JUGEND
	 
				Und die Quartierfrau spricht’ gedruckt:

Wenn nicht verlobt, ist der verriickt!

Und schliesslich kommt der grosse Tag;

Cylinder, lichte Handschuh’ — Frack —

Der Pfarrer predigt inm Gewéhnen,

Der Brautigam schluckt fremde Thrinen,

Sehr salzig — mit Champagner geht es,

Dann noch die Hochfluth des Geredes,

Gedichte, Toaste — furchtbar lang.

Ein End hat alles — Gott sei Dank! —

Jetzt kommt der Zeitpunkt weitr’er
Wendung,

Die héh’re Stufe der Vollendung.

Der schrankenlosen Freiheit Spuren

Verlieren kraftige Naturen

Nur widerstrebend — aber doch —

Im heil’gen schweren Ehejoch.

Allmahlig zeigt sich mancherlei,

Was leider nicht in Ordnung sei;

Die Mutter sagt’s — die Gattin auch,

Bedenklich scheint so mancher Brauch,

Der Nahrung, Kleidung, Lagerstatt

Bisher ihm liebgewonnen hat;

Hinwieder spiirt er Unbehagen

An allen Wasch- und Ausstaubtagen;

Denn nichts ist so verschieden meist,

Als was man ein Vergniigen heisst.

Der Eine rudert in Tricot,

Den Andern macht das Brauhaus froh,

Der schwirmt ftir unerstieg’ne Klippen,

Der fiir Probirmamsellen-Lippen,

Und Karpfenfang, Thierschutzverein

Soll auch recht unterhaltlich sein,

Hingegen meint ein anderer Herr:

Posaunenblasen noch weit mehr;

Da, spricht der Dritte, dank’ ich schén,

Ich zitchte Tulpen und Cacteen,

Und schliesslich staunt doch Jedermann,

Wie man dergleichen treiben kann.

Da ist die Ehe radical,

Sie trennt die Schlacken vom Metall,
	Und so begreift der Ehemann:
	Man darf nicht Alles, was man kann.
Die Liebe spielt mit Mond und Sternen,
Doch in der Ehe gilt’s zu lernen.

Und zeigt inm gegen Monatsende

Die Hausfrau ernst die leeren H&nde,
Er greift ans Herz nach Dulderart,

Wo er sein Porte-monnaie verwahrt.
Und hat das liebe Kind Migrin’,

Und kann das Rauchen nicht aussteh’n,
Den Stengel zieht er aus dem Hals,
Und geht in’s Wirthshaus néth’genfalls.
Im unbewachten Augenblick

Da denkt er freilich auch zuriick,

Um sehr bekiimmert anzustellen

Die sonderbarsten Parallelen.
Erkenntniss ist ein schénes Ding:

Die Raupe wird zum Schmetterling.
Beim Mannchen ist es umgekehrt:

Als Schmetterling kommt er zur Erd’,
Erst wenn der Ehebund besiegelt,

Ist das Insekt nicht mehr gefliigelt

Und kapselt sich dann meist zu zwei’n
In einer stillen Wohnung ein,

Bis es vielleicht die Hiille sprengt,

Als Raupe nach dem Wirthshaus drdngt.
Und die Moral erscheint ihm hie:

Wer Fliigel hat, der brauche sie;
Urplétzlich kommt ihm in die Quere
	Die Schwiegermutter mit der Scheere!
M. HELF.
	Hymnus auf Hymen
	Wohlthitig ist der Ehe Brauch,

Denn wen Gott liebt, den straft er auch;
Und sicher gibt es wunde Stellen

Im Leben jedes Junggesellen,

Wo Manches sich als Mangel zeigt,
Was jeder Biograph verschweigt.

Ein graues Haar, das man erspaht,

Ein Knopf, an dem man hilflos néaht,
Die Hand beim Morgenthee verbritht,
Das alles redet zu Gemiith:
Tollkiihnheit wird hier Menschenpflicht,
Die Sache geht so weiter nicht.
Bekanntlich dauert nichts auf Erden,
	Das schonste Schwein muss Schinken werder.
	Granitgebirge wird zersetzt,

Es freit der schénste Mann zuletzt.
Zwar naht er lang mit Widerstreben
Den Leuten, welche Balle geben,
Doch irgendwo kreuzt seinen Pfad

Die Mutter, welche Téchter hat;

Sie priift mit unverhohl’ner Freude
Die Aechtheit seiner Eingeweide,

Er ringt nach Fassung, und sie spricht:
Der Mann ist tauglich — oder nicht.
Der Kraftmensch aber sagt sich gerne,
Hier ist nur Rettung in der Ferne
Und, ob’s auch sitsse Worte regnet,
Entflieht er in gesiind’re Gegend.

Die wunderschénsten Qualitéten

Sind oft an solchem Mann vertreten,
Nur sprosst im Junggesellenheim

Der schlechte bei dem guten Keim;
Und wie einmal die Dinge liegen,
Moralisches macht kein Vergniigen,
Die Liebe lobt man als Erfindung,

Die Ehe kostet Ueberwindung.
Begreiflich nun, wie segensvoll

Die Hand, die da regieren soll,

Damit wenn er in Treue wedelt,

Der Mensch zum Gatten sich veredelt.
Notorisch sind in allen Landen

Nun leider Manner auch vorhanden,
Die, ohne was im Schild zu fiihren,
Den Stand des Brautigam’s probiren,
Die skrupellos — und sich zu Ehren
Die késtlichsten Diners verzehren,
Und schliesslich, statt sich zu verma&hlen,
Sich eines Tages sanft empfehlen. —
Wie anders nun der bess’re Mann,
Der ehrlich thun will, was er kann!
Im Gegensatze zum Verrather

Steigt bei ihm stets das Thermometer,
Bescheiden im Familienkreise
Geniesst er seine Lieblingsspeise,
Und sagt der ,,Jiingste“ Verse her,

Er hért sie an und lobt sie sehr;

Ist eine Tante in der Nah’,

Er weiss ihr einen Hustenthee,

Wird der Kanarienvogel krank,

Er kennt ein Mittel — Gott sei Dank;
Auch ein Recept fiir Dunstobst hat er,
Politisch denkt er wie der Vater,

Und ist begeistert, wenn zuletzt

Das Fraulein sich zum Fltigel setzt
Und ihn in’s Reich der Téne fihrt,
Denn dann — das weiss er — wird soupirt.
Und eines Tages ist’s gescheh’n,

Man sieht ihn schwarzgekleidet geh’n,
Man sieht ihn schwarzgekleidet kommen,
Begeistert halb und halb beklommen,
	Zeichnung von A, Halmi,
Im Variététheater