Man begann sofort mit dem Stützen der unteren Teile des Turmes gegen den Kanal, Arbeiten, welche in jedem Falle der Abtragung vorauszugehen hatten. Bald jedoch erkannte man, dass der Befehl zur Abtragung unter dem Eindruck der Panik erfolgt war, und es machte sich in der Bürgerschaft die Rückkehr zu ruhiger Überlegung Platz, nachdem der Turm keine weiteren Zeichen schnell bevorstehenden Einsturzes zu erkennen gab. Man wollte um jeden Preis das altehrwürdige Bauwerk erhalten. Auf den Ausspruch der Baukommission legte man, seitdem sie bei S. Marco sich solche Irrtümer zu schulden hat kommen lassen, kein Gewicht mehr. Dieses Misstrauen fand seinen Ausdruck im Beschlüsse des Stadtrates, dem Regierungsdekret keine Folge zu leisten. Noch ist man mit den umfassenden Sicherungsarbeiten am Turme beschäftigt und es scheint alle Gefahr beseitigt. In gewissen Abständen werden starke Eisenbänder um den Turm gelegt und eben jetzt ist eine Denkschrift mit Illustrationen erschienen, in welcher der oft genannte alte Bauführer Vendrasco seinen Plan zur Wiedergeraderichtung des Turmes darlegt.
Die grossen Sicherungsarbeiten am Turme der Frarikirche, S. Giov. e Paolo und ganz besonders die umfassenden Restaurationsarbeiten, denen der Dogenpalast an gewissen Stellen von Neuem unterzogen werden musste, sind von solcher Wichtigkeit, dass ich denselben in einem weiteren Berichte gerecht zu werden hoffe.
Im Dogenpalaste, wo die jahrelangen grossen Restaurationen ihrem Ende entgegen zu gehen schienen, hat man nun mit neuen umfassenden Arbeiten begonnen. Der ehemalige Bauführer, der alte Vendrasco, hatte schon vor acht Jahren die Mauer, auf deren Fläche das Riesenbild Tintoretto’s angebracht ist (Das Paradies), für den wunden Punkt des Palastes erklärt, welcher noch erübrige von Grund aus kuriert zu werden. Man hat damals nicht auf ihn gehört, jetzt ist man genötigt mit grösseren Schwierigkeiten von dort aus vorzugehen. Die ganze Ecke des Palastes, welche den Lesesaal der Marciana enthielt, mit allen um- und darunterliegenden Räumen, musste endlich von der enormen Last der Bücher befreit werden, und, da die Zecca durch Verschleppung der Arbeiten noch immer nicht bereit ist den Bücherschatz aufzunehmen, dieser in den Parterreräumen des Dogenpalastes untergebracht werden. Die wertvollsten Bücher, jene der Sala Bessarion, sind nun eingepackt, und wer weiss auf wie lange unzugänglich geworden, zusammen mit unzähligen anderen wichtigen Teilen der berühmten Bibliothek. Ein kleiner Lesesaal ist notdürftig eben dort hergestellt worden. Oben dröhnt es von der Arbeit der Zimmerleute und Tischler, welche mit Abtragen aller Dekorationen und mit dem Stützen der Räume beschäftigt sind. In dem Saale des Grossen Rates ist der Thron des Dogen mit seinem Podium von der Wand entfernt worden, und man schickt sich jetzt an Tintoretto’s Riesenbild abzunehmen. Schon sind die unteren Teile der grossen Freske des Guariento zum Vorschein gekommen, wenn auch durch den bedenklichen Zustand der Mauer in Fragmenten. Es sind zwölf prächtige Engelsgestalten, in ganzer Figur sitzend, mit musikalischen Instrumenten. In den nächsten Tagen wird dieses grosse Freskobild, dass das jetzt lebende Geschlecht gewiss nicht erwarten konnte zu sehen, aufgedeckt sein. Nur Kunstbeflissene, Historiker wussten, dass diese Freske unter Tintoretto’s Bild verborgen ist. Ob nun bei der Restauration der Mauer die letzten Reste der Freske verschwinden werden? Höchst wahrscheinlich. Ebenso wenig ist auch nur entfernt zu erraten, wie lange die umfassenden Arbeiten in allen diesen Räumen währen können.
