ZEITSCHRIFT


FÜR


BÜCHERFREUNDE. Monatshefte für Bibliophilie und verwandte Interessen.


Herausgegeben von Fedor von Zobeltitz.


7. Jahrgang 1903/1904.Heft 9: Dezember 1903.




Die Wiedergeburt des Holzschnitts.


Von
Dr. Max Osborn in Berlin.
III.
In England begegnen wir der gleichen Entwicklung. Wir hatten den englischen Holzschnitt in dem Augenblick ver
lassen, da Bewicks Erfindung die Xylographie jenseits des
Kanals von Grund aus reformiert hatte. Der Ruhm des englischen Holzschnitts blieb auch in der Folge hauptsächlich auf das technische Gebiet beschränkt. Von London aus kamen John und Charles Thompson nach Deutschland und Frankreich, um die Lehren Bewicks als Apostel
zu verbreiten, doch die künstlerische Seite des Holzschnitts ist weder bei uns noch in Frank
reich durch England beeinflußt worden. Der Wert des englischen Holzschnitts aber lag darin, daß die Xylographen jeder Zeichnung in einer Weise gerecht wurden, wie man das bei uns nicht kannte. Jedes Blatt der großen illustrierten Zeitschriften, wie der „Art Union“ die seit 1837, und der „Illustrated London News“ die seit 1842 erschienen, war ein Meisterstück
chen (Abb. 74). Ungeschicklichkeiten und Roheiten trifft man schon in den ersten Jahr
gängen nicht mehr an. Mit glänzendem Geschick verstanden es auch die Xylographen
des „Punch“, die humoristischen, derb burlesken Zeichnungen der Karikaturisten wiederzugeben.
Der charakteristische englische Humor, der in den Linien dieser Satiriker lag, wurde von den Technikern ohne Rest auf den Holzstock übertragen.
Der englische Holzschnitt unterscheidet sich in seiner ganzen Art wesentlich vom französi
schen und deutschen. Er hat nicht die schlichte Art des Faksimile, in der wir Besonderes leisten, diese oft etwas ungelenke Manier, hinter der sich doch so viel Empfindung verbirgt; er hat auch nicht die raffinierten Effekte des französi
schen Holzschnitts, die grellen Gegensätze zwischen schwarzen Schattenpartien und scharfen
Lichtern, die hineinspielen. Der Engländer ist in seiner ganzen Art auch hier kühler als der Deutsche und der Franzose. Die Virtuosität seiner Stichelführung hat nie etwas eigentlich Erwärmendes, Hinreißendes. Die technischen Neuerungen Bewicks sind natürlich nirgendwo so benutzt worden wie in England. Die Malerei mit kleinen weißen Linien, die der Spitzstichel überall aus der schwarzen Grundfläche heraus
schneidet, ward hier in erstaunlichem Maße ausgebildet. Wichtig war für England, daß es den fabrikmäßigen Anstaltsbetrieb, der sich in
Frankreich und noch mehr in Deutschland einbürgerte, nie kennen lernte. Überhaupt hat der englische Geschmack den Holzschnitt