Um ein Sandsteinbauwerk vor weiterem Verfall zu schützen, war bis vor wenigen Jahren das Hauptmittel: Man verstrich alle Risse und Lücken mit Cement. Dies hält zwar gut, doch desto schlechter sieht ein solches Flickwerk aus. Seit einigen Jahren versucht man nun den Stein dadurch vor dem Verfall zu schützen, dass man denselben mit einer geeigneten Flüssigkeit imprägniert. Man hat dazu verwendet Wachs, Öl, Paraffin, Wasserglas, Testalin und verschiedene andere Silikate. Auch Geheimmittel sind auf diesem Gebiete in Aufnahme gekommen. Die königlich sächsische Regierung hat auf Anregung Gurlitt’s Gutachten über die Erfahrungen mit derartigen Imprägnierungen gesammelt. Doch die gesammelten Urteile gehen völlig auseinander. Über eine wirklich brauchbare Imprägnierung geben diese Urteile keinen sicheren Aufschluss. Ein wirklich bewährtes Imprägnierungsmittel ist daher trotz aller Versuche noch nicht gefunden. Doch weitere Versuche sind von der grössten Wichtigkeit. Hoffentlich wird die reichdotierte »Jubiläumsstiftung der deutschen Industrie« dazu die Mittel zur Verfügung stellen. Aber auch wenn es gelingen sollte, dem Stein durch Imprägnierung eine stärkere Widerstandsfähigkeit gegen Regen und Frost zu geben, so wird ein Übelstand dabei wohl immer bleiben: Durch den Überzug mit derartigen Flüssigkeiten wird die natürliche Farbe des Steins verändert. Die Adern, welche die Oberfläche beleben, werden verschleiert. Der Stein bekommt das gleichförmige tote Aussehen eines unedlen Surrogats. Besonders die Marmordenkmäler Berlins, an denen man mit solchen Imprägnierungen seit etwa zwei Jahrzehnten experimentiert hat, sind dafür warnende Beispiele.
Es giebt Denkmäler, denen Wind und Wetter von Jahrhunderten nicht so empfindlich geschadet hat, als die Imprägnierungen weniger Jahre. Der Konservator der Kunstdenkmäler Preussens, Geheimer Rat Lutsch- Berlin, wies daher darauf hin, dass man Abhilfe auf andere Weise schaffen müsse. Wo es irgend möglich sei, müsse man die Bildwerke vor Feuchtigkeit schützen. Störender Baumwuchs sei zu beseitigen, Mauern seien trocken zu legen, Grabsteine z. B. dürfen nicht hart an eine feuchte Mauer gestellt werden. Auch die Bodenfeuchtigkeit müsse davon fern gehalten werden, z. B. durch Aufstellung der Steine auf einen besonderen Sockel. Wenn der Verfall der Steine so gross geworden ist, dass das Bauwerk einzustürzen droht, so muss man sich dazu entschliessen, den ganzen Bauteil abzutragen und mit Benutzung der brauchbaren alten Steine wieder aufzubauen. Dies hat Oberbaurat Hofftnann am Dom zu Worms mit Pietät und Geschick durchgeführt und dadurch den herrlichen Westchor des Doms vor dem sicheren Einsturz gerettet.
Auf die bisherigen Mittel zur Erhaltung der Skulpturen ging Professor Borrmann-RzrWn ein. Nach seinen technischen Erfahrungen sieht er keinen anderen Ausweg als den: Man müsse die Skulpturen vom Orte der Gefahr entfernen und unter Dach an eine geschützte Stelle bringen. Diese Frage sei die dringendste von allen Fragen, welche die Erhaltungen der Denkmäler
betreffen. Als Lord Eigin vor hundert Jahren die Marmorbildwerke vom Parthenon herunterholte, hat man dies als Barbarei verurteilt. Heute dagegen ist man zu der Überzeugung gekommen, dass Lord Eigin thatsächlich der Erretter der Parthenon-Skulpturen gewesen ist. So ist es auch mit Freuden zu begrüssen, dass man sich jetzt an der Liebfrauenkirche in Trier dazu entschlossen hat, die Figuren in das Innere der Kirche zu bringen. Anders geht man bei der goldenen Pforte in Freiburg zu Werke. Dort soll demnächst über den gefährdeten Skulpturen eine schützende Vorhalle errichtet werden. Kleine hölzerne Schutzdächer werden sich vielfach am Äussern der Kirchen über den Figuren anbringen lassen, ohne dass das Bauwerk dadurch ernstlich entstellt wird. Auch die Beschmutzung durch Vögel, welche gern in den Skulpturen der Portale ihre Nester bauen, schädigt die Skulpturen. An einem Bauwerk wie dem Augsburger Dom sind dadurch die Portalskulpturen in geradezu widerlicher Weise beschmutzt. In solchen Fällen giebt es keinen anderen Ausweg als den: Man muss die Originale in das Innere der Kirche bringen. Bei der Nürnberger Sebalduskirche hat man dies mit Takt und Umsicht gethan. Beim Strassburger Münster wird man sich jetzt endlich dazu entschliessen müssen, wenn die Verheerung einer Anzahl der herrlichsten Bildwerke des deutschen Mittelalters nicht immer weiter schreiten soll. An Stelle der Originalskulpturen soll man in solchen Fällen gute aus Sandstein gemeisselte Kopien am Äussern der Kirchen anbringen. An den Originalen dagegen soll man nichts ergänzen und vor allen Dingen nicht die schadhaft gewordene Oberfläche abkratzen. Um die Kirchenvorstände daran zu verhindern, Bildwerke an die Antiquitätenhändler zu verkaufen, muss in jeder Kirche ein amtlich unterschriebenes Inventar geführt werden. Diese Inventare müssen von Zeit zu Zeit revidiert werden.
Nach eingehenden Debatten über diese Fragen wurden auf Vorschlag des Geheimrats Lutsch die Professoren Gurlitt, Rathgen-Berlin, die Architekten Oberbaurat Hoff mann und Dombaumeister Arntz, sowie der Steinmetzmeister Rasche-Berlin in eine Kommission gewählt, welche bis zum nächstjährigen Tage für Denkmalpflege Erfahrungen über die Imprägnierung der Skulpturen sammeln sollen.
Aus dem übrigen Teil der zweitägigen Verhandlungen sei noch folgendes hervorgehoben: Der Architekt Bodo Ebhardt, der Restaurator der Hohen Königsburg, wies darauf hin, dass es im wissenschaftlichen Interesse dringend wünschenswert sei, bei allen Wiederherstellungsbauten die neuen Steine durch ein eingemeisseltes Steinmetzzeichen oder durch eine Jahreszahl als neue Ergänzungen kenntlich zu machen. Mehrere Redner traten lebhaft für diesen Vorschlag ein. Indessen wies Geheimer Baurat Hossfeld-Berlin nach, dass solche Zeichen nur bei Bauwerken aus Hausteinen möglich seien. Bei Ziegelbauten seien ähnliche Zeichen, Jahreszahlen oder Ziegelstempel nicht anzuwenden. Da müsse man an dem Bauwerk eine möglichst ausführliche Inschrifttafel anbringen, aus welcher klar ersichtlich sei, welche Teile des Bauwerks ergänzt wären.