Chiesa dei Frari. Die sehr starke Neigung des mächtigen Glockenturmes dieser Kirche gab nach dem
Einsturze des Markusturmes zu grossen Besorgnissen Veranlassung. Man nahm sofort Verstärkungsarbeiten an dessen Fundamenten vor, um weiteren Senkungen vorzubeugen. Viele Grubenhohlräume ringsum wurden mit schweren Massen ausgefüllt, Untermauerungen ausgeführt u. s. w. Man machte bei dieser Gelegenheit die Entdeckung einer Süsswasserquelle, welche unter dem Turme entspringt. Man entdeckte ausserhalb überdies zwei schön erhaltene Sarkophage aus den Jahren 1321 bis 1322, mit schöner gotischer, erhabener Aufschrift. Sie enthielten die Gebeine zweier Patrizier aus mittlerweile erloschenen Geschlechtern. Man entschloss sich von Seiten der Regierung, angesichts der grossen Kosten, welche all diese Arbeiten verursachen, an den Nachmittagen Eintrittsgeld für die Besichtigung der Kirche zu erheben; und ebenso an den Vormittagen für den nun abgeschlossenen Chor und Zentralteil derselben, wohin alle wichtigen Bilder aus Kirche und Sakristei verbracht sind, denn auch diese letztere ist eingerüstet. Das kolossale Gewicht der Akten, des Archivs über dem Gewölbe der Sakristei, schädigte dieses dergestalt, dass auch dort grosse Sicherungsarbeiten im Gange sind. Es wird also auf lange Zeit hinaus der ungestörte Genuss der Kunstwerke und der Schönheit der Kirche selbst stark beeinträchtigt sein.
SS. Giovanni e Paolo. Bezüglich der Gefahr, welche plötzlich dieser Kirche zu drohen schien, sei hier mitgeteilt, dass eines der kleinen Säulenkapitelle von der Teilung des grossen mit Glasmalereien geschmückten Fensters, über dem Portale des rechten Querschiffes, herabstürzte. Grosse Panik verursachte dies während des Gottesdienstes. Man stellte in der Folge fest, dass weitere Gefahr ausgeschlossen ist, und begann auch dort mit den Sicherungsarbeiten. Das ganze Fenster muss auseinander genommen werden. Gelegentlich der Untersuchungen durch die ganze Kirche, wurden grosse Schäden festgestellt. Wer die Kirche kennt, wird sich der schiefen Säule erinnern zunächst der Sakristeithüre. Es war bei der lange Jahre dauernden Restauration der Kirche nicht möglich gewesen, diese Säule gerade zu richten. Man begnügte sich mit komplizierter Verankerung. Jetzt erst hat sich unverhofft herausgestellt, wodurch die Senkung jener Säule und des ganzen Teiles der Kirche bedingt ist: Dem Beauftragten des Boni kam es in den Sinn, die hinter dem Altar der Sakristei befindliche Bretterwand herabnehmen zu lassen. Man entdeckte eine Nische, welche zu einem Korridor führt, von welchem man keine Ahnung hatte, und welcher zu einer versteckten Thüre, nach der Kirche zurückführt. Besagte Nische mit Korridor hatte zu zwei Drittel die Mauerstärke geschwächt, so dass diese dem Schub nicht mehr Widerstand entgegenzusetzen vermag, und so die stets stärkere Neigung verursachte. Zu erwähnen ist noch, dass auch S. Zaccaria dringender Restauration bedürftig erkannt wurde. Aus S. Maria Materdomini müssen alle Gemälde schleunigst entfernt werden. Der Turm von S. Giobbe, S. Staë, S. Gallo, sowie der von S. Barnaba, einer der altehrwürdigsten Venedigs, müssen gesichert werden. Der Dom in Torcello ist geschlossen wegen gefahrdrohenden Zustandes des Glockenturmes. Wollte man nun all das, was an all den altersschwachen Bauwerken geschehen muss, gleichzeitig in Angriff nehmen, so würde eine ganze Schar Architekten nötig sein. Auoust WOLF.
