eben in der Revue archéol. 1902 II, S. 94 veröffentlicht hat. Alvarotti schreibt an den Fürsten von Ferrara folgendes: »Meister Benvenuto aus Florenz, der, wenn ich mich recht erinnere, in Ferrara in Belfiore für den Herrn Kardinal, den Bruder Ew. Excellenz, ein sehr schönes silbernes Becken arbeitete, mit dem er (der Kardinal) wie ich hörte, Seiner Majestät (dem Könige von Frankreich) ein Geschenk zu machen beabsichtigte, diesen Benvenuto also nahm Se. Herrlichkeit mit nach Frankreich und stellte ihn dem König vor. Se. Majestät nahm ihn als eine seltene und ausgezeichnete Person, was er ja in Wirklichkeit ist, in seinen Dienst, und es sind nun schon vier Jahre, dass er dort mit gutem Gehalt tliätig ist. Er hat ein sehr grosses silbernes Gefäss in der Art der Antike mit zwei Henkeln gemacht, das ganz mit Reliefs bedeckt ist, ein Werk, das von einem jeden als hervorragend bezeichnet wird, er macht jetzt für ihn einen Koloss aus Thon, der nachher in Bronze gegossen werden soll, um später bei einem Brunnen aufgestellt zu werden, den Se. Majestät in einem Hofe von Fontainebleau zu errichten gedenkt (diese Statue soll nach der Aussage Benvenuto’s grösser werden als alle, die man von den Römern kennt), und ferner ein Thor von Bronze, das fast schon fertig ist, gleichfalls für Fontainebleau. Jetzt hatte der König den Wunsch, dass er ihm zwölf silberne Statuen von Lebensgrösse machte (eher grösser als kleiner), die teils in der rechten, teils in der linken Hand eine Fackel halten sollten, so dass also die Statuen als Lichtträger in den Galerien von Fontainebleau dienen sollten, mit einer ganz vergoldeten Basis und mit Kugeln unter dieser, damit die Statuen mit Leichtigkeit überallhin bewegt werden könnten. Benvenuto hat nun eine davon gemacht, die er Jupiter nennt, ein klein wenig grösser als der König; sie wird von der Mehrzahl für sehr schön gehalten; nachdem sie fertig war, hat er sie nach Fontainebleau geführt und es dem König gemeldet. Se. Majestät hat erklärt, dass er sie bald nach dem Essen sehen wollte, und während der Zeit liess er Benvenuto sagen, er solle die Statue nicht aufstellen, bevor er selbst zugegen sei, weil er eben so viel Wert darauf legte, zu sehen, mit welcher Leichtigkeit sie aufgestellt werde, als das andere zu sehen. Nun ging der König dorthin, in Begleitung der Madame d’Etampes; Benvenuto stellte die Statue zur grossen Zufriedenheit des Königs auf; er hatte der Statue ein Hemd (einen Schleier) von Goldgaze gemacht, auf schwarzem Grunde, wohl ausgeführt und mit gewissen Ornamenten um den Hals. Da sagte Madame d’Etampes ganz laut, dass es Se. Majestät und alle die andern hörten: Das sind also die Sachen, die zehntausend Franken kosten und zu deren Lieferung man vier Jahre braucht. Das sagte sie aber, um Benvenuto zu verletzen, weil sie einen gewissen Bologna begünstigt, der als Maler und Bildhauer gilt. Benvenuto erwiderte ihr: Das ist einer der Gegenstände, die in vier Jahren gemacht sind, ausser den vielen andern, die mehr als vierzigtausend Franken wert sind. Da sagte einer der Grossen, die mit dem König gekommen waren, zu Frau v. Etam
pes: Was hat denn das Hemd zu bedeuten, mit dem er die Statue bekleidet hat? Und Frau v. Etampes antwortete: Das wird er wohl angebracht haben, um einen Fehler zu verdecken. O, sagte Benvenuto, ich habe nicht nötig, bei meinen Werken Fehler zu verdecken, wohl aber entdecke ich sie bei anderen. Ich habe die Decke bei der Statue der Ehrbarkeit wegen angebracht, aber wenn Sie sie nicht haben wollen, dann ist sie ja nicht nötig; mit diesen Worten riss er die Bekleidung von der Statue herunter (so dass die Schamteile sichtbar wurden), indem er hinzufügte: Finden Sie nicht, dass er ganz gut weggekommen ist? Der König brach in ein gewaltiges Gelächter aus, und Benvenuto fügte zu Frau v. Etampes gewandt hinzu: Ich habe über meine Werke nur Sr. Majestät dem Könige Rechenschaft abzulegen, worauf sie erwiderte: Was würdest Du sagen, wenn Du auch noch andern als Sr. Majestät Rechnung abzulegen hättest? Benvenuto sagte hierauf: Wenn ich auch andern Rechenschaft abzulegen hätte, so würde ich nicht hier bleiben. So, sagt Frau v. Etampes, was würdest Du sagen, wenn Du auch mir Rechenschaft abzulegen hättest? Wenn ich Ihnen Rechenschaft abzulegen hätte, entgegnete Benvenuto, so würde ich nicht bei Sr. Majestät bleiben. Da sagte der König: Genug, genug. Ew. Excellenz (damit wendet sich der Briefschreiber wieder an den Fürsten von Ferrara) verfahre mit dieser Geschichte nach Gefallen; wenn ich zu ausführlich gewesen bin, so bitte ich um Verzeihung, ich hielt es doch für besser, die Sache nicht zu verschweigen u. s. w.«
So lautet der Brief Alvarotti’s an den Herzog von Ferrara; daraus geht hervor, dass die Geschichte in der Hauptsache sich so zugetragen hat, wie sie Benvenuto schildert, wenn er auch in einzelnen Punkten ungenau ist. Das darf aber nicht wunder nehmen, da die Memoiren Cellini’s erst eine ganze Reihe von Jahren später niedergeschrieben worden sind (nicht vor 1555), wo die eine oder andere Ungenauigkeit sich schon in das Gedächtnis eingeschlichen haben konnte. Durch den Brief wird jetzt festgestellt, dass die Scene in Fontainebleau, nicht wie L. Dimier annehmen zu müssen glaubte, zwischen dem 28. Mai und dem 28. November, sondern kurz vor dem 29. Januar 1545 stattgefunden hat, und das stimmt vortrefflich zu dem Tagebuche Franz’ des Ersten, nach dem der Hof vom 10. Dezember ab in Fontainebleau weilte. Aber, statt einfach einzugestehen, dass er in diesem Punkt sich geirrt hat, möchte Herr Dimier noch möglichst viel auf Benvenuto sitzen lassen und sagt deshalb folgendes:
»Der Leser wird aus der Vergleichung der beiden Texte (es sind die betreffenden Schilderungen aus den Memoiren des Cellini und der Brief Alvarotti’s nebeneinander gesetzt) schon die gehörigen Folgerungen gezogen haben. Sie lässt deutlich erkennen, was in der Erzählung der Memoiren als falsch gelten muss. Erstens, die Geschichte mit den Antiken und ihre beabsichtigte Vergleichung, die bisher als der allgemein wirkende Hauptpunkt dieses Zusammentreffens angesehen war (nach Benvenuto hatte die