RICHTIGES DEUTSCH.


Die Sprache iff das kofibarfie Gut eines Volkes. Wer fleh fprachlich auf der Höhe halten will, muß ßetig an fleh arbeiten, verbeifern, hinzulernen. Folgende Beifpiele aus der täglichen Praxis mögen diefe drin
gende Notwendigkeit dartun. „Humoriflifche Vorträge und Konzertmufikfiücke verfchönerten den Abend. Statt Konzertmufikfiücke muh es entweder Konzertfiücke, oder aber Mufikflücke heißen. Konzert ifi ein Vorfrag von Tonfiücken, Mufik ebenfalls, demnach find beide Wörter nebeneinander eine Übertreibung. Weiter darf es in vorfiehendem Säße nicht verfchönern heißen, fondern es muß verfchönen gefchrieben werden. Handelt es fleh um etwas Konkretes (Greifbares, Körperliches), fo gebraucht man verfchönern. Iff jedoch von etwas Abffraktem (Begrifflichem, Geifiigem) die Rede, fo heißt es verfchönen. Z. B.: Das Haus wird durch den Anffrich verfchönert, aber: Das Konzert (alfo etwas nicht Greif
bares) kann einen Abend nur verfchönen. — „Ein neu überholtes Leichtmotorrad fleht hier bei W. zum Verkauf.“ Überholen im Sinne wiederherrichten (ein Modewort) heißt das Fahrzeug neu aufmachen, neu ifi deshalb vor überholt überflüfflg. „Steht zum Verkauf bei W.“ iff fchwülfiiges Deutfch, warum nicht einfach „verkauft W.“! — „Es muß alles feine geregelte Ordnung haben.“
Da Ordnung fchon etwas Geregeltes bedeutet, ifi in unferem Beifpiel „geregelte“ fortzulalfen. — Der Verein „Helvetia“ faßte den Befchluß, in gemeinfamem Zufammenarbeiten zur Verbefferung der Notlage bedürftiger Mitglieder einen Fond zu gründen.“ Für Befchluß faßen iff einfacher befchließen zu feßen. Gemeinfame Zufammenarbeit iff wieder eine Übertreibung, da ja Zufammenarbeit fchon etwas Gemeinfames vorffellt. Verbefferung in obigem
Falle zu gebrauchen ifi falfih. Die Notlage foll nicht verbeifert (d. i. vergrößert), fondern gebelfert, d. i. verringert werden. An
Stelle von Fond muß Fonds flehen. Geldmittel, Geldbefiand find Fonds, Fond aber (alfo ohne s) bedeutet Grund, Hintergrund, z. B. eines Gemäldes. — „Er verbrachte feinen vierwöchenflichen
Urlaub in den Bergen.“ Wöchentlich, wöchig, monatlich, monatig ufw. werden (wie auch in vorliegendem Falle) gar häufig falfch angewendet. Die Endfilbe lieh zeigt die zeitliche Wiederkehr an, z. B. die wöchentliche Lohnzahlung, d. h. der Lohn wird jede Woche gezahlt. Die Endfilbe ig hingegen gibt den begrenzten Zeitraum
an, z. B. er machte eine dreimonatige Reife, d. h. eine Reife, die drei Monate dauerte. Bei einem vierwöchentlichen Urlaub bekäme
alfo der Mann alle vier Wochen Ferien — ein beneidenswerter Mann! — „Die Billetts müffen laufend nummeriert fein.“ Billett, von dem franzöfifchen billet, bildet in der Mehrzahl Billette. Da
das Fremdwort Billett fich jedoch gut deutfch überfeßen läßt, und zwar mit Fahrkarte, Fahrlchein, Eintrittskarte, follte man es überhaupt vermeiden. Numerieren kommt von dem lateinifchen Zeit
wort numerare (zählen), man darf es deswegen nicht mit mm fchreiben. — „Zur Düngung dürfen nur ffickffoffreie Stoffe Ver
wendung finden.“ Stickffofffrei muß mit drei f gefchrieben werden. Die Regel lautet: Man kann drei aufeinanderfolgende gleiche Mit
laute nur fchreiben, wenn ein vierter folgt (in unferem Falle r). Für „Verwendung finden“ feßen wir befler „verwendet werden“. — „In Dankbarkeit Euer geliebter Sohn.“ Statt geliebter foll es hier natürlich liebender heißen, denn der Sohn will lagen, daß er feine Eltern liebt (liebend ifi Tätigkeitsform), nicht aber, daß er geliebt wird (geliebt iff Leideform). Das wäre ja auch eine unziem
liche Anmaßung. — „Der Arbeiter A. von hier fiarb im Betriebe der Firma G. eines fchrecklichen Todes. „Des Todes fierben
iff eine unfinnige Übertreibung, es genügt da in jedem Falle ein
fach „fierben“. — „Dem Zeugen wurde ans Herz gelegt, nur über wirkliche Tatfachen fich zu äußern.“ Tatfache und Wirklichkeit befagen im Grunde dasfelbe, Wirkliches iff auch Tatfächliches, beide Wörter nebeneinander zu gebrauchen iff alfo übertrieben. — „Sandten Ihnen für Ihre Rechnung und Gefahr . . . .“ Zunächfi fagen wir fiaft fandten befler wir fandten. Für Ihre Rechnung mag hingehen, aber für die Gefahr jemandes etwas zu verfenden, geht nicht an. Man will doch dem Kunden keine Gefahr bereiten. Es