NEKROLOGE
Soeben erhalten wir die Nachricht vom Tode des bekannten französischen Kunstgelehrten Eugen Müntz. Er stammte aus dem Eisass und hat ein Alter von nur 56 Jahren erreicht. Uber den Wert seiner Leistungen wird sich ein Fachgenosse hier demnächst aussprechen.
Die grossen Sicherungsarbeiten am Turme der Frarikirche, S. Giov. e Paolo und ganz besonders die umfassenden Restaurationsarbeiten, denen der Dogenpalast an gewissen Stellen von Neuem unterzogen werden musste, sind von solcher Wichtigkeit, dass ich denselben in einem weiteren Berichte gerecht zu werden hoffe.
Im Dogenpalaste, wo die jahrelangen grossen Restaurationen ihrem Ende entgegen zu gehen schienen, hat man nun mit neuen umfassenden Arbeiten begonnen. Der ehemalige Bauführer, der alte Vendrasco, hatte schon vor acht Jahren die Mauer, auf deren Fläche das Riesenbild Tintoretto’s angebracht ist (Das Paradies), für den wunden Punkt des Palastes erklärt, welcher noch erübrige von Grund aus kuriert zu werden. Man hat damals nicht auf ihn gehört, jetzt ist man genötigt mit grösseren Schwierigkeiten von dort aus vorzugehen. Die ganze Ecke des Palastes, welche den Lesesaal der Marciana enthielt, mit allen um- und darunterliegenden Räumen, musste endlich von der enormen Last der Bücher befreit werden, und, da die Zecca durch Verschleppung der Arbeiten noch immer nicht bereit ist den Bücherschatz aufzunehmen, dieser in den Parterreräumen des Dogenpalastes untergebracht werden. Die wertvollsten Bücher, jene der Sala Bessarion, sind nun eingepackt, und wer weiss auf wie lange unzugänglich geworden, zusammen mit unzähligen anderen wichtigen Teilen der berühmten Bibliothek. Ein kleiner Lesesaal ist notdürftig eben dort hergestellt worden. Oben dröhnt es von der Arbeit der Zimmerleute und Tischler, welche mit Abtragen aller Dekorationen und mit dem Stützen der Räume beschäftigt sind. In dem Saale des Grossen Rates ist der Thron des Dogen mit seinem Podium von der Wand entfernt worden, und man schickt sich jetzt an Tintoretto’s Riesenbild abzunehmen. Schon sind die unteren Teile der grossen Freske des Guariento zum Vorschein gekommen, wenn auch durch den bedenklichen Zustand der Mauer in Fragmenten. Es sind zwölf prächtige Engelsgestalten, in ganzer Figur sitzend, mit musikalischen Instrumenten. In den nächsten Tagen wird dieses grosse Freskobild, dass das jetzt lebende Geschlecht gewiss nicht erwarten konnte zu sehen, aufgedeckt sein. Nur Kunstbeflissene, Historiker wussten, dass diese Freske unter Tintoretto’s Bild verborgen ist. Ob nun bei der Restauration der Mauer die letzten Reste der Freske verschwinden werden? Höchst wahrscheinlich. Ebenso wenig ist auch nur entfernt zu erraten, wie lange die umfassenden Arbeiten in allen diesen Räumen währen können.
