zehnten ist die »Permanente Ausstellung« das Schmerzenskind des Vereins Berliner Künstler. Man kann, ohne ein Prophet zu sein, getrost weissagen: das wird immer so bleiben. Denn der Verein hat eben sogenannte »Vereinsrücksichten« zu nehmen, er ist ein geselliger und ein Unterstützungsverein — zu solchem Behuf ist er entstanden —, und es ist ihm seinem ganzen Charakter nach gar nicht möglich, in die Kunstentwickelung Berlins irgendwie entscheidend einzugreifen. Er hat auch niemals künstlerisch eine bedeutsame Rolle gespielt, wohl aber die grossen Sommerausstellungen, die sich früher unter der alleinigen Oberaufsicht der Akademie verhältnismässig wohl fühlten, seit seinem Eintritt in die Leitung im Niveau um ein Erhebliches herabgedrückt. Die Ausstellung im Künstlerhause leidet unter denselben Umständen, wie die grossen Generalbilderversammlungen im Moabiter Glaspalast seit jenem schlimmen Tage: die mittelmässigen und unbedeutenden Mitglieder des Vereins, die natürlich in der Majorität sind, behaupten, man dürfe sie nicht totschweigen, und man kann ihnen darin nicht einmal Unrecht geben. Denn man kann nicht verlangen, dass die Ausstellungskommission in der Bellevuestrasse den künstlerisch Unmündigen aus der Vereinsliste auf ihre Beschwerden das erwidert, was im 18. Jahrhundert ein französischer Polizeipräfekt einem revolutionären Zeitungsschreiber, der gerufen hatte: »Ich muss doch leben!«, zur Antwort gab: »Je n’en vois pas la nécessité.«
Von Zeit zu Zeit aber giebt es auch im Künstlerhause Ausstellungen, die einen Besuch wohl lohnen. Das ist meistens dann der Fall, wenn eine neue Kommission ihr Amt antritt, oder wenn sonst in der Verwaltung irgend eine Veränderung vor sich gegangen ist — was Gottlob recht häufig vorkommt. Auch jetzt ist ein solcher Fall wieder eingetreten, und die Folge ist, dass eine Sammlung von Kunstwerken zustande kam, die sich sehr wohl sehen lassen kann. Auch »der« kunsthändlerische Sekretär, den das Künstlerhaus seit dem letzten Winter wieder engagiert hat: Fräulein Mathilde Rabl, die mit durchaus männlicher Klugheit und Energie ausgestattete ehemalige Kassiererin des Vereins aus den Zeiten des Architektenhauses, die inzwischen einen eigenen Verkaufssalon eröffnet und ausserordentlich geschickt geleitet hatte, — auch dieser Faktor sorgt mit dafür, dass die Ausstellungen einigermassen anziehend ausfallen. Da in der Gunst des Berliner Publikums ausländische Kunst gegenwärtig, leider, am höchsten im Kurse steht, hat man sich mit Eifer jenseits unserer Grenzen umgesehen und eine recht stattliche Schar fremder Bilder herangezogen. Sogar die Schule von Fontainebleau findet jetzt ehrerbietige Aufnahme im Schosse des Künstlerhauses; man erlebt die Sensation, eine Landschaft von Daubigny, nicht gerade eins seiner Meisterstücke, aber doch ein sehr gutes Bild, dort an der Wand prangen zu sehen. Ja, selbst die jüngere Koloristenschule wird nicht mehr verpönt: der grosse dekorative Panneau von Besnard: »Die Fahrt nach der Insel der Seligen«, der auf der Weltausstellung von 1900 zuerst erschien, schmückt als Haupt-, Mittel- und Prachtstück der Ausstellung die Wand, die dem Eingang gegenüber liegt. Das Besnard’sche Bild ist ein glänzender Wurf. Mit erstaunlicher Kühnheit sind auf der kolossalen Fläche die zartesten und delikatesten Farbenwirkungen versucht; Accorde, die man sonst nur auf einem kleinen Pastell wagt, sind hier mit höchst raffiniertem Geschick in den enormen Massstab eines Riesengemäldes übernommen, und das Wagnis ist geglückt. Es strömt aus diesen Gelagen der Glücklichen auf dem üppigen Eiland, aus diesen Boten der Sehnsüchtigen, die vom Gestade des Lebens in das sonnige Reich fliehen, dem Beschauer wie Blütenduft und Flötenklang entgegen, wie die ein
schmeichelnde Melodie eines Rokokoliebesliedes von der Insel Cythera, die hier in modernisierter Gestalt wieder erscheint. Doch wichtiger fast noch als diese einzelnen Bilder ist im Künstlerhause die Kollektion farbiger Radierungen und Lithographien von jüngeren Pariser Künstlern, entzückende Blätter von Delâtres, Pinchon, Ranft, Maurin, Steinlen, Müller, Boutet, de Monvel und anderen.
