JAHRGANG LVI.




1906.HEFT VII BIS IX. Bauten auf dem Hauptgestüt Trakehnen


Vom Kreisbauinspektor Becker in Zeitz.
(Mit Abbildungen auf Blatt 38 bis 41 im Atlas. )
(Alle Rechte Vorbehalten. )
Vorgeschichte.
Allgemeines. Das Königliche Hauptgestüt Trakehnen liegt in der Provinz Ostpreußen in den Kreisen Stallupönen
und Gumbinnen, 16 km von der russischen Grenze entfernt (vgl. den Lageplan Text-Abb. 1). Sein Gebiet wird im Norden durch die Eisenbahnlinie Berlin — Eydtkuhnen — Petersburg berührt; eine vom Bahnhof Trakehnen ausgehende
Chaussee verbindet die Eisenbahnstation mit der 6 km südlich gelegenen Ortschaft gleichen Namens. Das in beschei
denem Umfange gegründete Gestüt ist im Laufe der Zeit durch Ankauf der umliegenden Güter erheblich erweitert worden und umfaßt jetzt zwölf Vorwerke (Trakehnen, Bajohrgallen, Gurdszen, Taukenischken, Danzkehmen, Burgsdorfs
hof, Birkenwalde, Kalpakin, Guddin, Jonasthal, Jodszlauken,
Mattischkehmen) mit einer zusammenhängenden Bodenfläche von rd. 4200 ha, welche teils aus Weiden, teils aus Acker
land besteht. Die Einwohnerzahl beträgt insgesamt rd. 2000 Köpfe. Der Pferdebestand beläuft sich jährlich durchschnitt
lich auf etwa 1300 Stück und besteht aus Hengsten,
Mutterstuten und Fohlen — letztere in einem Alter bis zu 3 Jahren. — Für den Wirtschaftsbetrieb werden daneben noch ungefähr 250 Arbeitspferde und ebensoviele Zugochsen gehalten. Etwa 450 Stück Rindvieh befinden sich im Privat
besitz der Beamten, Wärter und Arbeiter und sind auf den Vorwerken untergebracht. Das Gestüt besitzt insgesamt rund 300 Gebäude, die im wesentlichen zur wohnlichen Unter
bringung der Beamten-, Wärter- und Arbeiter- (Deputanten-) Familien, ferner zu Zuchtzwecken, zur Aufnahme der Pferde
bestände, sowie zur Aufstellung des Viehs des gesamten Gestütpersonals dienen. Die Futtervorräte werden teils in Speichern und Scheunen, teils in den Dachräumen der Ställe
gelagert. Außer den vorgenannten Gebäuden allgemeiner Art befinden sich auf dem Gestüt eine Reihe von Bauten
für gemeinnützige Zwecke (Gestütlazarett, Apotheke, Gasthaus, Schlächterei und dergl. ) Für den Unterricht der Kinder
ist durch fünf auf verschiedene Vorwerke verteilte Schulen gesorgt, welche zusammen neun vollbesetzte Klassen auf
weisen. Das Hauptgestüt ist in die Kirchspiele der beiden benachbarten Dörfer Enzuhnen und Szirgupönen eingepfarrt, jedoch steht die Loslösung sowie die Gründung einer selb
ständigen Kirchengemeinde Trakehnen mit einer eigenen Kirche
in Aussicht. Sämtliche Baulichkeiten, vom Herrschaftshause bis zur Schlächterei und dem einfachen Deputantenstall herab
sind staatseigen. Für Baustoffe, als Ziegel und Dachpfannen usw. zu Neu- und Unterhaltungsbauten des Hauptgestüts sorgt eine eigene auf dem Vorwerk Mattischkehmen befind
liche Dampfziegelei, das Holz zur Unterhaltung der Gebäude wird zum größten Teil aus der Rominter Heide gekauft und auf der Dampfsägemühle Trakehnen geschnitten. Die baulichen Angelegenheiten des Gestüts gehören zum Dienst
bereich des Königlichen Kreisbauinspektors in Stallupönen, welchem die Ausführung von Neubauten sowie von größeren Änderungen und Instandsetzungen obliegt. Kleinere Unter
haltungsarbeiten, die unter 1000 ℳ kosten, werden durch die Gestütsverwaltung selbst bewirkt, welcher hierbei ein dem Gestütdirigenten in dienstlicher Hinsicht, dem Kreisbauinspektor in technischer Beziehung unterstellter Gestütbautechniker zur Seite steht. Letzterem ist zugleich die Leitung der technischen Betriebe und Beaufsichtigung der Neubauten mitübertragen.
Gründung und Entwicklung des Gestüts. Die Gründung des Gestüts erfolgte im Jahre 1732 unter dem Könige Friedrich Wilhelm L, der eine Anzahl Königlicher Gestütabteilungen Litauens in Trakehnen vereinigte. Es diente zuerst ausschließlich zur Deckung des Pferdebedarfs für den Königlichen Marstall. Eine grundlegende und seinem heutigen Zwecke entsprechende Umwandlung erfuhr das Gestüt unter Friedrich dem Großen. Die Schwierigkeiten, welche damals die Beschaffung und Ergänzung des Pferde
bestandes der Reiterei bot, sowie die großen Geldsummen, die dafür an das Ausland gezahlt werden mußten, veranlaßten ihn, zur Stärkung der Wehrkraft der Armee und um die aufgewandten Mittel dem eigenen Lande zu er
halten, in Ostpreußen eine selbständige Landespferdezucht zu gründen. Das Trakehner Gestüt blieb infolgedessen seit dem Jahre 1773 nicht mehr auf die Erzeugung und Lieferung des Pferdebedarfs für den Königlichen Marstall beschränkt, sondern stellte die Hengste auch Privatpersonen zur Deckung der Stuten zur Verfügung. Auf dieser Grundlage haben sich später unter der Regierung Friedrich Wilhelms II. die Land
gestüte entwickelt, deren Beschäler ausschließlich zur Deckung der Stuten von Privatzüchtern bestimmt sind. Die Besetzung dieser Landgestüte erfolgte damals, wie dies auch heute noch
Abb. 1. Königliches Hauptgestüt Trakehnen.