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	mit den vier Kardinallugenden zusammengesteilt’) und Sonne
und Mond bei der Krenzigung nach wie vor durch menschliche
von einem Kreise umschlossene Képfe bezeichnet.

Hiermit ist aber auch der Kreis der symbolischen Gestalten,
deren sich die bildende Kunst bediente, geschlossen. Man sieht,
ihre Zahl ist klein und die Bildner gingen noch weniger als
die Dichter tiber die Grenzen der Tradition hinaus. Selbst
innerhalb derselben suchten sie nicht nach neuen, symbolisch
bedeutsamen Gegenstiinden; die ausgefihrten Gleichnisse der
Evangelien, welche im 16. Jahrhundert vielfach dargestellt
wurden, gelangten noch nicht dazu, und noch weniger ver-
suchte die Kunst sich an weiter entwickelte Allegorien, wie
sie wohl bei Kirchenlehrern und Dichtern vorkamen. Vor Allem
in der bildenden Kunst zeigt sich daher der Unterschied der
mittelalterlichen Symbolik von der modernen Allegorie; diese
giebt sich als eine menschliche Erfindung, jene, als eine der
Willktr entzogene, auf die Offenbarung gegriindete Ueberlie-
ferung. Daher nnterscheiden sich die symbolischen Perseni-
ficationen des Mittelalters so wenig von den historischen Ge-
stalien, dass ihre Zusammenstellung einen durchaus harmoni~
schen Eindruck macht, wahrend uns in modernen Bildern die
Vermischung allegorischer Figuren mit wirklichen Gestallen
verletzt, Freilich ist dabei noch eine andere Verschiedenheit
beider Kunstepochen wirksam. In der modernen Kunst sind
die historischen Gestallen naturalistisch aufgefasst, hier in einer
idealen, sie den symbolischen Figuren annahernden Allgemein-
heit. Dort sind sie von wirklicher Natur umgeben und mit
den Allegorien in einen der Wirklichkeit nachgeahmten Zu-
sammenhang gebracht; hier stehen beide nur nebeneinander auf
einem architektonischen oder idealen Hintergrunde. Die Ver-
schiedenheit liegt daher auch in dem Gesetze der Composition,
welches in neuerer Zeit naturalistisch, in den Bildwerken des
Mittelalters symbolisch ist. Die symbolische Auffassung der
Gestalten steht daher mit dieser Raumsymbolik in nothwendi-
gem innern Zusammenhange, beide erganzen einander. Auf
anderm als diesem symbolischen Boden widen diese Gestalten
fremdartig erscheinen und bei andern naturalistisch aufgefassten
Gestalten wiirde diese Raumsymbolik ihre Bedeutung verlieren.
Vereint aber verleihen beide der mittelalterlichen Kunst einen
eigenthiimlichen Charakter und Werth. Sie versetzt uns we-
niger in die Wirklichkeit und erweckt das individuelle Mitge-
fiihl nicht in dem Grade, wie die moderne Kunst, sondern
bleibt mehr im Reiche des Gedankens. Aber dadurch gestaltet
sie der dichtenden Phantasie und dem sinnenden Verstande

