des bereits in die Volkstradition übergegangenen und selbst von ernsten Forschern bis in die neuere Zeit festgehaltenen Bildes eines zanksüchtigen und geldgierigen Weibes eine Frau kennen lernte, die schlicht und recht ihre häuslichen und verwandtschaftlichen Pflichten nach guter Bürgerart erfüllte und schliesslich durch ihre letztwillige Stipendienstiftung für Studenten der Gottesgelehrtheit ein Zeugnis ihres religiösen Sinnes und eines über die nächsten Interessen hinaussehenden Geistes ablegte, hat die jüngere Dürerforschung dieser Charakteristik keinen neuen Zug angefügt. Thausing stützt sich bei seiner Darstellung auf die Briefe aus Venedig vom Jahre 1506, das Tagebuch der niederländischen Reise, Notizen bei Scheurl und Neudörfer und nicht zum letzten auf die Bilder der Frau Agnes von des Meisters Hand, die alles andere als Abscheu vor seinem bösen Weibe verraten1).
Diesen älteren Beweisstücken reiht sich nun in glücklicher Weise ein erst neuerdings zum Vorschein gekommenes Schriftstück an, das vielleicht noch reiner als jene den verständigen und frommen Sinn der Lebensgefährtin Dürer’s wiederspiegelt, weil sie darin selbst zu Worte kommt, ich meine ein im Königlichen Kreisarchive Nürnberg befindliches, bisher noch nicht zur Veröffentlichung gelangtes, eben jene Stipendienstiftung betreffendes Fragment des Testamentes der Agnes Dürerin.
Es bildet die Anlage zu einem Eintrag in ein »Ewiggelt Buch, Libro nono genannt« der Reichsstadt Nürnberg über den von Meister Albrecht im Jahre 1524 vorgenommenen Kauf von 50 Gulden Ewiggeldes aus der Losungsstube 2), mit welcher, erbweise auf sie gekommenen und 1534 auf 40 Gulden herabgesetzten Rente seine Ehefrau das Stipendium letztwillig dotierte. Dieser Eintrag (auf Folio 384) lautet folgendermassen:
»Albrecht Dürer, vnnser Burger, hat mit 1000 Gulden landsswerung von uns in sein ainshanndt er
entziehen«. Buchner’s Polemik im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1870, Nr. 12 gegen die Thausing’sche »Rettung« sucht neues Material und zwar zu Ungunsten Frau Agnes’ aus dem Dürerischen Bericht über seine Mutter (Lange und Fuhse, Dürer’s Nachlass, Seite 15) zu gewinnen, indem die Bemerkung, dass sie viel Unbill im Leben erfahren habe »kurzweg« auf ihre Schwiegertochter bezogen wird. Das ist eine willkürliche Annahme, doch liesse sich hierüber eventuell streiten, ganz entschieden aber muss Verwahrung dagegen eingelegt werden, dass sich in jenem wenig hoffähigen Passus aus dem letzten Dürer’schen Briefe aus Venedig an Pirkheimer (Lange und Fuhse, Seite 40, Zeile 8 v. o.) Gleichgültigkeit, ja rohe Gesinnung Dürer’s gegen seine Lebensgefährtin dokumentiere. Es ist ein derbes Scherzwort, in überschäumender Lebenslust zwischen Männern gewechselt, nichts weiter. Gerade dieser letzte, von dem Meister, wie er selbst sagt, in »guter Froligkeitgeschriebene Brief sprüht von keckem Humor, derber Ausgelassenheit und schalkhafter Verspottung des hochgelahrten Freundes.
1) Vergl. hierzu auch die hübsche Beobachtung von Weber im Rep. f. Kw. Bd. 23 (Frau Agnes auf dem Rosenkranzbild!).
2) Diese war die Centralstelle für die städtische Finanzverwaltung.
kauft 50 gülden gmainer landsswerung ewigsgelts, ye ein pro 20 Gulden1), geben losung vnd Steuer, ze zalen In forma Antreten mefdia] sojlutione] Walburgis schierst. Act. 2a post Galli (=17. Oktober) Anno 1524. Habet literam2). Nota: Nach Absterben obgemelts Albrechten Dürers selig, sind dise 50 Gulden ewigsgelts auf Agnes, sein gelassne Wittib, gevallen vnd auf solch ir ankommen haben wir ir dieselben 50 Gulden ewiggelts mit 1000 Gulden, als die haubtsumma, yetzo Martini diss 1534 Jars abzelosen verkündet, darauf hat sie sich bewilligt für solch 50 Gulden hinfuro 40 Gulden ewigsgeltz ze nemen, Also das ein yeder gülden nun hinfuro vmb 25 Gulden abzelosen stet; das ist ir pey den losungherren also zugelassen, darauf hat sie den alten brief, auf iren hawsswirt selig, lautende, geantwurt; der ist abgethan vnd [haben wir] ir einen newen brief, in ir ainsshanndt lautende, pro 40 Gulden gegeben de dato Sabbato post Leonhardi (= 7. November) Anno 1534. Habet literam. Nota dise 40 Gulden sind nach irem, der Durerin, vnd Katherina Zynerin absterben zu einem stipendio gewendt innhalt desselben besondern stifft puchleins etc. Actum 3 ad[i]3) 24. May Anno 1547«.
