LESSER URY †
Gerade, da die Berliner Nationalgalerie dazu rüstete, Lesser Urys 70. Geburtstag mit einer großen, festlichen Ausstellung seines Lebenswerkes würdig zu feiern, ging er hin . . .
Sein gesamtes Schaffen, das anfänglich mit dem Max Liebermanns parallel lief, war schon rein temperamentmäßig von diesem großen Impressio
nisten verschieden. Die achtziger und neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ließen ihn als Er
gebnis seiner Reisen nach Frankreich und Belgien eine große Reibe von Werken schaffen, die bei einfachsten Motiven von einer geradezu meister
haften Farbengebung waren; sie sind neben den gleichzeitigen Schöpfungen Max Liebermanns die besten Leistungen in der Frühepoche des Impressionismus.
Lesser Ury setzte sich aber auch, wie nur ganz wenige, mit dem Problem der Monumentalkomposition gründlich auseinander; es seien nur das
Tryptichon „Der Mensch“ und „Jerusalem“ erwähnt, Leistungen einziger Art, denen, wie über
haupt seinem Schaffen, hohe Anerkennung gezollt wurde; und auch seine Spätwerke (z. B. Berliner Straßenbilder) weisen reifstes malerisches Empfinden auf.
Einsam begann es in den letzten Jahren um den großen Künstler zu werden, und es hätte die große Ausstellung seines Werkes auch auf ihn, der gerne allein seine Wege ging und wahrlich nichts dazu beitrug, die Geltung seines Namens zu stärken, zu festigen, versöhnlich gewirkt.
Er hat es nicht erleben dürfen und sollen. Tragik im Künstlerleben.
Nun wird die Lesser-Ury-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie zu einer Gedächtnisschau . . . Sie wird, als wohl schönste Totenfeier für einen bildenden Künstler, Rang und Namen eines Lesser Ury in die Geschichte deutscher Malerei reihen.
(Wir behalten uns vor, das Werk Lesser Urys noch eingehend zu würdigen. D. Red.)
ALBIN EGGER-LIENZ
VON GUSTIN US AMBROSI
Zum fünften Todestag des Künstlers.
(Bozen, 4. November 1926)
Nun gingst du beim, wo alle Ziele hegen! Du weilest wohl in Gottes Angesicht, —
Der du dem öden Dasein längst entstiegen, Die Sehnsucht schufst nach Fülle, Geist und Licht! O dein Gestalten war ein Sturm von Siegen!
Welch tiefer Kampf aus Sammlung und Verzicht! Du hast der Arbeit den Olymp gegeben — Und eine Majestät dem Bauernleben!
Eindringend in des Landvolks stillste Stunden, — In Fleißes Wirken, in Beschaulichkeit, — Hast du die namenlose Form gefunden, Des Göttlichen geheime Menschlichkeit!
Ja, deine Wesen, tief in sich verschwunden Sind schlicht wie alle Ewigkeit! —
Des Menschenherzens ungeheure Weiten
Schufst du mit stolzer Macht der Einfachheiten!
Und Sein und Werden, Leben und Vergehen Schufst du! Und stolzen Aufruhr, Glut und Wut! Des Blutes Sinnen, Wirken und Verstehen, — Der Seele Adel und des Herzens Mut!
Das Leben schufst du, mahnend: es sei Lehen! Den Tod als Tor in himmelsweites Gut!
Das Menschentum dem Gotte zum Gedächtnis
Wirkenden Geists! — Es ist nun dein Vermächtnis!