Wsewolod Nekrassows poetische Notizen Поэтические записки Всеволода Некрасова
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G nter Hirt und Sascha Wonders Іюнтер Хирт и Саша Вондерс
Ausgew hlte Bibliografie Избранная библиография
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»Ich lebe ich sehe« – Lyrik der Welt russisch
Eugen Gomringer
In dieser Zeit, in der wir das Lebenswerk des russischen Dichters Wsewolod Nekrassow kennenlernen, scheinen mehr Menschen denn je zu glauben, sie w ssten, was Poesie ausmacht. Es regt sich aber der Zwiespalt, ob Poesie, wenn sie vordringlich als poetry, gleichsam comedy serviert wird, oft im m ndlichen Vortrag entstehend, und damit das richtige zeitgeistige Verst ndnis von Poesie beanspruchend, nicht gerade vor solcher Vereinnahmung zu bewahren sei. Nekrassow – darin sehen wir vorwegnehmend die Bedeutung seines Werkes – kann helfen im berbr cken, auch im Zur ckfinden. Es kam ja wie alles heute berst rzend schnell aus Nordamerika (sozusagen tornadotrendig), als wir im Zeichen der allgemeinen Komplexit t das weite Feld der supranationalen Lyrik einmal einer Revision unterziehen wollten und mit dem Barcode 39 ein neues Schriftbild ein bten. Allerdings erschien poetry usw. auch nicht ganz unangemeldet. Denn dass da und dort aus abgekl rter Poesie poetry wurde, dazu f hrte eine der Entwicklungslinien selbst hin: der Weg der Konkreten Poesie in komplexer Zeit, in komplexem Umfeld. Es musste wohl deren oft straffem Auftreten – nimmt man alles in allem – von irgendeinem Demiurgen eine Lockerungs bung verordnet worden sein. Andererseits erfolgte der Einwand, dass mit der respektlosen bernahme knapper Texte der Konkreten Poesie bisweilen das Vordergr ndige des Wortspiels f r das Ganze gehalten werde, weil keine bung mehr war im Erfahren des Einfachen. Nat rlich hat sich das Einfache, als Lesbares direkt vor Augen Stehende, von Mystikern, Taoisten und Trappisten formelartig Verk ndete und von J ngern Festgehaltene unmissverst ndlich bernahmen der schnellen Art stets verweigert. F r poetry blieb nur das Banale.