Mit Beziehung auf den letzteren Vermerk wurde nun, wie öfters in jenem Ewiggeldregister, dem Einträge eine Abschrift der betreffenden Bestimmungen aus dem Testamente beigelegt.
Die Überschrift dieser Anlage lautet: »Artickel auss Agnes Albrecht Dürers Wittib seligen Testament gezogen, das Stipendium, so sy darinnen verordent belanngende«. Es folgen sodann der unten wiedergegebene Text und am Schlüsse der Vermerk: »Söllich der Dürerin Testament ist nach dem form vnndter gemainer Stat Nürnberg anhanngenden Innsigel aussganngen. Act. Dinstag nach dem heyligen Chris tag im 1540 Jar«.
Lassen wir nun Frau Agnes das Wort! Die Bestimmungen des Testamentes lauten:
»Nachdem aber ich viertzigk guidein ewigs gelts an goldt auff meiner Herrn Losungstuben hab, die ich von meinem Hausswirt Albrecht Dürer seligen ererbt hab, die mit Tausennt guidein an goldt erkaufft seine!, ist mein letzster will, das mein freuntliche liebe Schwester, Katherina Martin Zynerin, nach meinem tod vnnd abganng dieselbigen in der abnutzung ir lebenlanng jerlich einnemen soll, aber nach irem tod vnnd abganng, so sollen solliche 40 Gulden ewigs gelts an gold fünff Jar lanng nacheinannder einem frummen Studenten, der ains Hanndtwercks Mans Sun sey vnnd der auch Burgers Sun sey vnnd der zuvor vier Jar lanng vngeverlich in den freyen künsten gestudirt hab vnnd füran in der Heyligen schryfft studiren wöll, verlihen werde[n],
1) Dürer erbat sich diesen Zinsfuss von 5 Prozent als eine besondere Vergünstigung. Sein Brief an den Rat (undatiert) bei Lange und Fuhse, Seite 62.
2) Diese Bemerkung über die Aushändigung der Schuldurkunde ist mit Bezug auf das Folgende wieder gestrichen.
3) Italienisch, auch in Privatbriefen jener Zeit häufig
gebraucht für »am Tag«.
Diesen älteren Beweisstücken reiht sich nun in glücklicher Weise ein erst neuerdings zum Vorschein gekommenes Schriftstück an, das vielleicht noch reiner als jene den verständigen und frommen Sinn der Lebensgefährtin Dürer’s wiederspiegelt, weil sie darin selbst zu Worte kommt, ich meine ein im Königlichen Kreisarchive Nürnberg befindliches, bisher noch nicht zur Veröffentlichung gelangtes, eben jene Stipendienstiftung betreffendes Fragment des Testamentes der Agnes Dürerin.
Es bildet die Anlage zu einem Eintrag in ein »Ewiggelt Buch, Libro nono genannt« der Reichsstadt Nürnberg über den von Meister Albrecht im Jahre 1524 vorgenommenen Kauf von 50 Gulden Ewiggeldes aus der Losungsstube 2), mit welcher, erbweise auf sie gekommenen und 1534 auf 40 Gulden herabgesetzten Rente seine Ehefrau das Stipendium letztwillig dotierte. Dieser Eintrag (auf Folio 384) lautet folgendermassen:
»Albrecht Dürer, vnnser Burger, hat mit 1000 Gulden landsswerung von uns in sein ainshanndt er
entziehen«. Buchner’s Polemik im Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, 1870, Nr. 12 gegen die Thausing’sche »Rettung« sucht neues Material und zwar zu Ungunsten Frau Agnes’ aus dem Dürerischen Bericht über seine Mutter (Lange und Fuhse, Dürer’s Nachlass, Seite 15) zu gewinnen, indem die Bemerkung, dass sie viel Unbill im Leben erfahren habe »kurzweg« auf ihre Schwiegertochter bezogen wird. Das ist eine willkürliche Annahme, doch liesse sich hierüber eventuell streiten, ganz entschieden aber muss Verwahrung dagegen eingelegt werden, dass sich in jenem wenig hoffähigen Passus aus dem letzten Dürer’schen Briefe aus Venedig an Pirkheimer (Lange und Fuhse, Seite 40, Zeile 8 v. o.) Gleichgültigkeit, ja rohe Gesinnung Dürer’s gegen seine Lebensgefährtin dokumentiere. Es ist ein derbes Scherzwort, in überschäumender Lebenslust zwischen Männern gewechselt, nichts weiter. Gerade dieser letzte, von dem Meister, wie er selbst sagt, in »guter Froligkeitgeschriebene Brief sprüht von keckem Humor, derber Ausgelassenheit und schalkhafter Verspottung des hochgelahrten Freundes.
