JAHRGANG LVI.1906.


HEFT IV BIS VI.




Die neue Hauptmarkthalle in Köln. Vom Beigeordneten B. Schilling in Trier.


(Mit Abbildungen auf Blatt 18 bis 24 im Atlas. )
(Alle Rechte Vorbehalten. )
Geschichtliche Entwicklung des Kölner Marktwesens.
Über das Kölner Marktwesen zur Römerzeit wissen wir wenig Bestimmtes, doch lassen die massenhaft im Kölner Boden aufgefundenen römischen Handelswaren aller Art auf einen sehr belebten Marktverkehr in der Römerstadt Köln
schließen. Neben dem vorzüglichen Straßennetz, über das die Römer in den Rheinlanden verfügten, scheint dem Rhein eine geringere Bedeutung für die Lebensmittelzufuhr beizu
messen zu sein, wobei man sich gegenwärtig halten muß, daß das römische Köln nicht eigentlich unmittelbar am Rheine gelegen war. Die Römerstadt baute sich auf einer kleinen Hochebene auf, deren dem Rheine zugekehrter Ostrand um etwa 300 m von der jetzigen Uferlinie entfernt lag. Zwischen Stadt
mauer und Fluß erstreckte sich ein Tiefgebiet, das bei Hochwasser überschwemmt wurde, und in dem beim Steigen des Rheines über Mittelwasser die höher liegenden Flächen als Inseln erschienen (Schultze und Steuernagel in Colonia Agrippinensis).
Dieses Gebiet wurde zur Zeit des mittelalterlichen Köln, das im Rheinstrom seine Lebensader besaß, der Schauplatz eines ungemein lebhaften und be
deutsamen Markttreibens, über das wir genugsam Nachrichten besitzen, um uns ein anschauliches Bild davon entwerfen zu können. Sowohl die
jenigen — sagt Ennen, Geschichte der Stadt Köln, dem wir in den nachstehenden Schilderungen viel
fach folgen werden, wenngleich Ennens Angaben, nicht durchweg quellenmäßig belegbar sind —,
welche kaufmännischen Großverkehr trieben, wie diejenigen, welche vom Handel auf dem Tages
markt lebten, suchten sich hier Lagerhäuser und Verkaufsstätten für ihre Produkte und Handelsartikel zu sichern. Wie lebendig sich der Han
delsverkehr an dieser Stelle entwickelte, wie günstig die Bedingungen hier waren, beweist die Tatsache, daß das Recht des an dieser Stelle angelegten, vom König anerkannten und bestä
tigten Marktes schon im Jahre 994 als Muster für andere Märkte hingestellt werden konnte.
Allmählich verschwanden von dem „Markte“ — zuerst vom Erzbischof Everger (984 bis 999) so genannt — die beweglichen Bänke und Buden, und an ihrer Stelle erhoben sich vielfach statt
liche Häuser, die für die Zwecke des Großhandels im Innern mit geräumigen Kellern, Speichern und Lagerräumen, für den Kleinhandel mit vor
gebauten Buden und „Gaddemen“ versehen waren. Das XIII. Jahrhundert weist auf dem Markt
bezirk schon meist vollständig bebaute Straßen auf, wogegen es sich bei den Urkunden des X., XI. und XII. Jahrhun
derts um „Plätze, Stände und Buden“ handelte. Die so
entstandenen Straßen und Plätze wurden nach den früheren Standplätzen benannt, und teilweise bis ins XIII. Jahrhundert zurück werden namhaft gemacht: der Fischmarkt, Butter
markt, die Mühlengasse, Salzgasse, Unter Kästen („inter cistarios“, d. h. Verkaufsstände aus Kisten — wie die Kuchenbäcker auf den heutigen Jahrmärkten, die ihre Buden aus
Abb. 1. Stadtansicht nach Hollar (1656).
Am Ufer rechts vom St. Martinsturm das alte Fischkaufhaus.
Abb. 2. Alter Markt in Köln im Jahre 1660.