eine freiere Entfaltung, vermag in tiefere Gedankenbeziehungen
einzugehen, sie mit plastischer Kraft vor die Seele zu fihren
und zu einem harmonischen Ganzen zu gestalten. Einige Bei-
spiele werden dies zeigen. (Schluss folgt.)
	TAunstliteratur.
	hunderts einige Aufmerksamkeit zugewendet haben, muss das
obige Werk, welches die ganze Cullurgeschichte jenes Landes
in dieser Epoche betrifft, als eine Erscheinung von der wich-
tigsten Art mit Freuden begriisst werden. Graf Leon de
Laborde, der sich durch seine ebenso geistreichen als griind-
lichen Forschungen auf dem Gebiete anliker, wie miltelalter-
licher Kunst einen europdischen Namen erworben, hat sich in
diesem Werke die grosse Aufgabe gestellt, das bisher so un-
gemein dirftige Material der niederlandischen Kunstgeschichte
fir jene Epoche auf dem héchst mihseligen Wege urkundlicher
Forschungen in der Weise zu bereichern, wie dieses in den
letzten Jahrzehnien fir einen Theil der Kunstgeschichte Italiens,
von Friedrich von Rumohr, Gaye und Ciampi geschehen ist.
Der Verfasser beginnt seine Forschungen mit dem Jahr 1384,
dem Regierungsantritt Herzog Philipp des Kihnen, als Grafen
von Flandern, und schliesst dieselben mit dem Jahr 1482, als
dem Todesjahr der Maria von Burgund. Unter den benutzten
Quellen nehmen die erste Stelle die Rechnungen ein, zunachst
kommen die allen Inventarien, endlich die Briefe in Betracht.
Den eigentlichen Mittelpunkt der Untersuchungen machen die
bildenden Kinste aus, einschliesslich der Baukunst, mit allen
ihren Verzweigungen und manchen im Mittelalter so eng mit
denselben verbundenen Handwerken. So schliessen sich den
Nachrichten tiber die Baukiinstler, die tiber Zimmerleute, Schlos-
ser, Schiffbaumeister u.s.w. an, so den fiber die Bildhauer,
die tiber die Goldschmiede, die Juweliere, die Stempelschnei-
der, die Giesser, die Waffenschmiede, so endlich denen tiber
die Maler, die fiber die Miniatur-, die Glas-, die Emaille-
Maler (welche letztere meist mit den Goldschmieden zusammen-
fallen), die Teppichwirker und die Sticker, so wie tiber die
Holzschneider und Kupferstecher, Nur die wichtigsten dieser
Kunstzweige koénnen den Hauptgegenstand dieser Anzeige bil-
den. Ueber den Zustand der Literatur gewahren die Nach-
richten iiber die Gelehrten, Dichter, Geschichtschreiber, Ueber-
seltzer, tiber die Gewerbe die Notizen von den Fabrikanten
und Kaufleuten von Tuch, Sammet, Pelzwerk u.s.w., von den
Uhrmachern, Schneidern, Schustern etc. mehrfache Auskunft.
Um das reiche und lebendige Gesammibild des Hofes jener
alten Herzoge von Burgund zu vervollstandigen, sind endlich
auch Nachrichten iber grosse Feste, tiber von denselben ge-
machte Geschenke, verliehene Jahrgelder, iber Sanger, Aerzte,
Astronomen, Narren, Maitressen und Bastarde aufgenommen
worden. Alle diese Gegensténde kann ich indess hier nicht
in nahere Betrachtung ziehen. Ueber die fir die Geschichte
jener Zeit so wichtigen Gesandtschaflen und einzelne Boten
der Herzoge von Burgund wird der Verfasscr in einem beson-
deren Werke handeln.

In der Einleitung wird eine kritische Muslerung der Haupt-
quellen gegeben. Die Archive zu Lille, Dijon und Brissel
cnthallen zusammen alle Rechnungen, welche wir iber die
Ausgaben jener Herzoge von Burgund besitzen. Dieselben
haben wunderbarer Weise den Sturm der franzésischen Revo-
lution fast unversehrt tiberdauert und ergénzen und conirolliren
sich untercinander auf eine sehr glickliche Weise. Wenn die
Archive von Lille und Dijon vorzugsweise die Rechnungen fir
Flandern und das Herzogthum Burgund umfassen, so enthialt
das von Briissel von Jahr 1404 ab die Rechnungen fir Bra-
bant, Limburg, Luxemburg, Geldern, Hennegau, Namur, und
ausserdem die Rechnungen uber die Verwallung der Stidte,
der Abteien, Kléster und Kirchen jener Lander, indem diese
gehalten waren, Abschriften derselben dahin einzusenden.
Ausserdem ist aber in Brissel auch das Stadtarchiv wichtig,
wie die aus demsclben geschépften Nachrichten von Herrn
Waulers dber Rogier van der Weyden den alleren beweisen,
	Les ducs de Bourgogne etudes sur les lettres, les arts et
Vindustrie pendant le XV° siecle et plus particulierement
dans les Pays-Bas et le duché de Bourgogne par le

comte de Laborde, membre de Tinstitut. Seconde
	Partie. Tome 1. Preuves. Paris Plon Freres 1849.

Mit einer Einleilung von CLXI Seiten, 512 Seiten Text und
71 Seiten Register. Gross 8°.

Von &. F. Waagen,
	Von allen, welche der hohen Bedeutung der Blithe der
bildenden Kiinste in den Niederlanden wahrend des 15ten Jahr—
	{} So auf dem Taufbecken im Dom zu [ildesheim. Kratz, d OD. z. I. Taf 12.