muß zumindeff „für Ihre Rechnung und auf Ihre Gefahr“ heißen. — „Wir bleiben Rechnung mit Belagblatt erwartend.“ Dies ifi ein wahres Monffrum von Saß. Ifi der einfache Gebrauch eines Mittel
wortes der Gegenwart fchon verpönt (wie hier erwartend), fo ifi „bleiben erwartend“ geradezu häßliches Deutfch. Am beffen heißt es kurz und gut „wir erwarten“. Ein weiterer fchwerer Fehler fieckt in Belagblatt. Ein Schriftfiück kann nur Beleg fein. Es gibt wohl den bekannten Zungenbelag, der eine Erkältung anzeigt. Volkstümlich heißt Belag auch Brotzugabe. — „Unfere Zahlungs
bedingungen find entgegenkommend. “ Bedingungen können nicht entgegenkommend fein, wohl aber kann der Verkäufer „durch feine Bedingungen“ dem Kunden entgegenkommen. — „Wir haben diefe Sorte nicht mehr auf Lager vorrätig.“ Da auf Lager dasfelbe wie vorrätig befagt, haben wir es hier wieder mit einer Übertreibung zu tun. — „Im Falle der Weiterveräußerung behalten wir uns das Eigentumsrecht an der Ware vor.“ An Stelle des häufig gebrauchten Wortes Weiterveräußerung fleht befler einfach Veräuße
rung, denn veräußert jemand etwas, fo gibt er es natürlich auch weiter. — „Wir fandten Ihnen eine erneute Rechnung, und bitten wir, dorthabende vernichten zu wollen.“ Erneute Rechnung ifi falfch. Man fagt entweder eine neue Rechnung oder aber erneut eine Rechnung, erneut ifi nicht abwandelbar. Und bitten wir.......
und haben wir .. . ufw. enthalten einen ebenfo häßlichen wie häufig vorkommenden Fehler. Das perfönliche Fürwort folgt dem Zeitwort nur dann, wenn es fich um einen Frage- oder auch Ausrufe
faß handelt. Z. B.: Haben Sie ihn gefehen ? oder: Haben Sie aber viel Geld! In allen anderen Fällen aber fleht das Fürwort vor dem Zeitwort. Somit muß es auch im vorliegenden Falle..., und wir bitten ... heißen. „Vernichten zu wollen“ ifi überhöflich und fchwülfiig, einfach „zu vernichten“ ifi befler. Das Mittelwort der Gegenwart „habend“ von dem Hilfszeitwort haben iff überhaupt nicht zu gebrauchen; ganz falfch aber ifi es, mit dem Mittel
wort auch noch ein anderes Wort (wie in unferem Falle dort) zu verbinden. — „Ihre Rückantwort freundlich!? erhoffend, zeichnen wir hochachtungsvoll!?.“ Da eine Antwort immer etwas iff, das zurückkommt, ifi an Stelle Rückantwort einfach Antwort zu fchreiben. Freundlich!?, hochachtungsvoll!? ufw. find häßliche Über
treibungen. Man veranfchauliche fich einmal die Steigerungen von freundlich bei verfchiedenen Perfonen, die alfo eine freund
liche, freundlichere und freundlichfie Miene zeigen. Wo iff denn da eine Grenze zu ziehen? Es wird wohl in allen Fällen genügen, freundlich zu fein, wenn diefe Freundlichkeit nur echt ifi und nicht fcheinbar, d. i. vorgefäufcht. Mit hochachtungsvoll!? verhält es fich ähnlich. II? jemand voll der Hochachtung, fo müßte er bei einer Steigerung diefes Wortes ja förmlich überlaufen. Das wäre doch des Guten zuviel. Hierher gehört auch herzlich!?. Herzlich befagt von Herzen kommend, und da das Herz fchon das Innerfie des Menfchen iff, kann es darüber hinaus auch keine Steigerung geben.
— „Sollte Ihnen die Ware nicht zufagen, dann, bitte, refourieren Sie uns diefelbe.“ Refourieren im Sinne von zurückfenden zu gebrauchen iff falfch, es muß retournieren heißen (von dem franzö
fifchen Zeitwort retourner = zurückfenden, zurückkommen). Zudem
ifi diefes Fremdwort durchaus entbehrlich, da es dafür gute deutfehe Wörter gibt (zurückfchicken, -fenden), die denfelben Sinn haben. Falfch angewendet ifi auch in unferem Beifpiel das Wort diefelbe. Eine einfache Regel, um den um diefes Wort fich bilden
den Schwierigkeiten zu begegnen, lautet: der-, die-, dasfelbe find nur dann zu gebrauchen, wenn man ausdrücken will, daß es fich wirklich um das gleiche, das nämliche handelt, oder: wenn man an ihre Stelle ebenfogut der, die, das nämliche feßen kann,— „Die Sturmböe entwurzelte zwei knorrige Eichen.“ Hier enthält das Wort „Sfurmböe“ gleich zwei Fehler. Bö wird ohne e gefchrieben, und da die Bö ein kurzer Windfioß ifi, muß „Sturm“ in Sturmbö fortfallen.
Diefer kurze Streifzug möge einmal mehr beweifen, wie viele Fehler täglich auch dem unterlaufen, der die deutfehe Sprache wirklich zu beherrfchen wähnt. Alfred Jafper.