Hintergrundes wie mit einem verhüllten Paukenschlag zu verklingen.
Wie sich Habermann zum Freilicht stellt, das in den achtziger Jahren unsere Maler so vielfach beschäftigte, läßt das „Atelierbild“
(Abb. S. 243) erkennen. Die Farben stehen nicht unter dem direkten Einfluß von Luft und Licht, aber die Palette hellt sich auf; und diese Helligkeit wird dem Künstler ein Mittel,
seine Farben und deren Zusammenstellung leichter, weicher, fließender zu machen. In den neunziger Jahren finden wir Habermann am vielseitigsten interessiert.
Bezeichnend für Habermanns Schaffensweise überhaupt ist das „Fischermädchen“ (Abb.
S. 242). Ursprünglich eine Maria an der Wiege des Jesukindleins, fand er die jetzige Darstel
lung künstlerischer, weil sie seine farbige Absicht — ein mattes Blau gegen dunklen Grund zu stellen — objektiver wiedergab.
Selbständiger im Farbenarrangement und intensiver in der Gesamtwirkung ist „Der verlo
rene Schuh“ (Abb. S. 244), der nur als ein schwarzer Fleck erscheint, nach dem das Mädchen kaum hinsieht. — Wieder echt Haber
mann! Auch wo er Stimmung gibt, soll sie aus rein künstlerischen Quellen erstehen, will er sogar durch einen absichtlich baroken Titel die Möglichkeit ausschließen, daß ein gefühlvoller Inhalt irgendwie in der Endwirkung mitschweige. Wie dieses Mädchen über dem Dunkel der einsamen Kammer in Träumerei versunken ist, das läßt er uns aus dem olivgraugrünen Mi
lieu selber wahrnehmen und erleben. Der mattleuchtende Fleischton, der fast wie die Patina alter Holzfiguren hersieht, hellt den Grund leuchtend auf und steigert das Blau des Ge
wandes, dessen Reflexe in bläulichen Schatten auch noch überden Rahmen
gleiten. So erhält das Bild neben der intensiven Suggestionskraftseiner Farben noch eine stark dekorative Note.
In wie hohem Grade diese Habermanns Werken überhaupt eignet, zeigt sich besonders eindrucksvoll in dem Saal der derzeitigen Habermann-Aus
stellung der Münchner Secession, der den „verlorenen Schuh“ beherbergt: von dem verschossenen Karmin der Wandbespannung heben sich die verschiedensten Arbeiten aus allen Perioden des Künstlers wie eine ein
zige Farbenwelle ab, die sich immer wieder aufs neue wendet, um ihre
Herrlichkeit in hundertfachen Modulationen spielen zu lassen.
So genießen wir in der feingliedrigen Figur des „Neglige“ ein gar zart zu ihr gestimmtes Farbenmilieu von kühlem Wasserblau, dünnem Blond und schwebendem Silbergrau.
Habermanns Vorliebe für scharf pointierte Bewegungsmotive und die Verlebendigung des Körpers überhaupt setzt frohbewußt ein mit dem „Porträt des Frl. H.“ (Abb. S. 246). Die ruhige Sattheit der klaren Farben schafft dem zuckenden Lebenswirbel der Formen eine wirksame Basis, von der aus sich die schrauben
artige Kurve nach oben schlängelt, um in kapriziösen Zuckungen nach unten wieder zu verfließen. Und daran hat jede Einzelheit ihren besonderen Anteil: wie der Hut locker sitzt, fast tänzelt; wie Auge, Nase, Mund, Kinn und Wangen das Gefühl der Gelenkigkeit fast bis zur Sprungkraft steigern, der von dem zuckenden Hals, den Schultern und Hüften
immer neue Ströme geschmeidiger Elastizität zugeführt werden, so daß des Quirlens, Wirbelns, Aufjauchzens kein Ende wird. Und doch liegt in dem Ganzen ein so sicheres Zusammengehaltensein, dem ein Einschlag graziöser Eigensinnigkeit und Eigenwilligkeit noch besondere Pikanterie verleiht. Und immer wieder versteht unser Künstler seinem Lieblingsmotiv andere Seiten abzugewinnen: bald
HUGO VON HABERMANNIM ATELIER