der hl. Martha vorstellend, ebenfalls aus Neustift, tritt das Tirolisch-Deutsche gegenüber dem Italienischen schon schärfer hervor. Andere Bilder der Brixener Malerschule konnten die Kongressbesucher im Ferdinandeum und im Kloster Wüten vergleichen. Weit reicher ist die Ausstellung an Werken des Künstlerkreises der sich um den grossen Michael Pacher sammelte. Dem Meister selber schreibt Semper eine aus dem Petersstift zu Salzburg entliehene Tafel mit Maria, Margaretha und Katharina zu, und sieht in ihr einen Überrest jenes Flügelaltars, den Michael Pacher für die Franziskanerkirche in Salzburg in Auftrag bekam, und an dem er von 1495 bis zu seinem Tode im Jahre 1498 in Salzburg arbeitete. Sehr gut lernt man in der Ausstellung den Bruder Michaels, Friedrich Pacher, kennen, der eine viel weniger bedeutende Natur war und daher den Einfluss der Paduaner Malerschule nicht so selbständig zu verarbeiten vermochte. Wohl ein frühes Werk seiner Hand ist ein Katharinenflügelaltar aus Neustift. Ebendaher ist eine Hinrichtung der hl. Barbara, während eine Taufe Christi, welche durch eine alte Inschrift auf der Rückseite dem Friedrich Pacher bestimmt und zwar für das Jahr 1483 zugewiesen wird, dem Erzbischöflichen Klerikalseminar zu Freising gehört. Zu diesen Werken trat noch im letzten Augenblick vor Eröffnung der Ausstellung ein Triptychon Friedrich Pacher’s aus dem Besitz von Emil Pacully in Paris, das im Mittelbilde die Dreieinigkeit darstellt. Der künstlerischen Bedeutung der besten Werke Michael Pacher’s sehr nahe kommt die Tafel mit den beiden Heiligen Jakobus und Stephanus aus dem Besitz des ProJ. Sepp in München, der ein Bild der Madonna von Engeln gekrönt zwischen Margaretha und Barbara aus der v. Vintler’schen Sammlung in Bruneck zur Seite tritt. Diese Werke zeigen den Stil Michael Pacher’s bereits etwas weiter entwickelt zu grösserer Einfachheit im Sinne der Hochrenaissance, was jedoch den Mangel der unvergleichlichen inneren und äusseren Wucht bei den Gestalten Michael Pacher’s nicht zu ersetzern vermag. In enger Verbindung mit den Sepp-v. Vintler’schen Werken steht eine Serie mit Darstellungen aus der Legende des hl. Augustin und eine zweiseitig bemalte Tafel mit der hl. Sippe und der Vertreibung des Joachim aus dem Tempel, beide aus Neustift und von derselben Hand. Die Holzschnitzschule, die sich an Michael Pacher angeschlossen hat, und die ihren Sitz in Bozen gehabt zu haben scheint, ist durch einen Altar aus dem Besitz von Hans Schwarz in Wien und besonders vortrefflich durch eine knieende Madonna, die von einer Anbetung des Kindes stammt und Dr. Albert Figdor in Wien gehört, vertreten. — Im zweiten Saal ist die herrschende Persönlichkeit Andrä Haller, ein Brixener Maler des 16. Jahrhunderts, dessen Namen wir von zwei bezeichneten Altarflügeln von 1513 im Ferdinandeum zu Innsbruck kennen. Er hatte sich an Dürer geschult und zeichnet sich durch Wärme und Schmelz der Farbe aus. Mit der Bedeutung Michael Pacher’s kann er sich nicht messen. Andere Werke des zweiten Saales zeigen, dass in den nordtirolischen Malerschulen des 15. Jahrhunderts sich der Einfluss Schongauers bemerklich macht und dass der oberdeutsche Einfluss dort auch im 16. Jahrhundert wirksam war. In dem Flügelaltar aus dem Besitz des Dekans Aloys Rautenkranz in Flaurling von 1510 mit der hl. Sippe im Mittelstück spiegelt sich die Augsburger Kunst wieder. Vier Tafeln mit der Auferstehung Christi, der Himmelfahrt Christi, der Ausgiessung des heiligen Geistes und Maria als Schützerin aus dem Ursulinenkloster zu Bruneck und vom Anjang des 16. Jahrhunderts verraten den Einfluss des Hans Schäuffelin.
