigen wußten.
Er hat dem Theater stets seine Liebe bewahrt. Wir können dies auch daraus ersehen, daß er am Anfang seiner künstlerischen Reife im Jahre 1734 der Illustrator von Molière wurde. Er teilte diese Aufgabe mit seinen Freunden Oppenord und Blondel, deren Mitarbeiterschaft er auch sonst viel
fach in Anspruch nahm. Oppenord und Blondel hatten die Ausschmückung und die Verzierung der Ausgabe zu besorgen. Oppenord, ein großer Künstler des Mobiliars und ein genialer Dekorationsmaler, besorgte die prachtvolle Ausstattung des Buches, zu welchem ihm Boucher die Vignetten lieferte.
Boucher selbst wendet sich endgiltig dem dekorativen Geschmack Oppenords zu. Er denkt keinen Augenblick daran, daß Molière eigentlich dem vorher
gehenden Jahrhundert angehört, daß die Mode der Zeit der „Preziosen“ eine andere als jene der Zeit des „eingebildeten Kranken“ ist, daß sie sich seit der Zeit des „eingebildeten Kranken“, das heißt seit dem Tode Molières von Jahr zu Jahr nach sehr verschiedenen Richtungen bedeutend geändert hatte.
So wenig wie sich Oppenord an den dekorativen Stil des großen Jahrhunderts zu erinnern schien, so wenig fragte auch Boucher nach dem Aus
stattungsstil der Molièreschen Epoche. Er läßt die Personen Molières zwischen den hübschen Ovalen und biegsamen Schnörkeln des achtzehnten Jahrhunderts an uns vorüberziehen und bekleidet sie in der Art einer Madame de Parabère oder einer Madame de Prix. Mit diesen Schönen tauschen die großen Herren des Hofes Ludwig XV. ihre Reden aus und der „bürgerliche Edelmann“ ist wie ein Generalpächter gekleidet. Diese Ausgabe der Werke Molières hat in der künstlerischen Tätigkeit Bouchers eine besondere Bedeutung ; sie bildet die Fortsetzung der realistischen Reihenfolge, welche mit den Cris de Paris beginnt und welcher der Künstler im späteren Lauf seines Lebens Bilder wie das Frühstück, die Modistin und andere heitere und reizende Modernismen hinzugefügt hat. Abgesehen von der Darstellung der Psyche ist Boucher in dieser Illustration von Molière nie aus der Richtung der modernen Zeichnung und aus der epigrammatischen Ausdrucksweise seiner Zeit herausgetreten. Die grotesken Personen wie Arnolphe oder Sottenville sind epigrammatisch dargestellt, während die Heldinnen Molières bei ihm wie eine Galerie anonymer Porträts erscheinen. Er läßt in ihnen etwa dreißig junge Frauen seiner Zeit an uns vorbeiziehen, hübsch und ausdrucksvoll nicht nur in ihrer Schönheit, sondern auch in ihrer Kleidung. In der Beschäftigung mit der Illustration dieser Theaterstücke hat er die tiefe Empfindung der Wahrheit gefunden, die ihn nie wieder verläßt, wenn es sich um das Theater oder um die Darstellung des Lebens der Straße handelt, und von der er nur in der kleinen oder großen dekorativen Malerei abweicht.
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Die Schäferspiele.


Was in der künstlerischen Tätigkeit von François Boucher unser Interesse am meisten gefangen nimmt und für die Liebhaber, so auch für die Kritik unserer Zeit den höchsten Wert besitzt, ist der mit einem Anflug von Realismus verzierte und hübsch umschriebene veristische Zug, der ihm unter den Darstellern des volkstümlichen und galanten Lebens seiner Zeit einen besonderen Platz anweist. Den Ruhm jedoch, den er während seines Lebens genossen, verdankt er weniger jener Richtung seines künstlerischen Strebens, in welcher die Beobachtung den Sieg über die Phantasie davongetragen hat. Was seine Zeitgenossen bei ihm ganz besonders schätzten, war die Leichtigkeit der Dekoration, war besonders die Grazie, mit welcher er um das schöne Nackte alle Niedlichkeit der Natur arabeskenmäßig zu verschlingen verstanden hat.
In Anbetracht des Temperaments von Boucher, seines Charakters, seiner Vergnügungssucht und seines Geschmacks am luxuriösen Leben erscheint es ganz natürlich, daß er dem Lauf der Ereignisse, die ihm ja günstig waren, mit einer gewissen Gelehrigkeit gefolgt war. Er gehörte nicht zu jenen, die sich ihrer Zeit aufdrängen möchten, die ihren Zeitgenossen eine neue Ästhetik zu bescheren streben, welche nur schwer verteidigt und noch schwerer zur Geltung gebracht werden kann. Boucher, der tüchtig zu kämpfen hatte, um
aus dem Schatten heraustreten zu können, war wie Wachs in der Hand eines günstigen Geschicks. Die Kunstliebhaber hatten eine gewisse Macht über ihn und waren imstande, ihn recht weitgehend zu beeinflussen, wenn seine Kunst mit ihren Absichten nicht von vornherein in Übereinstimmung war.
Boucher war ganz besonders Maler. Zur Zeit, wo er sich hauptsächlich mit Malerei beschäftigte, waren die Freunde seiner Kunst ganz beruhigt. Glaubte man doch im Besitz einer ganz genauen Definition der Bedeutung
der Malerei und ihrer Stellung im Rahmen der Kunst zu sein. Gemälde waren vor allem für die Kirchen notwendig, um die Kirche liebenswert zu machen. Dazu aber war eine besonders große Anzahl von Bildern gar nicht notwendig.