Chiesa dei Frari. Die sehr starke Neigung des mächtigen Glockenturmes dieser Kirche gab nach dem
Einsturze des Markusturmes zu grossen Besorgnissen Veranlassung. Man nahm sofort Verstärkungsarbeiten an dessen Fundamenten vor, um weiteren Senkungen vorzubeugen. Viele Grubenhohlräume ringsum wurden mit schweren Massen ausgefüllt, Untermauerungen ausgeführt u. s. w. Man machte bei dieser Gelegenheit die Entdeckung einer Süsswasserquelle, welche unter dem Turme entspringt. Man entdeckte ausserhalb überdies zwei schön erhaltene Sarkophage aus den Jahren 1321 bis 1322, mit schöner gotischer, erhabener Aufschrift. Sie enthielten die Gebeine zweier Patrizier aus mittlerweile erloschenen Geschlechtern. Man entschloss sich von Seiten der Regierung, angesichts der grossen Kosten, welche all diese Arbeiten verursachen, an den Nachmittagen Eintrittsgeld für die Besichtigung der Kirche zu erheben; und ebenso an den Vormittagen für den nun abgeschlossenen Chor und Zentralteil derselben, wohin alle wichtigen Bilder aus Kirche und Sakristei verbracht sind, denn auch diese letztere ist eingerüstet. Das kolossale Gewicht der Akten, des Archivs über dem Gewölbe der Sakristei, schädigte dieses dergestalt, dass auch dort grosse Sicherungsarbeiten im Gange sind. Es wird also auf lange Zeit hinaus der ungestörte Genuss der Kunstwerke und der Schönheit der Kirche selbst stark beeinträchtigt sein.
SS. Giovanni e Paolo. Bezüglich der Gefahr, welche plötzlich dieser Kirche zu drohen schien, sei hier mitgeteilt, dass eines der kleinen Säulenkapitelle von der Teilung des grossen mit Glasmalereien geschmückten Fensters, über dem Portale des rechten Querschiffes, herabstürzte. Grosse Panik verursachte dies während des Gottesdienstes. Man stellte in der Folge fest, dass weitere Gefahr ausgeschlossen ist, und begann auch dort mit den Sicherungsarbeiten. Das ganze Fenster muss auseinander genommen werden. Gelegentlich der Untersuchungen durch die ganze Kirche, wurden grosse Schäden festgestellt. Wer die Kirche kennt, wird sich der schiefen Säule erinnern zunächst der Sakristeithüre. Es war bei der lange Jahre dauernden Restauration der Kirche nicht möglich gewesen, diese Säule gerade zu richten. Man begnügte sich mit komplizierter Verankerung. Jetzt erst hat sich unverhofft herausgestellt, wodurch die Senkung jener Säule und des ganzen Teiles der Kirche bedingt ist: Dem Beauftragten des Boni kam es in den Sinn, die hinter dem Altar der Sakristei befindliche Bretterwand herabnehmen zu lassen. Man entdeckte eine Nische, welche zu einem Korridor führt, von welchem man keine Ahnung hatte, und welcher zu einer versteckten Thüre, nach der Kirche zurückführt. Besagte Nische mit Korridor hatte zu zwei Drittel die Mauerstärke geschwächt, so dass diese dem Schub nicht mehr Widerstand entgegenzusetzen vermag, und so die stets stärkere Neigung verursachte. Zu erwähnen ist noch, dass auch S. Zaccaria dringender Restauration bedürftig erkannt wurde. Aus S. Maria Materdomini müssen alle Gemälde schleunigst entfernt werden. Der Turm von S. Giobbe, S. Staë, S. Gallo, sowie der von S. Barnaba, einer der altehrwürdigsten Venedigs, müssen gesichert werden. Der Dom in Torcello ist geschlossen wegen gefahrdrohenden Zustandes des Glockenturmes. Wollte man nun all das, was an all den altersschwachen Bauwerken geschehen muss, gleichzeitig in Angriff nehmen, so würde eine ganze Schar Architekten nötig sein. Auoust WOLF.
NEKROLOGE
Soeben erhalten wir die Nachricht vom Tode des bekannten französischen Kunstgelehrten Eugen Müntz. Er stammte aus dem Eisass und hat ein Alter von nur 56 Jahren erreicht. Uber den Wert seiner Leistungen wird sich ein Fachgenosse hier demnächst aussprechen.