Die Tiroler Kunst des 17. und 18. Jahrhunderts ver
anschaulichen Werke von M. Knoller, J. Platzer, J. Holzer, Troger, Strickner u. a. Von Philipp Haller und G. B. Lampi sind Bildnisse, von Joseph Koch Landschaften vorhanden.
Im dritten Saal mit Werken aller Länder aus tirolischem Privatbesitz sind besonders Bilder von Bronzino, Hans von Kulmbach und Lukas Kranach bemerkenswert.
An den Besuch der Ausstellung schloss sich der des Klosters Wilten, dann fand eine Sitzung des ständigen Ausschusses in der Universität statt, und am Abend versammelte ein von der Stadt Innsbruck gegebenes Festmahl alle Mitglieder und Teilnehmer des Kongresses, ca. 150 Personen, im grossen Stadtsaal, wobei der 87jährige Professor Sepp aus München in frischer Begeisterung ein Hoch auf die Stadt Innsbruck ausbrachte. — —
Am zweiten Kongresstage, Mittwoch, den 10. September, versammelten sich die Mitglieder 9 Uhr vormittags in der Aula der Universität. Der Vorsitzende teilte mit, dass ein Telegramm des Bürgermeisters von Strassburg i. E. eingetroffen sei, in welchem der Kongress Jür igo4 nach Strassburg eingeladen werde. Die Versammlung begrüsste diese Einladung mit grossem Beifall und beschloss dieselbe anzunehmen, was telegraphisch nach Strassburg mitgeteilt wurde.
Der Schriftführer brachte zur Kenntnis, dass der ständige Ausschuss eine Revision der Statuten nach den Erfahrungen der letzten neun Jahre für notwendig erachtet habe und legte dem Kongress folgende neue Fassung derselben vor. Die Veränderungen sind nichts als eine Weiterentwickelung aus den alten Statuten, wie sie sich aus den bisherigen Kongressen von selbst ergeben hat, unter Hinzufügung einer eingehenden Geschäftsordnung für den ständigen Ausschuss.
SATZUNGEN
DER hUNSTHISTORISCHEN KONGRESSE
I. Die kunsthistorischen Kongresse bezwecken die Förderung der gemeinsamen wissenschaftlichen Angelegenheiten unter den Fachgenossen aller Länder. Beratung wichtiger Fragen und Aufgaben der Kunstwissenschaft, Vorträge von allgemeinem oder örtlichem Interesse, Ausstellungen, Führungen, Exkursionen, sowie der persönliche Verkehr während der Kongresstage, sollen ebenso diesem Zwecke dienen, wie die dauernden Unternehmungen und die Arbeit besonderer Kommissionen, die von diesen Kongressen ausgehen.
II. In der Regel soll alle zwei Jahre im Herbst ein kunsthistorischer Kongress von zweitägiger Dauer stattfinden. Ort und Zeitpunkt des folgenden Kongresses bestimmt die jedesmalige Versammlung.
III. Alle Fachgenossen, die dem ständigen Ausschuss der Kongresse (Artikel VI) ihren Beitritt erklären, werden Mitglieder und als solche zu jeder Tagung durch die Post eingeladen. Sie zahlen zur Bestreitung des nötigen Aufwandes in jedem Kongressjahre einen Beitrag von fünf Mark (sechs Kronen, six Francs, fioc Shillings) und erhalten den offiziellen Bericht über die Verhandlungen zugesandt. Der Austritt kann durch schriftliche Abmeldung beim geschäftführenden Vorstand des ständigen Ausschusses nur in den Zeiten zwischen dem Schluss der einen und zwei Monate vor der folgenden Tagung geschehen. Nur Fachgenossen haben Stimmrecht.
IV. Sonstige Besucher der einzelnen Kongresse haben beim Ortsausschuss Eintrittskarten zum festgesetzten Preise zu lösen, erwerben als Teilnehmer an allen Veranstaltungen des Kongresses jedoch kein Stimmrecht bei Beschlüssen, Kommissionsberatungen u. s. w.
V. Jeder Kongress wird vom ständigen Ausschuss eröffnet und geschlossen. Die Versammlung wählt sich das Bureau, welches die Sitzungen leiten soll, selber. Nach Schluss der