1) Vergl. hierzu auch die hübsche Beobachtung von Weber im Rep. f. Kw. Bd. 23 (Frau Agnes auf dem Rosenkranzbild!).
2) Diese war die Centralstelle für die städtische Finanzverwaltung.
kauft 50 gülden gmainer landsswerung ewigsgelts, ye ein pro 20 Gulden1), geben losung vnd Steuer, ze zalen In forma Antreten mefdia] sojlutione] Walburgis schierst. Act. 2a post Galli (=17. Oktober) Anno 1524. Habet literam2). Nota: Nach Absterben obgemelts Albrechten Dürers selig, sind dise 50 Gulden ewigsgelts auf Agnes, sein gelassne Wittib, gevallen vnd auf solch ir ankommen haben wir ir dieselben 50 Gulden ewiggelts mit 1000 Gulden, als die haubtsumma, yetzo Martini diss 1534 Jars abzelosen verkündet, darauf hat sie sich bewilligt für solch 50 Gulden hinfuro 40 Gulden ewigsgeltz ze nemen, Also das ein yeder gülden nun hinfuro vmb 25 Gulden abzelosen stet; das ist ir pey den losungherren also zugelassen, darauf hat sie den alten brief, auf iren hawsswirt selig, lautende, geantwurt; der ist abgethan vnd [haben wir] ir einen newen brief, in ir ainsshanndt lautende, pro 40 Gulden gegeben de dato Sabbato post Leonhardi (= 7. November) Anno 1534. Habet literam. Nota dise 40 Gulden sind nach irem, der Durerin, vnd Katherina Zynerin absterben zu einem stipendio gewendt innhalt desselben besondern stifft puchleins etc. Actum 3 ad[i]3) 24. May Anno 1547«.
Mit Beziehung auf den letzteren Vermerk wurde nun, wie öfters in jenem Ewiggeldregister, dem Einträge eine Abschrift der betreffenden Bestimmungen aus dem Testamente beigelegt.
Die Überschrift dieser Anlage lautet: »Artickel auss Agnes Albrecht Dürers Wittib seligen Testament gezogen, das Stipendium, so sy darinnen verordent belanngende«. Es folgen sodann der unten wiedergegebene Text und am Schlüsse der Vermerk: »Söllich der Dürerin Testament ist nach dem form vnndter gemainer Stat Nürnberg anhanngenden Innsigel aussganngen. Act. Dinstag nach dem heyligen Chris tag im 1540 Jar«.
Lassen wir nun Frau Agnes das Wort! Die Bestimmungen des Testamentes lauten:
»Nachdem aber ich viertzigk guidein ewigs gelts an goldt auff meiner Herrn Losungstuben hab, die ich von meinem Hausswirt Albrecht Dürer seligen ererbt hab, die mit Tausennt guidein an goldt erkaufft seine!, ist mein letzster will, das mein freuntliche liebe Schwester, Katherina Martin Zynerin, nach meinem tod vnnd abganng dieselbigen in der abnutzung ir lebenlanng jerlich einnemen soll, aber nach irem tod vnnd abganng, so sollen solliche 40 Gulden ewigs gelts an gold fünff Jar lanng nacheinannder einem frummen Studenten, der ains Hanndtwercks Mans Sun sey vnnd der auch Burgers Sun sey vnnd der zuvor vier Jar lanng vngeverlich in den freyen künsten gestudirt hab vnnd füran in der Heyligen schryfft studiren wöll, verlihen werde[n],
1) Dürer erbat sich diesen Zinsfuss von 5 Prozent als eine besondere Vergünstigung. Sein Brief an den Rat (undatiert) bei Lange und Fuhse, Seite 62.
2) Diese Bemerkung über die Aushändigung der Schuldurkunde ist mit Bezug auf das Folgende wieder gestrichen.
3) Italienisch, auch in Privatbriefen jener Zeit häufig
gebraucht für »am Tag«.