Landschaften, Figuren, mondäne Scenen von eminentem Farbengeschmack und liebenswürdigster Zeichnung, fast jedes ein Labsal für den Kenner und fast jedes vortrefflich zum Zimmerschmuck geeignet für die zahlreichen Leute, deren Geldbeutel sich an Originalgemälde nicht heranwagen kann, und die bisher meist ohne Farbe mit Schwarz-Weiss-Reproduktionen auskommen mussten. —
Auch die Nationalgalerie hat sich seit geraumer Frist eine Art »permanente Ausstellung« angewöhnt. Im zweiten Corneliussaal, wo jetzt die untere Reihe der Kartons des göttlichen Peter grausam mit hellgrün getünchter Leinwand überdeckt ist, hat sich ein rundes Jahr hindurch die »Ausstellung der neuen Erwerbungen« in Permanenz erklärt. Der chronische Raummangel der Galerie ist nun zu einem akuten Leiden ausgebrochen, das wohl nicht eher kuriert sein wird, bis man im zweiten Stockwerk die angekündigte Amputation der Raczynskisammlung vorgenommen hat. In jüngster Zeit sind zu den neuen Ankäufen noch einige Werke hinzugekommen, während die grosse Ausstellung der Erwerbungen des letzten Sommers erst gegen Ende des Oktober in Scene gesetzt werden soll. Jene Einzelstücke sind, ausser den schon längst angekauften dekorativen Bildern von Max Rlinger — der Hälfte des ursprünglich für eine Privatvilla bestimmten Cyklus Böcklinisierender Meeresphantasien —, Bereicherungen der Porträtgalerie unseres modernen Museums: ein Bild des Kaisers von Max Koner, eins der besten Porträts des Monarchen, die der heimgegangene Künstler in so reicher Zahl gemalt hat, ferner ein Bildnis Gneist’s von Reinhold Lepsius, eine ausserordentlich feine, in der diskreten Harmonie der gedämpften Farben sehr schön wirkende Charakteristik, und die Pettenkoferbüste Adolf Hildebrand’s, eins der herrlichsten Werke, die je ein deutscher Bildhauer modelliert hat. Mit grimmigem Staunen sieht die vergoldete Corneliusbüste auf die Werke des unbotmässigen modernen Geschlechts herab, die nun neben ihr Platz und Geltung beanspruchen.
