der neuen malerei und grafik tändelt, sei es der abstrakten konstruktivistischen oder der neuen gegenständlichen, wer die fotos etwa dieses bandes, wie es mir einmal begegnete, „steif, gesucht im bilclausschnitt und unorganisch“ findet, pflegt dieselben anwürfe, nur noch gesteigert, für malerei und grafik der jüngeren generation parat zu haben, beweis genug, dass es sich also nicht um Spezialprobleme von „fotografié und mechanismus“ handelt, sondern um Verneinung des neuen, gespannteren, konstruktiveren sehens überhaupt.
fotografié ist nicht blosser abklatsch der natur, denn sie ist (mechanistische) Umsetzung aller farbwerte, ja selbst der räumlichen tiefenspannungen und formstrukturen. dennoch beruht der wert der fotografié auf dem ästhetischen werte der natur selber, braucht man daher nur technisches rüstzeug zu beherrschen, um guter fotograf zu werden? keineswegs: man muss ein voller mensch sein, wie auf allen anderen ausdrucksgebieten audi. das eigentümliche jeweiliger formwertung spricht sich im foto genau so aus wie etwa in der grafik. wahrscheinlich ist — für geübte äugen natürlich — lokalisierung von anonymen fotos nach zeit und land nur gradweis schwieriger als diejenige von grafik, bildern, plastik, selbst wenn wir fotos nicht inhaltlich (etwa trachtengeschichtlich) datieren und lokalisieren können, sondern etwa eine reihe von deren oder landschaften zu vergleichen haben.
schon aus dieser individualkonstante; die wie in den künsten selber auffallend bestehen bleibt, kann man ersehen, dass auch dem guten foto ein organisierendes, individualisierendes prinzip zugrunde liegen muss, lotos des einen wirken immer fade, auch wenn er guter techniker, des anderen immer stark, selbst wenn er sich als laie empfindet und technisch manchmal nicht vollkommen arbeitet, das Organisationsprinzip liegt hier, entgegen der grafik nicht in der überall waltenden manuellen Umformung beliebiger Wirklichkeit, sondern im akt der wähl eines in jeder hinsicht fruchtbarsten sttickes Wirklichkeit selber, gibt es bei der grafik tausend formen der umschmelzung und reduktion der aussenwelf, so gibt es für die fotografié hundert möglichkeifen des blickpunktes, aussdmitfes, beleuchtens, vor allem aber der gegenstandswahl selber.
dieser beschränkte kreis von möglichkeiten genügt bereits, um bedeutsame individuation verwirklichen zu können, wir überschätzen meist die zahl der wenigen elemente, die allein notwendig, um sinngesättigie gebilde zu erreichen, welch simpler, festgelegter apparat ist (um in anderes gebiet zu springen) das klavier mit seinen immer wieclerkehrenden oktaven. und dennoch kann durch immer neue kombinationen gegebener elemente jeder pianist seine eigene weit aus diesen wenigen tonfolgen ziehen.
die gegenstandswahl bereits ist schöpferischer akt. „sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist“, gilt audi für jene Wirklichkeitsausschnitte, vor denen wir halt machen, so bezeichnend es für einen mann, welche frauen ihn bewegen, so karakteristisch für den fotomann bereits, vor welchen gebilden er wie angewurzelt stehen bleibt, welche bezeichnenden sehwinkel und Lichtquellen ihn sodann bannen, wie organisierend das durchgehende prinzip der fotografié jeweils walten kann, mag man auch daraus ersehen, dass sich sogar die dilthey-nohlsche typenlehre, die doch nur auf fein seelisch bedingte gestaltungen anwendbar ist, herantragen lässt, besonders, wenn man den zeitindex hinznfiigt, hier also konstatiert, dass allen typen seit etwa .1920 sog. dualitätsspannungen zugemischt sind.
unser buch will nicht nur sagen „die weit ist schön“ (abb. 13, 31), sondern ebenso: sie ist erregend, grausam und absonderlich (abb. 73, 74). deshalb wurden auch blätter aufgenommen, die wohlbehütete ästheten vors blasse köpfdien stossen werden, im übrigen finden sich fünf arten von fotografieverwendung: realfoto, fotogramm, fotomontage, foto in Verbindung mit grafik oder malerei, foto in typografischer Verbindung. — das fotogramm (abb. 28, 29) geistert erregend zwischen geometrischen abstraktionen und gegenstandsnachklängen hin und her. gerade in dieser Spannung kann sein spezifischer reiz liegen, bekanntlich wird hier ohne kamera gearbeitet, allein durdi faegegnung gewisser gegenstände mit liditempfindlidiem papier. indem sie länger oder kürzer aufliegen, näher oder entfernter gehalten, scharf oder matt mit künstlichen lidltquellen bestrahlt werden, ergeben sich