JEAN FRANҪOIS MILLETDER WINDSTOSS
Von J. Meier-Graefe
in guter Teil der deutschen Auffassung des
Impressionismus, und zwar der mildere und bessere Teil, riecht stark nach Apotheke. Die Reize der Retina, die Spektralanalyse, das Komplementärproblem und das Divisions
prinzip bilden die Terminologie der Kritik dieser neuen Kunst. Man spricht von reinen Farben mit derselben Geläufigkeit, mit der man früher vom reinen Gemüt u. dergl. han
delte. Und so hat sich in manchem Laien die Ueberzeugung gebildet, man müsse ein Physiker, ein Optiker, ein Gelehrter sein, um die Bilder der Impressionisten zu würdigen. Schon der Name drängte die Auffassung auf ein physiologisches Gebiet. Im
pression! Damit konnte doch nicht einfach
der Eindruck gemeint sein; mindestens nicht der aller Kunst eigentümliche Eindruck auf
das Seelische. Es klingt anders, wenn man vom Herzen redet oder von pulsierenden Arterien.
Ein Unbehagen bemächtigt sich des Laien. Unwillkürlich brachte man den Impressionis
mus mit dem Materialismus in Verbindung, der den Menschen als Säugetier und Vetter des Affen behandelt. Es war eine Säugetierkunst. Seine Wirkungen schienen animali
scher Art. Da malte einer Spargel, einen einfachen Bund Spargel, der zu einem Meister
werk ausgerufen wurde und, bei Licht be
trachtet, nur ungemein nach Spargel aussah. Manets Bildnisse, selbst das seiner Eltern, bestanden aus Fleisch und Kleidern. Ueberhaupt, das Fleisch! Man las nur noch von Fleisch, von Fleischfarben, Fleischmalern, von Fleisch am Mittag und im Dämmerlicht, im
Die Kunst für Alle XXV. 7. I. Januar 1910.
ÜBER IMPRESSIONISMUS
Von J. Meier-Graefe
E
in guter Teil der deutschen Auffassung des
Impressionismus, und zwar der mildere und bessere Teil, riecht stark nach Apotheke. Die Reize der Retina, die Spektralanalyse, das Komplementärproblem und das Divisions
prinzip bilden die Terminologie der Kritik dieser neuen Kunst. Man spricht von reinen Farben mit derselben Geläufigkeit, mit der man früher vom reinen Gemüt u. dergl. han
delte. Und so hat sich in manchem Laien die Ueberzeugung gebildet, man müsse ein Physiker, ein Optiker, ein Gelehrter sein, um die Bilder der Impressionisten zu würdigen. Schon der Name drängte die Auffassung auf ein physiologisches Gebiet. Im
pression! Damit konnte doch nicht einfach
der Eindruck gemeint sein; mindestens nicht der aller Kunst eigentümliche Eindruck auf
das Seelische. Es klingt anders, wenn man vom Herzen redet oder von pulsierenden Arterien.
Ein Unbehagen bemächtigt sich des Laien. Unwillkürlich brachte man den Impressionis
mus mit dem Materialismus in Verbindung, der den Menschen als Säugetier und Vetter des Affen behandelt. Es war eine Säugetierkunst. Seine Wirkungen schienen animali
scher Art. Da malte einer Spargel, einen einfachen Bund Spargel, der zu einem Meister
werk ausgerufen wurde und, bei Licht be
trachtet, nur ungemein nach Spargel aussah. Manets Bildnisse, selbst das seiner Eltern, bestanden aus Fleisch und Kleidern. Ueberhaupt, das Fleisch! Man las nur noch von Fleisch, von Fleischfarben, Fleischmalern, von Fleisch am Mittag und im Dämmerlicht, im
Die Kunst für Alle XXV. 7. I. Januar 1910.