KUNSTCHRONIK WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE
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Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstr. 13
Neue Folge. XIV. Jahrgang
1902/1903
Nr. 5. 6. November
Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommermonaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfasst 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte etc., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstrasse 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen ausser der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haas enstein & Vogler, Rud. Mosse u. s. w. an.
ERINNERUNGEN AN MICHAEL MUNKACSY
von Fritz v. Uhde
Von vornherein möchte ich bemerken, dass man mir vielleicht zu viel Ehre erweist, wenn man von einer innigen Freundschaft zwischen dem verstorbenen Meister und mir schreibt. Munkâcsy ist mir von dem Tage an, wo er mir seine künstlerische Hilfe anbot, jederzeit auf das freundlichste und liebenswürdigste begegnet und hat mir bereitwillig genützt, aber das Verhältnis war stets das des Grossen zum Kleinen, des Meisters zum Anfänger, und erst später, als ich mir nach der Ausstellung meines Bildes »Lasset die Kindlein zu mir kommen« im Pariser Salon 1885, in seinen Augen die Sporen verdient hatte, scheint er für mich und für meine Kunst ein wärmeres Interesse gewonnen zu haben. Dafür sprachen die freundlichen und interessevollen Briefe, die ich von ihm von Zeit zu Zeit von Paris bekam. Wieder gesehen aber habe ich ihn seit meinem Aufenthalt in Paris (Ende 1879 bis Ende 1880) nur sehr flüchtig, für wenige Stunden.
In seiner letzten Zeit — ich glaube, kurz vor dem er in das Sanatorium zu Endenich bei Bonn eintrat, wo er vergebens Heilung erhoffte, habe ich in meinem Atelier in München — ich selbst war leider abwesend — eine Karte von ihm gefunden, auf der er mir mit unsicherer Schrift einen Gruss geschrieben hat. Dem Hausmeister, der ihm öffnete, gegenüber hat er betont, dass er in Paris mein Lehrer gewesen sei.
Auch kann ich aus der kurzen Zeit, in der ich mit Munkâcsy in Paris zusammen war, eigentlich von seiner Kunst wohl nur den Eindruck der unbedingtesten beneidenswerten Meisterschaft schildern, den sie damals bei meinen vielen Besuchen in seinem Atelier und seinem Haus und ganz besonders als er den Pilatus anfing zu malen, bei mir hervorgerufen hat. Seinen Milton hatte ich vorher in München gesehen und hatte damals den Eindruck, dass nach den alten
Die von Karl Lyka redigierte ungarische Kunstzeitschrift Müvészet hatte an Fritz v. Uhde die Bitte gerichtet, seine Beziehungen zu dem grossen ungarischen Meister mitzuteilen. Darauf hat Uhde diese Aufzeichnungen gemacht, die wir hier im Originale geben. Müvészet bringt sie gleichzeitig in ungarischer Sprache. Die Redaktion.
grossen Meistern der vergangenen Zeiten etwas Ähnliches nie gemalt worden sei. —
Über seine Entwickelung vermag ich nichts auszusagen, er trat damals in mein Leben als der grosse Meister und als solchen habe ich ihn für immer in meiner Erinnerung behalten.
Meine frühesten Erinnerungen an Munkâcsy datieren aus dem Jahre 1879. Damals lernte ich ihn im Hause des sächsischen Gesandten in München, Baron von Fabrice, kennen.
Wenn ich auch damals schon ein paar Jahre, allerdings fast wie ein Dilettant, gemalt hatte, konnte der Meister auf der Höhe seines Ruhmes wohl nur ein sehr mässiges Interesse an mir nehmen, er war aber so liebenswürdig, mir Mut zu machen — den hatte ich nach den ersten Erfahrungen in München beinahe schon verloren — und lud mich ein, nach Paris zu kommen und dort weiter zu studieren, er wolle mir gern helfen. So entschloss ich mich, im Spätherbst des gleichen Jahres für einige Monate nach Paris zu ziehen, um in seiner Nähe der Malerei etwas näher auf den Leib zu rücken. Munkâcsy hielt auch treulich was er mir versprochen hatte und hat mir durch seine Anleitung und mehr noch durch sein Beispiel und den Verkehr mit ihm und in seinem Atelier in den wenigen Monaten, welche ich in Paris zubrachte, mehr genützt als alle Zeit vorher, wo ich mich in München ohne Anleitung noch dürftig nach den alten Meistern in der Pinakothek zu bilden suchte. Er malte damals, als ich meinen ersten Besuch in seinem Atelier machte — schon auf der Treppe, die in den ersten Stock seines Hauses avenue de Villiers zum Atelier führte, wurde mir andächtig zu Mute, da hing Bild neben Bild, köstliche Franzosen aus der Schule von Fontainebleau, daneben auch ein alter schöner Leibi — an dem unter dem Titel »Die zwei Familien« bekannt gewordenen Bilde die Figur der jungen blonden Frau im blauen Morgenkleide — und lud mich ein, ihm beim Malen zuzuschauen. Diesen Genuss hat er mir damals öfter bereitet, es war riesig anregend, beinahe amüsant, mit welcher Sicherheit er auf die dunkle Bitumeuntermalung die hellsten Lichter aufsetzte und nach und nach das ganze Figürchen hell hineinmalte. Noch deutlicher wurde mir seine Methode, mit der er bei seinen Bildern vorging, in der kleinen Schule, die er damals auf Zureden einiger