geschätzt wurde, ist das Porzellan als Luxusware hergestellt und hervorragende künstlerische Kräfte wurden zu seiner Bearbeitung herangezogen. Eine so vornehme Stellung hat die antike Keramik nie gehabt. Sie hat immer für den Bedarf des Volkes gearbeitet und ist im eigentlichen Sinne Volkskunst gewesen. Sie hat auch mit ihren feinsten Erzeugnissen nur den nach und nach gesteigerten allgemeinen Ansprüchen genügt. Dem steht nicht entgegen, dass in den Terrakottenfabriken neben
den künstlerisch vollendeten Statuetten nach wie vor gewöhnliche Ware für den billigsten Bedarf hergestellt ist. In tanagraischen Gräbern des vierten Jahrhunderts sind auch solche geringe Figuren in Menge gefunden, die wie die älteren Stücke dutzend
weise aus den Formen gefertigt und unretouchiert und flüchtig bemalt auf den Markt gebracht sind. Hinter der groben Arbeit verbirgt sich bei vielen ein Modell von grosser Schönheit, wofür die Fig. 11
abgebildete Tänzerin, ein Einzelstück aus einer langen Typenreihe, ein gutes Beispiel liefert.
Als Luxusartikel, wie die Porzellanfiguren,
konnten die Terrakotten schon wegen des geringwertigen Materiales nicht gelten. Wohl sind sie, wie wir vor kurzem durch die Ausgrabungen des berliner Museums in Priene erfahren haben, in helle
nistischer Zeit als Schmuck der Wohnzimmer im Hause wie Nippsachen verwendet. Möglich, dass auch die Tanagrafiguren, von denen manche so aussehen, als könnten sie losgelöste Teile von Gruppenkompositionen sein, schon ähnlichen Zwecken gedient haben. Wir wissen es nicht. Aber der grösseren Menge nach sind sie ohne Zweifel, wie die älteren Terrakotten, als Votive und zwar vorwiegend als Votive für die Gräber gearbeitet.
Diese Beziehung ist oft auch in den Darstellungen selbst deutlich erkennbar. Wir treffen auf den Reliefs der attischen Grabsteine viele von den Typen der Terrakotten wieder. Da sind die
selben Frauen und Mädchen und männlichen Figuren, wie Bilder von Jünglingen und Knaben, die auch unter den Terrakotten nicht fehlen. Sie sind einzeln dargestellt oder in Gruppen vereinigt. Selten äussert sich die Trauer in heftigen Accenten, eine stimmungsvolle Ruhe liegt über die Bilder ausgebreitet, in mildem Sehnen schauen die Ge
stalten ins Weite. So sehen wir auch in der Fig. 10 abgebildeten Terrakotta eine Frau, tief verhüllt, in lautlose Trauer versunken. Der Sarkophag der Klagefrauen, eins der schönsten Stücke des grossen, dem konstantinopler Museum gehörigen Fundes von Saida, ist ringsum mit den Figuren einzeln zwischen Säulen gestellter Frauen geschmückt, die in trauernder Haltung still vor sich hinblickend dastehen. Sie kehren in den Gruppen der Grab
reliefs und in den Einzelfiguren der Terrakotten wieder. Aber auch Szenen voll heiterer Anmut und Repräsentationsbilder stattlicher Frauen sind auf den Grabsteinen dargestellt, sie hielten in freund
lichen treuen Zügen das Bild der verlorenen Jugend, der verlorenen Schönheit fest und so konnten die Schilderungen frohen Lebens, wie sie uns aus den meisten Figuren der Tanagraeerinnen entgegen
blicken, auch die Verstorbenen selbst mit in das Grab begleiten.
Abseit von den übrigen Typen der Terrakotten stehen als besondere Gruppe die Darstellungen komischer und karikierter Figuren. Ich habe sie bisher unerwähnt gelassen, um ihnen hier zum Schluss ein eigenes kleines Kapitel zu widmen. Als Werke von künstlerisch wie kulturgeschichtlich
FIG. 6