Im Innern der Museen, das sieht man immer wieder, kann man sich mit unserer offiziellen Kunstpflege ausgezeichnet vertragen. »Aber treff’ ich dich draussen im Freien, da soll der blutige Kampf sich erneuen . . .«
Jetzt gilt es einen Kampf gegen einen in Waffen starrenden Gegner: gegen den Roland auf dem Kemperplatz, den Otto Lessing dort als Abschluss der Siegesallee an die Stelle des guten, ehrlichen, alten Wrangelbrunnens gesetzt hat. Doch die Waffen dieses Pseudorecken sind nicht gefährlich. Rückt man ihm mit dem Rüstzeug künstlerischen Geschmacks auf den Leib, so werden sie zum Kinderspott. Welch ein jämmerlicher Repräsentant mittelalterlicher Kraft steht dann vor uns! Dann sieht man, wie ohnmächtig sich hier die moderne Virtuosenroutine bei dem Bemühen erwies, die starre Herbheit alter grosser Zeiten zu imitieren. Wie kleinlich und wirkungslos ist dieser geleckte Marmorheld, wenn man an seine rauhen Vorfahren aus Backstein oder Haustein denkt. Von dem verblüffenden Versagen des plastischen Gefühls gegenüber der Aufgabe, eine ganz freistehende Rolandgestalt zu schaffen, gar nicht zu reden! Wenn etwas den schlimmen Eindruck der Hauptfigur noch verstärken kann, ist es der Brunnenunterbau des Standbildes mit seiner fatalen Schokoladenfarbe, mit seiner grellen beleidigenden Vergoldung, mit seinen Dachziegeln aus
Von Zeit zu Zeit aber giebt es auch im Künstlerhause Ausstellungen, die einen Besuch wohl lohnen. Das ist meistens dann der Fall, wenn eine neue Kommission ihr Amt antritt, oder wenn sonst in der Verwaltung irgend eine Veränderung vor sich gegangen ist — was Gottlob recht häufig vorkommt. Auch jetzt ist ein solcher Fall wieder eingetreten, und die Folge ist, dass eine Sammlung von Kunstwerken zustande kam, die sich sehr wohl sehen lassen kann. Auch »der« kunsthändlerische Sekretär, den das Künstlerhaus seit dem letzten Winter wieder engagiert hat: Fräulein Mathilde Rabl, die mit durchaus männlicher Klugheit und Energie ausgestattete ehemalige Kassiererin des Vereins aus den Zeiten des Architektenhauses, die inzwischen einen eigenen Verkaufssalon eröffnet und ausserordentlich geschickt geleitet hatte, — auch dieser Faktor sorgt mit dafür, dass die Ausstellungen einigermassen anziehend ausfallen. Da in der Gunst des Berliner Publikums ausländische Kunst gegenwärtig, leider, am höchsten im Kurse steht, hat man sich mit Eifer jenseits unserer Grenzen umgesehen und eine recht stattliche Schar fremder Bilder herangezogen. Sogar die Schule von Fontainebleau findet jetzt ehrerbietige Aufnahme im Schosse des Künstlerhauses; man erlebt die Sensation, eine Landschaft von Daubigny, nicht gerade eins seiner Meisterstücke, aber doch ein sehr gutes Bild, dort an der Wand prangen zu sehen. Ja, selbst die jüngere Koloristenschule wird nicht mehr verpönt: der grosse dekorative Panneau von Besnard: »Die Fahrt nach der Insel der Seligen«, der auf der Weltausstellung von 1900 zuerst erschien, schmückt als Haupt-, Mittel- und Prachtstück der Ausstellung die Wand, die dem Eingang gegenüber liegt. Das Besnard’sche Bild ist ein glänzender Wurf. Mit erstaunlicher Kühnheit sind auf der kolossalen Fläche die zartesten und delikatesten Farbenwirkungen versucht; Accorde, die man sonst nur auf einem kleinen Pastell wagt, sind hier mit höchst raffiniertem Geschick in den enormen Massstab eines Riesengemäldes übernommen, und das Wagnis ist geglückt. Es strömt aus diesen Gelagen der Glücklichen auf dem üppigen Eiland, aus diesen Boten der Sehnsüchtigen, die vom Gestade des Lebens in das sonnige Reich fliehen, dem Beschauer wie Blütenduft und Flötenklang entgegen, wie die ein
schmeichelnde Melodie eines Rokokoliebesliedes von der Insel Cythera, die hier in modernisierter Gestalt wieder erscheint. Doch wichtiger fast noch als diese einzelnen Bilder ist im Künstlerhause die Kollektion farbiger Radierungen und Lithographien von jüngeren Pariser Künstlern, entzückende Blätter von Delâtres, Pinchon, Ranft, Maurin, Steinlen, Müller, Boutet, de Monvel und anderen.
