ARCHITEKT FRITZ KLATTIG — BRESLAU.Entwurf zu einer Halle.
DER LEHRER ALS ORGANISATOR. Der Kunstunterricht hat nicht den Zweck, Künstler
zu schaffen, denn das kann er nicht; Künstler wollen geboren sein. Der Kunstunterricht hat noch weniger den Zweck, aus den Schülern Neuauflagen des Lehrers zu machen; das würde sich selten verlohnen. Leider glauben die meisten Lehrer, das eine wie das andere leisten zu können; wollen sie Künstler machen, die ungefähr so ausschauen wie sie selbst. Die so
ungefähr an das herankommen, was der Meister Lehrer leistet. Die Lehrer wollen Erfolge haben; so pressen sie aus den kleinsten Talenten Kunstwerke, wie sie sie verstehen. Selbst aus dem Unfähigsten machen sie einen Storchschnabel. Ein Musterlehrer braucht über
haupt keine begabten Schüler; er braucht nur Fleiß.
Dressur ist alles, und folgsames Abgucken der Schlüssel zum Stipendium. Je verkrüppelter die Vorstellungskraft des Novizen ist, desto leichter läßt sich das Hirn methodisch massieren.
Große Künstler waren selten Musterschüler; die Musterschüler bestreiten die Paraden am Ende des Semesters. Je profaner das Auge und je geistloser die Finger, desto leichter und sicherer liefert der gut exerzierte Rekrut fertige Arbeiten, sauber radierte, glatte, meisterliche Arbeiten. Die nachhelfende Hand des Lehrers vermag viel. Und reif und vollendet
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dünken den Uneingeweihten solche wohl gehüteten Jünglinge; sie sind aber in Wirklichkeit wie übertünchte Gräber.
Die Lehrkraft der Historie wird meist überschätzt und selten richtig erkannt. Für das Kopieren gilt die Stecknadelprobe. Durch das Kopieren soll der Schüler einen Formenschatz gewinnen. Daß er damit jongliere. Das läßt sich begreifen, und es sichert die prompte Erledigung jeglicher Aufgabe. Bald und gern lernen es die Musterschüler: auf Raub auszugehen. So wie sie eine historische Form sehen, überschlagen sie: was ließe sich daraus machen. Und dann nehmen sie eine
egyptische Säule und fabrizieren daraus ein Stuhlbein oder einen Kronleuchter; nehmen historische Formen und zerren und pressen sie, bis sie in ihren Kram passen. Solch Unterricht ist ein Ausschlachten dessen, was als Klassik lebt. Wo aber das Schlachtmesser gewetzt wird, herrscht der Tod.
Mit dem, was die Natur wachsen läßt, wird nicht vorsichtiger noch klüger umgegangen. Festnageln heißt die Parole. Mitten durchs Herz werden die Nägel
getrieben. Der Naturunterricht aber kann nur Wahrheit und Leben schaffen, wenn er anleitet: die Logik, den fruchtbaren Geist der gewachsenen Formen zu erfassen, das Gesetz der Verhältnisse, die Unbedingtheit der
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DER LEHRER ALS ORGANISATOR. Der Kunstunterricht hat nicht den Zweck, Künstler
zu schaffen, denn das kann er nicht; Künstler wollen geboren sein. Der Kunstunterricht hat noch weniger den Zweck, aus den Schülern Neuauflagen des Lehrers zu machen; das würde sich selten verlohnen. Leider glauben die meisten Lehrer, das eine wie das andere leisten zu können; wollen sie Künstler machen, die ungefähr so ausschauen wie sie selbst. Die so
ungefähr an das herankommen, was der Meister Lehrer leistet. Die Lehrer wollen Erfolge haben; so pressen sie aus den kleinsten Talenten Kunstwerke, wie sie sie verstehen. Selbst aus dem Unfähigsten machen sie einen Storchschnabel. Ein Musterlehrer braucht über
haupt keine begabten Schüler; er braucht nur Fleiß.
Dressur ist alles, und folgsames Abgucken der Schlüssel zum Stipendium. Je verkrüppelter die Vorstellungskraft des Novizen ist, desto leichter läßt sich das Hirn methodisch massieren.
Große Künstler waren selten Musterschüler; die Musterschüler bestreiten die Paraden am Ende des Semesters. Je profaner das Auge und je geistloser die Finger, desto leichter und sicherer liefert der gut exerzierte Rekrut fertige Arbeiten, sauber radierte, glatte, meisterliche Arbeiten. Die nachhelfende Hand des Lehrers vermag viel. Und reif und vollendet
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dünken den Uneingeweihten solche wohl gehüteten Jünglinge; sie sind aber in Wirklichkeit wie übertünchte Gräber.
Die Lehrkraft der Historie wird meist überschätzt und selten richtig erkannt. Für das Kopieren gilt die Stecknadelprobe. Durch das Kopieren soll der Schüler einen Formenschatz gewinnen. Daß er damit jongliere. Das läßt sich begreifen, und es sichert die prompte Erledigung jeglicher Aufgabe. Bald und gern lernen es die Musterschüler: auf Raub auszugehen. So wie sie eine historische Form sehen, überschlagen sie: was ließe sich daraus machen. Und dann nehmen sie eine
egyptische Säule und fabrizieren daraus ein Stuhlbein oder einen Kronleuchter; nehmen historische Formen und zerren und pressen sie, bis sie in ihren Kram passen. Solch Unterricht ist ein Ausschlachten dessen, was als Klassik lebt. Wo aber das Schlachtmesser gewetzt wird, herrscht der Tod.
Mit dem, was die Natur wachsen läßt, wird nicht vorsichtiger noch klüger umgegangen. Festnageln heißt die Parole. Mitten durchs Herz werden die Nägel
getrieben. Der Naturunterricht aber kann nur Wahrheit und Leben schaffen, wenn er anleitet: die Logik, den fruchtbaren Geist der gewachsenen Formen zu erfassen, das Gesetz der Verhältnisse, die Unbedingtheit der
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