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	nur in der Anordnung folgt er mehr einem malerischen Prinzip,
indem er z. B. seine Fenster nicht einzeln in gleichgemessenen
Abstinden, sondern in Gruppen geschlossen anbringt. Der in-
teressanteste Theil des Gebaudes ist die Bahnhalle. Hier hat
der Architekt eine, soviel mir bekannt, neue Construction ап-
gewendet. Die Halle ist mit Ausnahme der Seitenmauern, welche
in der obern Abtheilung Fensterreihen von kleiner Dimension
mit halbkreisrundem Abschluss haben, von Holz gebaut. Die
Dachriistung ist offen. Bei der grossen Weite der Halle, ware
der Architekt gendthigt gewesen ein Hang- und Sprengwerk
in der gewéhnlichen Weise anzuwenden, wobei die Haupttrag-
balken immer noch tief genug kommen mussten, um den —
selbst gefahrlichen — Einwirkungen der Locomotive ausgesetzt
zu sein. Dem zu begegnen hat der Architekt grosse Bogen
aus Holz construirt, auf deren obern Theil das Dach unmit-
telbar aufliegt, wahrend ihr Fuss bis auf die untere Abtheilung
der Seitenmauern herunterreicht. Die dreieckigen Zwischen-
felder zwischen Dach und Mauer einer- und Bogen anderseits
wurden zu Verzierungen benutzt, die bei der haufigen Wieder-
kehr der Bogen dem Ganzen ein reiches und lustiges Aussehen
geben, wenn man auch durch die vielen grossen Rippen unwill-
kihrlich an das Innere eines Wallfischbauches erinnert wird
— was indess zu den schnaubenden, schaufenden Ungethiimen,
die da aus- und einlaufen, ganz gut passt. — Sehr geschickt
hat Birklein durchgangig in diesem Bau Heizung mit heissem
Wasser angebracht, und die Réhren in den Fussboden gelegt,
so dass die Warme aus Canalen, die mit durchbrochnen guss-
eisernen Platten tiberdeckt sind, aufsteigt.

Schliesslich noch ein Paar Worte tiber den Einfluss, wel-
chen die grossen 6ffentlichen Bauunternehmungen hier auf die
Ausfihrung von Privatbauten geaussert haben. Eine Zeitlang
blieb dieser Theil der Architektur fast ganz unberiihrt von den
dort kundgewordenen Bestrebungen; man baute Hauser fast
eigentlich nur als Rentenanstalten; selbst Bediirfniss und Be-
hagen kamen nicht vorwiegend zur Sprache; Asthetische An-
forderungen so gut wie gar nicht, wenn man nicht etwa das
Compliment rechnen will, das man dem Gesetze der Symmetrie
machte, indem man bei einer rechis an der Fronte gesetzten
Thire eine zweite links fir unerldsslich шей, und ihrer Blind-
heit durch ein eingesetztes Fenster abhalf. Leider fallr diese
Gleichgiiltigkeit der Kunst gegen das Privatbediirfniss grade in
die Zeit, wo dieses am staérksten war und Millionen zum Auf-
bau ganzer Stadttheile verwendet wurden, die nun 6d’ und kahl
und charakterlos dastehen als ein Vorwurf gegen die Zeit, die
sie erschuf. Seit etwa zehn Jahren aber haben einzelne Ar-
chitekien angefangen, abweichend von dem Herkommen, den
ihnen zum Bau tbertragenen Privathéusern, ein bestimmtes,
eigenthimliches Geprage aufzudriicken. Man griff zuerst nach
den byzantinischen oder romanischen Formen, man suchte durch
Gruppirung der Fenster, durch Erkern und Altane der Fagade
Mannichfaltigkeit und Interesse zu geben; man versuchte ander-
weilige Gliederungen, Eintheilungen, Schmuck, und schon zahlt
Miinchen eine betrachtliche Anzahl solcher Wohnungen, die
wenn sie auch noch nicht eine einheilliche Durchbildung im
Styl, Freiheit und Neuheit in der Ornamentik, vor allem noch
einen fahlbaren Mangel in den Verhaltnissen bekunden, doch
das Auge wohlgefallig beschafligen und sich sclbst durch wirk-
liche Theilnahme am Leben der Kunst tber das Alltagliche
erheben. Ausser Biirklein haben in dieser Richtung vornehm-
lich gewirkt Metzger, Reuter, Braunmihl, und mit ganz be-
sonderem Glick Moninger, dessen mehr germanisch gehaltenes
Haus in der Canalstrasse zu den schénsten nevern Baudenk-
	malen Miinchens zu zahlen 1st. (Fortsetzung folgt.)
	Die neuc Pinakothek von Voit ist im verflossenen Jahr
sehr betrachllich geférdert worden. Dies Gebdude steht vor-
erst sehr im Nachtheil gegen andere, indem es seinen Haupt-
schmuck nicht von der Architektur, sondern von der Malerei
erhalt, namlich von den stereochromischen Gemalden, welche
nach Kaulbach’s Zeichnungen die Aussenwande bedecken wer-
den. Bei einer Breite von 100 F., 368F. lang, hat es die
Fronle und den Haupteingang an der schmalen Seite. Es hat
nur ein Stockwerk fiber dem Erdgeschoss; aber dieses liegt
hoch, und das obere Stockwerk ist in seiner mittlern Abthei-
lung tiberhéht. Man tritt durch ein dreithoriges Vestibul in
das Treppenhaus, das seiner ganzen Anlage nach der Pracht-
theil des Gebiudes werden wird. Die Treppe fihrt in zwei
Gangen rechis und links, parallel mit den einschliessenden
Mauern empor zur Haupteingangsthtre der Galerie, von wo
man riickwarts den Anblick ciner grossen offenen Loggia hat,
die itber dem Vestibul steht. Nun folgen sich 5 grosse Sale
von 40 F. Breite und 47 F. Tiefe, welche die mittlere Abthei-
lung ausmachen; sie und die stidlich anstossenden fiinf Zimmer
von 22F. Breile haben Oberlicht; die nérdlich anstossenden
14 Cabinelte (nebst der Stiege im 15. Raum) werden durch
gewohnliche Fenster erleuchtet. Cabinette und Zimmer sind
fir kleinere Gemalde bestimmt; die gréssern Sale sind wenig-
stens theilsweis an bestimmte Werke vergeben; so wird den
Mittelpunkt des ersten Saales Kaulbachs Bildniss vom Konig
Ludwig machen; im zweiten ein grosses Oelgemalde von Hein-
rich Hess; im dritten Kaulbachs Zerstérung Jerusalems; im
vierten Schorns Siindfluth aufgestellt werden. Am Schluss die-
ser dreifachen Abtheilung nimmt sodann ein grosser Saal die
ganze Breite des Gebéudes ein mit einer Tiefe von 51 Fuss.
Hier werden Rottmanns 23 griechische Landschaften aufgestellt
werden und zwar unter einer architektonischen Vorkehrung fir
die mdglichst starkste Wirkung des auch hier angewandten
Oberlichtes. Kein Lichtstrahl и das Auge des Beschauers;
dagegen wird die Lichtstrémung wie in einem Canal volllaufig
auf die Gemalde gefiihrt. Die Wirkung ist freilich ausserordentlich.