Landschaften, Figuren, mondäne Scenen von eminentem Farbengeschmack und liebenswürdigster Zeichnung, fast jedes ein Labsal für den Kenner und fast jedes vortrefflich zum Zimmerschmuck geeignet für die zahlreichen Leute, deren Geldbeutel sich an Originalgemälde nicht heranwagen kann, und die bisher meist ohne Farbe mit Schwarz-Weiss-Reproduktionen auskommen mussten. —
Auch die Nationalgalerie hat sich seit geraumer Frist eine Art »permanente Ausstellung« angewöhnt. Im zweiten Corneliussaal, wo jetzt die untere Reihe der Kartons des göttlichen Peter grausam mit hellgrün getünchter Leinwand überdeckt ist, hat sich ein rundes Jahr hindurch die »Ausstellung der neuen Erwerbungen« in Permanenz erklärt. Der chronische Raummangel der Galerie ist nun zu einem akuten Leiden ausgebrochen, das wohl nicht eher kuriert sein wird, bis man im zweiten Stockwerk die angekündigte Amputation der Raczynskisammlung vorgenommen hat. In jüngster Zeit sind zu den neuen Ankäufen noch einige Werke hinzugekommen, während die grosse Ausstellung der Erwerbungen des letzten Sommers erst gegen Ende des Oktober in Scene gesetzt werden soll. Jene Einzelstücke sind, ausser den schon längst angekauften dekorativen Bildern von Max Rlinger — der Hälfte des ursprünglich für eine Privatvilla bestimmten Cyklus Böcklinisierender Meeresphantasien —, Bereicherungen der Porträtgalerie unseres modernen Museums: ein Bild des Kaisers von Max Koner, eins der besten Porträts des Monarchen, die der heimgegangene Künstler in so reicher Zahl gemalt hat, ferner ein Bildnis Gneist’s von Reinhold Lepsius, eine ausserordentlich feine, in der diskreten Harmonie der gedämpften Farben sehr schön wirkende Charakteristik, und die Pettenkoferbüste Adolf Hildebrand’s, eins der herrlichsten Werke, die je ein deutscher Bildhauer modelliert hat. Mit grimmigem Staunen sieht die vergoldete Corneliusbüste auf die Werke des unbotmässigen modernen Geschlechts herab, die nun neben ihr Platz und Geltung beanspruchen.
Im Innern der Museen, das sieht man immer wieder, kann man sich mit unserer offiziellen Kunstpflege ausgezeichnet vertragen. »Aber treff’ ich dich draussen im Freien, da soll der blutige Kampf sich erneuen . . .«
Jetzt gilt es einen Kampf gegen einen in Waffen starrenden Gegner: gegen den Roland auf dem Kemperplatz, den Otto Lessing dort als Abschluss der Siegesallee an die Stelle des guten, ehrlichen, alten Wrangelbrunnens gesetzt hat. Doch die Waffen dieses Pseudorecken sind nicht gefährlich. Rückt man ihm mit dem Rüstzeug künstlerischen Geschmacks auf den Leib, so werden sie zum Kinderspott. Welch ein jämmerlicher Repräsentant mittelalterlicher Kraft steht dann vor uns! Dann sieht man, wie ohnmächtig sich hier die moderne Virtuosenroutine bei dem Bemühen erwies, die starre Herbheit alter grosser Zeiten zu imitieren. Wie kleinlich und wirkungslos ist dieser geleckte Marmorheld, wenn man an seine rauhen Vorfahren aus Backstein oder Haustein denkt. Von dem verblüffenden Versagen des plastischen Gefühls gegenüber der Aufgabe, eine ganz freistehende Rolandgestalt zu schaffen, gar nicht zu reden! Wenn etwas den schlimmen Eindruck der Hauptfigur noch verstärken kann, ist es der Brunnenunterbau des Standbildes mit seiner fatalen Schokoladenfarbe, mit seiner grellen beleidigenden Vergoldung, mit seinen Dachziegeln aus