zeigt der malerische Schmuck verschiedener, in der National-
bibliothek zu Paris befindlicher, portugiesischer Manuscripte,
namentlich eine Chronik von Guinea vom Jahr 1453, mit dem
Bildniss des beriihmten Heinrich des Seefahrers an der Spitze,
in allen Theilen die auffallendste Aehnlichkeit mit den flandri-
schen Miniaturen dieser Epoche. Wie sehr aber spater die
flandrische Kunst in Portugal eingebirgert war, beweist der
in dem Buch des Grafen Raczynski tber die Kunst in Portugal
zuerst zu Offentlicher Kunde gelangte Umstand, dass im Jahr
1518 sieben oder acht flandrische Maler an der Pest starben,
welche ausdriicklich aus ihrem Vaterlande gerufen waren, um
dem Maler Franz Henriquez bei der vom Kénig Emmanoel an~
geordneten Ausmalung des Justizpalastes, htilfreiche Hand zu
leisten.

Ich komme jetzt auf den Inhall der in diesem Bande abge-
druckten Urkunden. Derselbe gewahrt nun allerdings von der
Prachtliebe, dem Reichthum, der Freigiebigkeit, dem Hofleben
und so manchen anderen Beziehungen jener alten Herzége von
Burgund durch die Masse von interessanten Details eine schr
lebendige und héchst vortheilhafle Vorstellung. Ungleich min-
der giinslig gestallet sich aber das Urtheil tiber dieselben als
Beschiitzer und Férderer der bildenden Kiinste im héheren Sinn
des Worts. Die Zweige derselben, woftr sie sehr betracht-
liche Summen verwenden, die Goldschmiede und die Teppich-
wirker, erhallen diese Unterstitzung vorzugsweise, weil sie
Gegenstinde ihrer Prachtliebe ausmachen, Dasselbe gilt auch
von den Miniatur-Malern, denn auch die reich eingebundenen
und mit in Gold und schénen Farben ausgefihrten Initialen,
Randern und Bildern geschmickten Manuscripte gehérien zum
Prachigerith. Die grésseren Summen, welche wir ibrigens
wirklich an Maler verausgabt finden, betreffen die sehr unter-
geordnete decorative Kunst, das Bemalen von Fahnen, von
Ristungen fir Mann und Ross, von Wappen etc. Die Anzahl
der von ihnen beschaftigten Maler, welche eigentliche Kunst-
werke ausfihrten, ist dagegen gering und mit Ausnahme des
Jan van Eyck befindet sich darunter kein cinziger der bekann-
ten Meister jener berihmten Schule, weder Rogier van der
Weyden der Aeliere, noch sein trefflicher Schiller Jan Mem-
ling, weder Justus von Gent, noch Uugo van der Goes. Ja
selbst die Arbeiten, welche Jan van Eyck fiir seinen beson-
deren Beschitzer, den Herzog Philipp den Guten, ausgefiihrt
hat, scheinen ziemlich unbedeutend zu sein und sich kaum tiber
einige Bildnisse und einige kleine Andachtsbilder zu erstrecken.
Ebenso ist die Zahl der eigentlichen Bildhauer sehr klein, und
ausser den Grabmalern der Herzoge von Burgund zu Dijon,
bei deren Errichtung die Pietét doch immer die Hauptrolle
spielt, sind von den Herzogen aufgetragene Arbeiten nur we-
nig nachzuweisen. Noch ungleich weniger zu ihren Gunsten
erscheinen aber jene Herzoge in Beziehung auf die Architektur.
Es lisst sich weder irgend ein kirchliches, noch ein wellliches
Bauwerk von einiger Bedeulung nachweisen, welches sie hatten
ausfihren lassen, sondern ihre ganze Thatigkeit in dieser Be-
ziehung ersireckt sich auf gelegentliche Um- und Anbauten.
Selbst wenn die tbrigen Archive noch manche von ihnen ge-
machte Beslellungen von Kunstdenkmalen enthalten sollten, so
halt doch die Beschitzung, welche sie den Kiinslen angedcihen
liessen, immer keinen Vergleich mit der hauptsdchlich von der
Liebe zu denselben ausgehenden so mancher italienischen Fir-
slen aus, welche ihnen an Macht und Reichthum sehr weit
nachstanden, wie die Gonzaga in Mantua, ja, selbst die Monte-
	  feltre in Urbino. Die Hauptursache der bewunderungswirdigen
		Blithe der Kiinste in den Niederlanden wahrend des 1iten
Jahrhunderts ist daher immer in den begiiterten und kunstsin~
nigen Gemeinden der Stadte zu suchen. Sie waren es, welche
	welche ich in meinem Aufsatz Uber diesen grossen Kunsiler
im Kunstblatt von 1847 benutzt habe. Unter den sonstigen
Archiven in Belgien werden besonders die von Briigge und
Lowen hervorgehoben und die Arbeiten des leider verstorbenen
Hrn. Scurion und Hrn. Carton iiber das erste, die der Herren
Piot, Thiry, Thys und Schayes tiber das letzte mit Recht rihmlich
erwaihnt. Von den gewiss einst héchst wichtigen Archiven zu
Liittich und Antwerpen hat das erste durch die Plinderung von
1468, das zweile durch die von 1576 ausserordentlich gelitten.