Dass die Basilica Zieblands ganz vollendet und
nur dem religidsen Gebrauch noch nicht tibergeben ist, darf
als bekannt vorausgesetzt werden. Fir Benedictiner bestimmt,
dirfte bei dem Gedanken an ihre Einweihung das Bedenken
aufgeslossen sein, ob der urspriingliche Plan noch jetzt durch-
gefiihrt werden solle. Der Architekt selbst, den wir mit Recht
zu den ausgezeichnetsten, kenntnissreichsten und fahigsten
unsrer Kiinstler zihlen, ist vorlaufig — am Actenpult der Re-
gierungscanzlei beschaftigt!

Der neue Friedhof Gariners, ein weites Todtenfeld
mit nach innen offener, nach aussen hochummauerter Saulen-
halle mit offener Dachristung, zu welcher eine Vorhalle Гав,
die mit neun kleinen Kuppeln iberwélbt ist, wartet gleichfalls
der Einweihung. Dem Vernehmen nach wird der Architekt
selbst und der bald nach ihm verstorbene Schwanthaler den
Reigen der stillen Bewobner dieser Prachiwohnung erdéffnen.

Von den Schiilern Gartners hat zunachst Birklein eine
ziemlich umfassende Aufgabe zu lésen gehabt in der Anlage
des hiesigen Bahnhofs der Siid-Nordbahn. Das Feld war
sehr gtinstig, indem sich keine Beschrankung darbot, und cin
weiter Platz vor dem Gebaéude diesem selbst jede asthetische
Wirkung sicher stellle. Die Stirnseite des Hauptgebaudes gleicht
der einer altchristlichen Basilica, mit einer vortretenden Sau-
lenvorhalle und einer grossen Rosette unter dem mit der Haupt-
wand verbundenen Giebelfeld. Zwei Seitengebaéude treten mit
in die Flucht der Vorhalle vor und geben dem Ganzen eine mas-
senhafte Gruppirung. In denFormen hat sich Birklein ziemlich ge-
nau an die sogenannten byzantinischen Formen Gartners gehalten,