Nach der Meinung der Kunstkenner schien es ferner erwünscht zu sein, daß die zeitgenössische Kunst eine gewisse Anzahl groß angelegter Bilder schaffe, im Stil und in der Anlage den großen Schöpfungen der schönen Schulen der Vergangenheit verwandt und dem antiken Geschmack entsprechend. Der König sollte doch seine Stipendisten nicht umsonst nach Rom geschickt haben. Diese hatten von dort schöne Kopien und im antiken Geist gehaltene eigene Werke nach Hause zu bringen, um zu zeigen, daß die französische Malerei den alten Meistern stets gewachsen ist. Dazu war eine Theorie der großen Kunst im Schwung, in deren Sinn es wünschenswert erschien, daß die Maler der Zeit Ludwigs XV. ebenso großartige Aufzüge und schöne Schlachtenbilder zu schaffen imstande seien, wie sie von Charles Le Brun unter Ludwig XIV. gemalt worden sind. Der Einfluß von Charles Le Brun war zwar in der Abnahme begriffen; immerhin aber standen gewisse von ihm aufgestellte Anforderungen der Kunstanwendung noch immer in Geltung. Man wollte nicht zu viel Bilder in den Kirchen und überhaupt nicht zu viel historische Gemälde haben. Dagegen wünschte man in den Gemächern eine Unmenge von großen und kleinen Genrebildern, von großen Leinwänden und kleinen Bildchen zu besitzen. An solchen war für die königlichen Bauten, für die Paläste der Favoritinnen, für die Hotels der Generalpächter, für die
bürgerlichen Salons, für die kleinen Häuschen der großen Herren und für die Boudoirs der Kurtisanen stets großer Bedarf. Es waren besonders zwei Arten der Ausschmückung der großen Säle der Paläste und Hotels, die man wetteifernd zur Geltung zu bringen bestrebt war. Man verlangte vom Maler entweder große Bilder, die dem dekorativen Stil des Saals angepaßt sein sollten, oder man wünschte von ihm Kartons zu haben, die man dann in Stickerei ausführen ließ. Allerdings gab es auch noch andere Formeln, denn der Künstler hatte oft einen ganzen Raum oder eine Reihe von Räumen ganz nach seiner eigenen Erfindung auszuschmücken.
Welche Auffassung Boucher selbst von der Dekoration hatte, wenn er nicht im Auftrag arbeitete und seinem eigenen Geschmack folgen durfte, geht aus dem Folgenden hervor.
Boucher wollte dem Stecher Demarteau, dem er die Verbreitung seiner Werke in hohem Maß zu verdanken hatte, einen besonderen Beweis seiner Zufriedenheit geben. Er führte daher für dessen Salon eine Dekoration aus, welche von den Brüdern de Goncourt, die diese Dekoration noch an ihrem ursprünglichen Platz gesehen haben, wie folgt beschrieben wird:
„Dieser Salon war einer Gartenlaube und einem Vogelhaus ähnlich gehalten. Ein schachförmiges Gitterwerk, dem gezeichneten Mosaik auf den Gestellen der Möbel aus Rosenholz ähnlich, zog sich am Gesims entlang, um
rahmte den großen Spiegel, stieg zwischen den beiden Fenstern in die Höhe und ließ nur vier große Felder, vier kleine Türen und die Wand über diesen Türen frei. Zwischen diesem Gitterwerk eröffnete sich ein Landschaftsbild. Da sah man an den Ufern eines Baches rosige Flamingos und radschlagende Pfauen. Jenseits eines entwurzelten und ins Wasser gefallenen Baumes waren schwimmende Schwäne dargestellt; zwischen den zum Himmel aufsteigenden Rosenmalven trieb sich ein Hund herum und tänzelte eine Elster; auf dem Wasserspiegel zogen Enten in allen möglichen Farben ihre Furchen. Auf einem anderen Bild war ein Flußufer dargestellt, dessen frisches Grün von bunten, roten, blauen und grünen Vögeln belebt war. Auf der letzten Leinwand sah man einen gitterartigen, von Kletterrosen bedeckten Aufbau, zu dessen Füßen allerlei Gartengeräte herumlagen und verschiedenes Hühner
volk seine Kämpfe aufführte. Oberhalb der vier Türen schnäbelten Tauben, führten grau in grau gemalte Amoretten verschiedene Früchte an ihre Lippen
oder ließen die Wasserstrahlen eines Springbrunnens zwischen ihren halb geschlossenen Fingern spielen.“
In dieser Beschreibung sehen wir, wie Boucher, seinem eigenen Geschmack überlassen, zu arbeiten pflegte und wie er die ihm zur Verfügung stehende ganze Fläche zu einem einzigen Thema der gemalten Dekoration ausnützte. Zumeist jedoch war Boucher gezwungen, eine geschraubte, elegante und graziöse Ornamentik anzuwenden und seine Figuren mit einer recht großen Beweglichkeit auszustatten. So zum Beispiel, wenn Madame de Pompadour ihre Schlösser von ihm geschmückt zu sehen wünschte, oder wenn er für seinen Freund und Gönner Boffrand einen Teil des Hotels de Soubis zu dekorieren hatte. Für solche Dekorationen bringt Boucher ein Genre zur Anwendung, welches sozusagen von ihm geschaffen, jedenfalls aber von ihm besonders ausgebildet wurde; wir meinen das Schäferspiel.
Die Hauptsache in einem solchen Schäferspiel bestand darin, daß der Maler in einer der Natur möglichst ähnelnden Umgebung möglichst viel Blatt
werk, Wasser und hübsche, sozusagen niedliche Ruinen zusammenzutragen und in angenehmer Weise durcheinander zu mischen hatte. Auf den zer