Die Archive anderer Stidte, als von Tournay, Ypern elc. ge-
wihren zwar immer ein namhaftes, aber doch mehr lokales
Interesse. Aus den bedeutendsten dieser Archive giebt nun
der Verfasscr nach Maassgabe der Wichtigkeit bald vollstan-
dige Abschnitte, bald Ausztige, wobei er die alte Schreibart
durchweg getreu beibehalt, tnd nur die Accente uud die In-
terpunction hinzufiigt. Dieser erste Band wird vollstandig von
dem Material aus dem Archive von Lille angefillt. Das Мае-
rial aus den tbrigen Archiven wird noch zwei Bande einneh-
men, der nichste aber den Nachrichten aus der Nationalbiblio-
thek von Paris gewidmet sein, in welcher ausser den Urkunden
des Hofes der Konige von Frankreich, auch die der Héfe von
Orleans, Berry und Anjou befindlich sind. Auch Inventarien
Philipp des Guten, und des Kénigs Carl VY. von Frankreich
werden darin abgedruckt werden. Die aus diesem reichen
Material von dem Verfasser gezogenen Ergebnisse werden end-
lich noch zwei Bande fillen. In den an interessanten Nolizen
sehr reichen Anmerkungen der Einleitung’ wird noch yon einem
anderen, wichtige Nachrichten tiber die allniederlindische und
die altfranzésische Malerschule enthaltendem Werke Nachricht
gegeben, Es ist dieses die couronne margaritique, ein Gedicht
des am Hofe der Margaretha von Oestreich zu Mecheln leben-
den Jean Lemaire, dessen Handschrift sich in der Nalional-
bibliothek zu Paris befindet. Unter den allgemeineren Betrach-
tungen hebe ich noch folgende hervor. Sehr richtig wird die
wunderbare Ausbildung der realistischen Richtung in der van
Eyck’schen Schule gewiirdigt, welche man erst vollslandig
beurtheilen kénne, wenn man Stadte wie Briigge und Gent
selbst besucht habe, und sehr treffend hemerkt, wie dieselbe
durch die friihe und ausserordentliche Ausbildung der Miniatur-
Malerei, fiir die erstaunliche Ausfihrung des Einzelnen gefor-
dert worden sei. Fiir dic Art der Auffassung habe ich einen
neuen Grund in der bereits gegen die Mitte des i4ten Jahr-
hunderts in derselben realistischen Richtung schon zu so gros~
ser Meisterschaft gelangten Bildhauerschule von Tournay gel-
tend gemacht*). Unter den Ursachen des ausserordentlichen
Einflusses, welchen diese Kunst in der zweiten Halfte des
151еп, ja theilweise noch in der ersten Halfte des i6ten Jahr-
hunderts in Frankreich, Deutschland, Italien, wie in Spanien
und Portugal ausgelibt hat, wird sehr richlig die Macht und
der Reichthum hervorgehoben, durch welche der Burgundische
Hof in ganz Europa in so hohem Ansehn stand. Fir Spanien
und Portugal, deren Kunstgeschichte fiir die friiheren Jahr-
hunderte noch so sehr im Dunkeln liegt, geht der Verfasser
bei dem Nachweis jenes Einflusses auf verschiedene interes-
sante Einzelheiten ein. So lasst sich der flandrische Einfluss
in der Sculptur schon an dem gegen 1400 gearbeileten Stand-
bilde in dem Kloster des heil. Dominicus zu Madrid wahrneh-
men, welches eine lediglich der flandrischen Schule in dieser
frihen Zeit ecigenthimliche Individualisirung zeigt, Entschei-
dend fir die Malerei musste die langere Anwesenheit des Jan
van Eyck in Portugal im Jahr 1429 einwirken, zumal als da-
mals der kunstliebende Kénig Johann I. dort regierte, Auch
	“) S. meinen Aufsatz Nr. 1 und 3 im Cotta’schen Kunstbl. von 1848.